Ein Ex-Credit-Suisse-Händler will mit einer Smartphone-App zur Amazon der Finanzbranche werden.
Wenn Nikolay Storonsky aus seinem Büro im Londoner Fintech-Labor Level 39 schaut, schaut er von oben herab auf die Büros der Credit Suisse (CSGN 17.035 -4.35%). Ein sinnbildlicher Blick: Die Grossbank war bis vor drei Jahren der Arbeitgeber des Russen gewesen. Damals ärgerte er sich auf Geschäftsreisen über die hohen Gebühren, die ihm bei Geldbezügen und Zahlungen in Fremdwährung belastet wurde. Dies war der Ansporn, im Juli 2015 mit Geschäftspartner Vlad Yatsenko Revolut zu gründen.
Sein Produkt ist eine Smartphone-App, die dem Kunden mit einem Konto globale Finanzdienstleistungen ermöglicht. «Wir wollen Banking wieder zu dem machen, was es eigentlich sein sollte», sagt Storonsky im Gespräch mit «Finanz und Wirtschaft». Für ihn heisst das: Den Kunden nur die Dienstleistungen anbieten, die sie wirklich wollen, und dabei die tiefstmöglichen Gebühren verlangen. Bei Revolut heisst das: Monatlich bis zu 200 Fr. gebührenfrei Geld abheben oder kostenlos Geld von Franken in fünfzehn weitere Währungen wechseln. Verrechnet wird der Interbankenkurs. Bei Banken kosten solche Dienstleistungen deutlich mehr.
5000 Neukunden pro Tag
Revolut ist nicht der einzige «Mobile-only»-Finanzdienstleister. In Deutschland bietet N26 ähnliche Dienstleistungen bereits seit 2013 an, in Grossbritannien heisst der Konkurrent Monzo. In der Schweiz will die Bank Cler (BC 42.6 -2.07%) im Februar mit Zak eine digitale Bank an den Start bringen. In Österreich setzen die Sparkassen und die Erste Bank auf «George».
Allerdings wächst kein Anbieter derzeit so schnell wie Revolut. Gemäss eigenen Angaben benutzen derzeit über 1 Mio. Kunden die App, täglich kommen rund 5000 neue User hinzu. Wenn in diesem Jahr Revolut sein Angebot in den USA und Singapur ausrollt, soll die Wachstumsrate weiter steigen. Kürzlich sagte Revolut-Gründer Storonsky, sein Ziel sei es, bis in fünf Jahren 50 Mio. Kunden zu haben. Heute schaut er gar diese Zahl als konservative Schätzung an.
Er will mit seinem Unternehmen zum Amazon (AMZN 1390 -2.79%) des Bankings werden – sprich: Revolut soll weltweit der Inbegriff des digitalen Bankings sein. «Wir müssen deshalb den Giganten wie Apple (AAPL 156.49 -2.5%), Google (GOOGL 1062.39 -5.08%) und Facebook (FB 181.26 -4.74%) immer einen Schritt voraus sein», sagt Storonsky. Er bezeichnet die Tech-Giganten als seine grösste Konkurrenz, nicht etwa die Banken.
Im Gegensatz zu den anderen ausländischen Anbietern ist Revolut bereits seit Herbst in der Schweiz tätig. Rund 50 000 Kunden zählt Revolut hierzulande. Demnächst will das Jungunternehmen mit einer Schweizer Partnerbank zusammenarbeiten, um die Dienstleistungen vollumfänglich zu Tiefstgebühren anzubieten. Denn noch gilt Revolut nicht als vollumfängliches Bankinstitut. Die Erteilung einer europäischen Banklizenz ist allerdings beantragt und wird in den kommenden Monaten erwartet.
Austausch mit den Kunden
Ungewohnt ist auch die Art, wie Revolut sich mit den Bedürfnissen der Kunden auseinandersetzt. In regelmässigen Abständen organisiert das Unternehmen sogenannte Rev Rallys, zu denen User eingeladen werden, um über künftige Angebote zu diskutieren. So bietet Revolut nun seit kurzem eine Reiseversicherung an, die via Standorterkennung des Handys aktiviert wird und 1 € pro Tag kostet. Kehrt man in sein Heimatland zurück, wird die Versicherung wieder gestoppt. Zusammen mit einem Crowdlending-Anbieter offeriert Revolut auch Kredite in Echtzeit.
Seit einigen Wochen können Bitcoin über Revolut gehandelt werden, was der Popularität der App einen Schub gab. Bald sollen auch Investmentprodukte hinzukommen. Storonsky schwebt ein Robo-Advisor vor, in den auch mit Kleinbeträgen investiert werden kann.
Trotz tiefer Gebühren verliert Revolut die Profitabilität nicht aus den Augen. Im Dezember hat das Unternehmen im Europa-Geschäft den Break-even erreicht – ein Zeichen, dass das Modell funktioniert.
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