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07:01 Uhr - 22.11.2016

Das Silicon Valley ziert sich vor Börsengängen

Das IPO von Snap könnte anderen Tech-Grössen den Weg ebnen – wenn die nur wollten.

«Stille Wasser sind tief», besagt eine Redensart. Zumindest die beiden Start-ups Nutanix und Coupa wünschen sich mittlerweile wohl, sie hätten die tatsächliche Tiefe vor dem Sprung ins Nass besser ausgelotet. Sie gehören zu den wenigen aus dem Silicon Valley stammenden Technologiefirmen, die dieses Jahr den Gang an den stillen IPO-Markt (IPO: Initial Public Offering) gewagt haben. Der Kopfsprung ins Ungewisse war für die Aktionäre vorerst schmerzlich: Beide Titel verloren nach einem kurzen Kursfeuerwerk um die Erstplatzierung deutlich.

Zum AutorCarlo Portmann ist freier Journalist.zoomDie zentrale Frage lautet, ob sich bekanntere Technologieunternehmen davon abschrecken lassen. Oder werden sie durch erfolgreichere Beispiele inspiriert, etwa durch Twilio (TWLO 36.8 -0.22%), deren Aktionäre sich zumindest in den Wochen nach dem Börsengang im Juni über steigende Kurse freuen durften? Jüngst mehrten sich Berichte, Snap wolle schon diesen Frühling ihre Aktien kotieren lassen (vgl. Textbox unten). Marktbeobachter argumentieren, ein IPO von Snap wäre der Startschuss für eine Welle von Börsengängen bekannter Technologiefirmen. Sicher ist: Die Zahl der IPO in diesem Jahr ist so niedrig wie schon lange nicht mehr.

Wenig Eile bei Uber & Co.

Wie Snap gelang es dem Logistikunternehmen Uber, in kürzester Zeit rund um den Globus Millionen von Nutzern zu gewinnen. Uber ist im Silicon Valley klar das Schwergewicht unter den «Einhörnern», unkotierten Jungfirmen, die von den Kapitalgebern mit mehr als 1 Mrd. $ bewertet werden. In der jüngsten Finanzierungsrunde taxierten Investoren den Wert des Unternehmens auf 68 Mrd. $.

Wie CEO Travis Kalanick aber jüngst betonte, sei es noch nicht an der Zeit, Uber an die Börse zu führen. In mehreren Finanzierungsrunden habe man Kapital erhalten, um es in die Expansion des Unternehmens zu investieren, was man derzeit tue. Ähnlich klingt es beim zweitgrössten «Einhorn» des Silicon Valleys, dem Zimmervermittler Airbnb, der zuletzt mit 30 Mrd. $. bewertet wurde.

Vage Anzeichen für einen Gang an die Börse gibt es bei Palantir. Die verschwiegene Firma mit Sitz in Palo Alto analysiert für Unternehmen und Regierungen grosse Datenmengen. Palantirs Dienste werden eingesetzt, um Lieferketten effizienter zu organisieren – oder Terroristen zu jagen.

So gehören zahlreiche Abteilungen des US-Verteidigungsministeriums zu den Kunden, die vom CIA finanzierte Wagniskapitalfirma In-Q-Tel ist bei Palantir investiert. Das Unternehmen wurde 2004 gegründet und ist ein somit ein recht betagtes «Einhorn». CEO und Mitgründer Alex Karp betonte in der Vergangenheit stets, er lehne einen Börsengang ab. Allerdings räumte er jüngst ein, man wolle den eigenen Angestellten bessere Liquidität für ihre Anteile bieten.

Man evaluiere derzeit, ob ein IPO der beste Weg dazu sei, sagte Karp. Wie im Silicon Valley üblich, erhalten Mitarbeiter von Palantir einen Teil des Salärs in Aktien und Optionen ausbezahlt. Kommt es zum Börsengang, dürfte ein weiteres Schwergewicht die Bühne betreten. In der bislang letzten Finanzierungsrunde Ende 2015 bewerteten die Investoren Palantir mit rund 20 Mrd. $.

Auch Dropbox lässt sich etwas in die Karten blicken. Der Chief Operating Officer von Dropbox, Dennis Woodside, sagte diesen Oktober, das Unternehmen mache zwar noch keine Gewinne. Aber man sei auf dem Weg dahin und offen für einen Börsengang. Dazu passt, dass Bloomberg im August meldete, Dropbox habe Beratung zu einem möglichen IPO in Anspruch genommen.

Allerdings ist fraglich, ob die Investoren Dropbox die Türen einrennen. Google (GOOGL 784.8 1.14%), Apple (AAPL 111.73 1.52%), Microsoft (MSFT 60.86 0.85%) und andere sind in das Cloud-Geschäft eingestiegen und machen dem 2007 gegründeten Unternehmen zu schaffen. So sind bei Dropbox investierte Fonds von Morgan Stanley (MS 40.56 0.32%), Fidelity und T. Rowe Price in den vergangenen Monaten dazu übergegangen, den Wert ihrer Anteile tiefer zu taxieren. Bei einer Finanzierungsrunde 2014 wurde Dropbox mit 10 Mrd. $ bewertet. Die Titel des Rivalen Box, der sich Anfang vergangenen Jahres an die Börse wagte, haben ungefähr ein Drittel an Wert verloren.

Unsicherheitsfaktor Trump

Zaudernden «Einhörnern» kommt entgegen, dass für sie vorerst die Finanzierungsquellen fernab der Börse nicht versiegen. Beispielsweise erhielt Uber diesen Sommer vom saudischen Staatsfonds eine Geldspritze von 3,5 Mrd. $, Airbnb sammelte im September 850 Mio. $ ein.

Zudem bedeutet die Wahl von Donald Trump, dass die Zeit der Unsicherheit weitergeht, obwohl nun klar ist, wer der nächste US-Präsident wird. Und wenn es etwas gibt, das den IPO-Markt nicht beflügelt, dann ist das Unsicherheit. Entsprechendes hat etwa die künftige Chefin der Technologiebörse Nasdaq, Adena Friedman, in einem Fernsehinterview angedeutet. Einige Firmen, die einen IPO planen, warteten nun zuerst einmal ab und schauten, was mit einer Trump-Präsidentschaft auf sie zukomme, sagte Friedman.

Auch auf Anlegerseite ist Vorsicht geboten: Zuvor gefeierte Technologiefirmen wie Zynga (ZNGA 2.8 0%), Groupon (GRPN 3.98 1.02%), Lending Club (LC 6.14 2.68%), Fitbit (FIT 8.69 -0.69%) und natürlich auch Twitter (TWTR 18.6 -0.69%) enttäuschten nach dem Börsengang und schickten den eigenen Aktienkurs auf Talfahrt. Noch nicht kotierte Unternehmen werden sich in diesem Umfeld zweimal überlegen, ob sie den Sprung wagen und die stillen Wasser der US-Börsengänge testen wollen.

Snap geht ein Schrittchen hin zur BörseSnap nimmt den nächsten Schritt auf dem Weg zur Börse: Die Betreiberin der Snapchat-App habe bei der US-Börsenaufsicht SEC die dafür notwendigen Dokumente eingereicht, berichteten übereinstimmend US-Medien. Dank einem 2013 in Kraft getretenen Gesetz konnte die Firma dies unter Ausschluss der Öffentlichkeit tun, weshalb vorerst keine Details bekannt sind. Der Passus im sogenannten Jumpstart Our Business Startups Act (JOBS) gilt für Firmen mit einem Umsatz von unter einer Milliarde US-Dollar.

In den vergangenen Jahren nahmen bereits Twitter, GoPro, Box und andere Start-ups vor der Erstplatzierung diese Möglichkeit zur Diskretion in Anspruch. Dass Snap die Papiere bei der Börsenaufsicht vertraulich einreichen konnte, ermöglicht Marktbeobachtern aber zumindest, den Umsatz des Unternehmens genauer einzuschätzen. Analysten rechneten in der Vergangenheit damit, dass dem Start-up der Sprung über die Eine-Milliarde-Dollar-Hürde frühestens im kommenden Jahr gelingt, was sich nun bestätigt. Snapchat werde mit 20 bis 25 Mrd. $ bewertet, hiess es. Die jüngsten Meldungen sind ein weiteres Indiz für einen baldigen Börsengang. Allerdings ist noch nichts in trockenen Tüchern. Snap hat weiterhin die Möglichkeit, einen Rückzieher zu machen.

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