Nicht von ungefähr leitet ein Ingenieur Jaeger-LeCoultre. Technische Raffinesse steht für die Uhrenmanufaktur im Vallée de Joux seit der Gründung im Vordergrund.

Daniel Riedo, CEO seit Juli 2013, nennt Innovation als erste von drei Charaktereigenschaften des Hauses. Danach folgen die zwei eng mit einander verknüpften Begriffe Geschichte und Legitimität. «Der Innovation schenken wir die grösste Aufmerksamkeit», sagt Riedo, Diplomingenieur der Ingenieurschule Genf.

Mehr als 120 Personen beschäftigen sich täglich damit, die Uhren technisch voranzubringen, noch mehr Raffinesse in ihre Werke reinzupacken. «Unsere Kunden erwarten die technischen Details. Sie verstehen sie als Ausdruck des Know-how von Jaeger-LeCoultre in der Zeitmessung», erklärt Riedo.

182 Jahre geprägt von technischer Innovation

In der 182-jährigen Unternehmensgeschichte kann die zu Richemont (CFR 81.55 -1.63%) gehörende Manufaktur auf viele auf technischer Innovation beruhende Erfolge verweisen. Eine Ikone, die Reverso, kann 2016 ihr 85-jähriges Bestehen feiern. Ihre Neukonzeption – «die Grand Old Lady hat eine Auffrischung nötig», schmunzelt Riedo – wird deshalb am nächstjährigen Salon de la Haute Horlogerie in Genf im Mittelpunkt stehen.

Reverso soll als Linie «lesbarer» gemacht werden, umschreibt der 55-jährige Riedo die Vorgabe. Das heisst nicht, dass die Reverso auf einmal in grosser Stückzahl produziert werden oder sogar andere Linien verdrängen soll. Die Vielfalt an Produkten für Kundengruppen vom Bereich erschwinglicher Luxus bis hin zum Top-end gehört zum Haus Jaeger-LeCoultre. Darauf und auf der Technologie beruht das, was die Marketingwelt mit Brand Legitimacy umschreibt. Dieses Erbe pflegt der gebürtige Freiburger Riedo weiter, auch wenn es die Vermarktung nicht eben erleichtert, wie er bestätigt.

Verbesserungen für jede Linie

Die Herausforderung der nächsten Jahre sei es, die Linien jede für sich besser lesbar zu machen, und keineswegs, einzelne darunter einzustellen. Duometer, Hybris Mechanica und die Damenlinie Rendez-vous hat Riedo besonders im Blick. Marketingwissen hat er sich in zwölf Jahren Tätigkeit für Rolex angeeignet, wo er neben der Produktionsleitung in Genf das Marketing der Marke Tudor entwickelte.

Bevor Riedo CEO geworden ist, leitete er während zweieinhalb Jahren die Produktion in Le Sentier im Vallée de Joux. Wie viele Uhren jährlich die Manufaktur verlassen, ist ebenso wenig bekannt wie der Umsatz, der damit erzielt wird. Zwischen 50 000 und 100 000 Stück lautet die offizielle Version, wobei die Preisspanne von 5000 Fr. bis zu 1 Mio. Fr. reicht. «Jaeger-LeCoultre wächst im einstelligen Prozentbereich und schneller als der Markt», erklärt Riedo.

Das breite Angebot ist für den CEO in schwierigen Zeiten Vorteil und nicht Nachteil. Es existiert kein breites Vertriebsnetz, das redimensioniert werden muss. Es gibt keine auf Grossserien ausgelegte Produktionsstrassen, die ausgelastet werden müssen.

«Mit allen unseren Linien besetzen wir Nischen», sagt Riedo, «das sichert uns Flexibilität.» Jaeger-LeCoultre komme zudem entgegen, dass aus einer in der Branche unerreichten Uhrwerkbibliothek mit mehr als 1400 Kalibern geschöpft werden kann.

Eine Belebung für die gesamte Branche erwartet Riedo ab der zweiten Jahreshälfte. Stürmisch werde sie nicht ausfallen, meint der Realist. Doch sollten die Folgen der Antikorruptionskampagne in China abebben und das steigende Reiseaufkommen das Geschäft ankurbeln.

«Go West»

Wachstumsmöglichkeiten sieht er auch in den USA. Nach drei Jahren Fokus  auf Asien und achtzehn Monaten auf der Ankurbelung in Europa heisst das Motto seit sechs Monaten «Go west».

«Der in New York an der Madison Avenue eröffnete Flaggschiffladen startete mit Erfolg», gerät Riedo ins Schwärmen. Weitere sechs Boutiquen in den USA und Kanada werden dazustossen. Das Filialnetz umfasst 75 Boutiquen weltweit, 85 bis 90 sind das Ziel. Tokio und Sydney sind noch weisse Flecken, Singapur ein Traumziel. Aber auch hier dringt Riedos Pragmatismus durch. Ein Vertrag wird erst unterzeichnet, wenn der Standort stimmt.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.