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14:00 Uhr - 11.06.2018

Was am Klingelnberg-IPO reizt

Die Angebotsspanne überreizt die Bewertung des Maschinenbauers nicht. Neue Maschinen, bewährtes Management und solide Finanzen schaffen Chancen.

Der Börsengang des Maschinenbauers Klingelnberg geht in die heisse Phase. Am Montag wurde der IPO-Fahrplan veröffentlicht, wonach die Titel am Mittwoch, 20. Juni, erstmals an der SIX gehandelt werden.

Die Zeichnungsfrist für die Aktien startet heute Montag und dauert bis Dienstag, 19. Juni, am Mittag. Als Preisspanne werden 45 bis 54 Fr. vorgegeben. Angeboten werden rund 4,6 Mio. Titel; wenn die Mehrzuteilungsoption ausgeübt wird, werden es gut 5 Mio. Aktien sein.

Damit sollen zwischen 51,8 und 57% der existierenden Valoren im Publikum platziert werden. Die übrigen bleiben im Besitz von Vater und Sohn Klingelnberg. Sohn Jan ist CEO des Unternehmens.

Insgesamt umfasst die Aktienstruktur des Unternehmens nach der Platzierung 8’912’800 Aktien. Davon werden 512’800 neu geschaffen. Das Ticker-Symbol wird KLIN sein, die Valorennummer 42’046’226. Ferner hat Klingelnberg angekündigt, künftig 40 bis 60% des Gewinns als Dividende auszuschütten.

Die Bewertungsrechnung

Welcher Bewertung entspricht nun die Emissionspreisspanne? Der Börsenwert beträgt zum unteren Wert der Preisspanne 400 Mio. Fr., zum oberen 480 Mio. Fr. Diese Werte lassen sich mit den Ergebnisprognosen des Unternehmens für das laufende Geschäftsjahr per Ende März 2019 vergleichen.

Klingelnberg erwartet einen Umsatzanstieg um 5 bis 9% auf 270 bis 280 Mio. € und eine Verbesserung des Betriebsgewinns (Ebit) um bereinigt 27 bis 32% auf 29 bis 30 Mio. €.

Bleiben Finanzergebnis und Steuerquote in etwa konstant, dürfte der Reingewinn bereinigt 26 bis 30% steigen. Heruntergebrochen auf Pro-Aktie-Werte und umgerechnet in Franken ergibt sich für das Geschäftsjahr 2018/19 eine Gewinnschätzung von 2.43 bis 2.52 Fr. pro Titel.

Ausschüttungsquote 40 bis 60%

Wird von 2.48 Fr., dem Mittelwert der Prognosespanne, ausgegangen, dann sind die Klingelnberg-Papiere zum unteren Wert der Preisspanne mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 18 zu haben, beim oberen Wert beläuft sich das KGV auf 22. Werden 50% des Gewinns ausgeschüttet, resultiert zum unteren Angebotspreis eine Dividendenrendite von 2,8%, zum oberen sind es 2,3%.

Ist das nun teuer oder angemessen? Vorausgeschickt sei, dass die Bewertung sicher nicht günstig ist. Denn die Börsen sind generell nicht niedrig bewertet. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse sind in den letzten Jahren wegen der künstlich niedrig gehaltenen Zinsen deutlich gestiegen. Das bedeutet, dass die Aktienkurse schneller und stärker in die Höhe gegangen sind als die Unternehmensgewinne.

Klingelnberg kommt folglich in einer Periode hoher Bewertungen an den Markt. Das ist günstig für die jetzt verkaufenden Aktionäre, möglicherweise aber etwas weniger vorteilhaft für das jetzt einsteigende Publikum.

Die Speed-Viper-Chance

Zu beachten ist allerdings auch, dass es sich bei Klingelnberg um ein gut geführtes Unternehmen mit technologischer Spitzenstellung und teils führenden Marktpositionen handelt. Dazu kommt, dass sie mit dem neu entwickelten Maschinentyp Speed Viper, einer Zahnradmaschine, die im Wälzschleifverfahren arbeitet, in ein neues, attraktives Marktsegment vordringen kann. Das verspricht Wachstum.

Der Markt für Wälzschleifmaschinen ist mit 393 Mio. € (2017) einiges grösser als derjenige der Maschinen mit Scheibenschleiftechnik und Kegelradtechnik, die angestammten Märkte von Klingelnberg, wo Marktanteile von 30 bis 52% gehalten werden. Sie bringen ein Marktvolumen von 246 Mio. € (2017) auf die Waage.

Der Speed-Viper-Maschinentyp ist mittelfristig der wichtigste Wachstumstreiber von Klingelnberg und steht in direkter Konkurrenz zu Reishauer. Die Speed-Viper-Maschinen wurden 2017 lanciert und sind vom Markt dem Vernehmen nach sehr gut aufgenommen worden.

Doch auch der Wälzschleifmaschinenmarkt läuft offenbar auf hohen Touren. Reishauer hat dieser Tage für 2017 ein Umsatzwachstum von 25% gemeldet.

Märkte noch nicht überhitzt

Trotz heisslaufender Märkte sieht sich Klingelnberg noch längst nicht am Ende der Wachstums-Fahnenstange. Im Gegenteil: Die relevanten Märkte seien von 2011 bis 2016 jährlich 1,1% geschrumpft. Erst 2017 sei wieder Wachstum aufgekommen. Für 2017 bis 2022 wird gemäss einer Prognose des Beratungsunternehmens Roland Berger mit einem Wachstum von durchschnittlich 3,2% pro Jahr gerechnet.

Dabei hat sich der Wälzschleifmaschinenmarkt, in den Klingelnberg eindringt, etwas stabiler entwickelt. Zwischen 2011 und 2016 ist er 2,6% p.a. gewachsen, in den kommenden Jahren bis 2022 sollen es 2,8% werden.

Ebit-Marge soll auf 13% steigen

Wegen des erwarteten Wachstumsschubs aus dem Speed-Viper-Maschinentyp und des zu erwartenden generell stetigen Marktwachstums hat sich Klingelnberg ein Ebit-Margenziel von «nachhaltig 13%» gesetzt. Zum Vergleich: In den letzten drei Jahren ist die Ebit-Marge von 7,5 auf 8,9% gestiegen, im laufenden Jahr soll sie auf 10,4 bis 11,1% zunehmen.

So stetig die gezeigten Branchen- und Unternehmenszahlen im Mehrjahresvergleich wirken, so abrupt kann sich die Nachfrage in einzelnen Jahren ändern. So ist der für Klingelnberg relevante Schleifmaschinenmarkt von 2012 auf 2013 rund 13% geschrumpft und hat danach lange stagniert.

Das Unternehmen musste damals rund 12% aller Stellen abbauen, um sich den Marktgegebenheiten anzupassen. Das zeigt: Maschinenbau, auch der von Klingelnberg, hat eine klar zyklische Komponente.

Kein Langfristvergleich möglich

Zu bedauern ist ferner, dass vom Unternehmen im Emissionsprospekt bloss Zahlen bis zurück zum Geschäftsjahr 2015/16 erhältlich sind, wie das die Regeln für den Emissionsprospekt vorschreiben. Ein Langfristvergleich der Leistungsdaten ist daher unmöglich. Dazu kommt, dass auch die Leistung der Wettbewerber kaum einsehbar ist.

Die wichtigste Klingelnberg-Konkurrentin, die US-Gesellschaft Gleason, wird privat gehalten, ebenso die deutschen Wettbewerber Kapp Niles und Liebherr. Und von Reishauer gibt es bloss Zahlen auf dem Minimalstandard des Obligationenrechts, die mit Ausnahme des Umsatzes kaum zu Vergleichen herbeigezogen werden können. Allerdings hält Reishauer hohe liquide Mittel und Wertschriftenanlagen in der Bilanz.

Komax als Vergleich? Ja und Nein

Ein Vergleich, wie ihn Vontobel (VONN 68.75 0.51%), eine der Emissionsbanken, mit den Aktien des Kabelbaummaschinenherstellers Komax (KOMN 293 -0.34%) anstellt, scheint nur teilweise plausibel. Zwar stimmt die Ausrichtung: Sowohl Klingelnberg als auch Komax sind stark auf die Automobilbranche ausgerichtet, und beide haben in ihrem Kerngeschäft führende Marktpositionen.

Doch die Wachstumsperspektiven für die Nachfrage nach Kabelbäumen dürften etwas steiler in die Höhe gerichtet sein als für Zahnradteile bei Autos, weil der Anteil an Verkabelungen im Auto potenziell stärker zunimmt als der Anteil an Zahnradteilen. Dagegen hat Klingelnberg mit Speed Viper mittelfristig einen Trumpf in Form der Möglichkeit zum Eintritt in einen neuen Markt in der Hand, wie Komax ihn nicht hat.

Beim IPO mitmachen 

Ein Vergleich mit den traditionellen Schweizer Maschinenbauern wie Mikron (MIKN 8.58 -0.23%), Starrag (STGN 69 4.55%) und Tornos (TOHN 11.9 -6.3%) macht nur in Teilgebieten Sinn. Klingelnberg ist stärker spezialisiert, was eine lukrativere Serienproduktion zulässt. Zudem wird nicht im teuren Frankenraum produziert.

Alles in allem ist angesichts des zu erwartenden Wachstumsschubs, der soliden Marktstellung und der erfahrenen Unternehmensführung ein Emissionspreis in der unteren Hälfte der Angebotsspanne – einem KGV von 18 bis 20 entsprechend – durchaus attraktiv. Zeichnen.

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