Nach zwei Jahren des Rückgangs nehmen die Aktienrückkäufe in den Vereinigten Staaten wieder zu. Ein neuer Rekord zeichnet sich ab.
Die Welle rollt: Dank der Ende 2017 verabschiedeten US-Steuerreform kaufen amerikanische Un- ternehmen so fleissig eigene Aktien zurück wie kaum je zuvor. Sinnbild für die erhöhte Aktivität ist Apple (AAPL 193.31 0.77%): Anfang Mai kündigte der Technologiekonzern ein gewaltiges Rückkaufprogramm von über 100 Mrd. $ an. Mit diesem Betrag könnte man die beiden Schweizer Grossbanken Credit Suisse (CSGN 15.22 0.36%) und UBS (UBSG 15.13 0.46%) kaufen – und hätte sogar noch etwas Kleingeld übrig. Doch auch andere Gesellschaften wie Alphabet (Google (GOOGL 1151.02 -0.18%)), Amgen (AMGN 181.73 -2%), Cisco und Oracle (ORCL 47.13 -0.4%) haben in den vergangenen Wochen Rückkaufprogramme angekündigt.
Die Gründe für das Revival sind schnell gefunden: Erstens legen die Cashflows und die Gewinne der Unternehmen in Übersee wieder zu. Zweitens – und wahrscheinlich entscheidend – erlaubt es die US-Steuerreform amerikanischen Unternehmen, ihre Bargeldbestände im Ausland neu zu einem reduzierten Steuersatz in die Heimat zurückzuführen. Drittens haben womöglich auch die jüngsten Kursrückschläge die eine oder andere Gesellschaft dazu animiert, angesichts der etwas günstigeren Bewertungen zuzuschlagen.
Europa gibt neue Aktien aus
Glaubt man den Prognosen, dürfte der Trend über die kommenden Monate anhalten. So erwartet Philipp Kaufmann, Aktienstratege bei der britischen Grossbank HSBC (HSBA 726.6 0.39%), heuer für die 2400 im MSCI USA Index enthaltenen Unternehmen Buybacks im Umfang von 600 bis 800 Mrd. $. Für die S&P-500-Unternehmen rechnet Jessica Binder Graham von Goldman Sachs (GS 228.34 -0.67%) mit 650 Mrd. $ – das wäre ein neuer Rekord.
Dieses Verhalten ruft unweigerlich Kritiker auf den Plan, die monieren, die Unternehmen sollten ihr Geld besser in ihr Geschäft investieren, als an die Aktionäre auszuschütten. US-Finanzprofessor John Cochrane widerspricht: «Aktienrückkäufe und Dividenden sind grossartig. Sie sorgen dafür, dass Cash von Unternehmen abfliesst, die keine guten Investitionsideen haben, zu solchen, die sie haben.» Tatsächlich dürfte ein Rückkaufprogramm sinnvoller sein als ein unüberlegter Kapazitätsausbau, der Wert vernichtet.
Rückkäufe werden manchmal auch als Zeichen der Ideenlosigkeit des Managements interpretiert und können – wenn mittels Fremdkapital finanziert – die Bilanz schwächen. Vernünftig eingesetzt, sind sie aber ein probates Mittel, um «überschüssige» Liquidität abzubauen (vgl. Box).
Ein Blick auf die geografische Verteilung zeigt, dass die Rückkäufe vor allem in den Vereinigten Staaten boomen. Philipp Kaufmann von HSBC beziffert die globalen Aktienrückkäufe in den vergangenen zwölf Monaten auf rund 900 Mrd. $. Das entspricht der Marktkapitalisierung aller im Schweizer Leitbarometer Swiss Market Index enthaltenen Unternehmen. Davon entfielen beinahe 80% auf die USA. Das steht im Einklang mit der Vermutung, die US-Steuerreform sei der Haupttreiber hinter den wieder anziehenden Rückkäufen.
Der sogenannte Buyback Yield, der die Rückkäufe über die vergangenen zwölf Monate mit der gesamten Marktkapitalisierung vergleicht, erreichte in den Vereinigten Staaten rund 1,5%. Das ist dreimal so hoch wie in Japan, das direkt dahinter folgt. Im Vereinigten Königreich erreichten die Rückkäufe immerhin noch 0,3%. In Europa und den Schwellenländern hingegen war der Buyback Yield zuletzt negativ. Mit anderen Worten: Die dortigen Unternehmen geben insgesamt mehr Aktien heraus, als sie zurückkaufen. Auch in der Schweiz liess die Dynamik eher nach (vgl. Box).
Bei den Branchen gehören Technologie und Konsum zu den aktivsten Segmenten. In den vergangenen zwölf Monaten haben IT-Unternehmen für 151 Mrd. $ eigene Titel zurückgekauft. Gesellschaften aus dem Sektor zyklischer Konsum waren für 103 Mrd. $ an Rückkäufen verantwortlich. Doch nicht überall schrumpfte die Anzahl der ausstehenden Aktien: Vier Branchen – Immobilien, Versorger, Telecom und Energie – erhöhten zuletzt netto ihr Aktienkapital, da sie mehr neue Anteilsscheine emittierten, als sie zurückkauften.
Vorübergehende Zunahme
Rückkäufe sind – nicht ganz überraschend – prozyklisch. Läuft die Konjunktur rund, erwirtschaften die Unternehmen üppige Cashflows, mit denen sie dann eigene Aktien kaufen können. In schlechten Zeiten hingegen brechen die Profite ein – und die Buybacks mit ihnen.
Damit aber nimmt die Gefahr zu, dass sie zu einem ungünstigen Zeitpunkt durchgeführt werden. Dann nämlich, wenn die Bewertungen hoch sind. Ein Blick in die Vergangenheit illustriert das Muster: 2007, kurz vor der Finanzkrise, kauften die Firmen kräftig eigene Aktien zurück. Zwei Jahre später, als die Valuten nach dem Kurseinbruch deutlich günstiger waren, zeigten die Manager kein Interesse mehr an Rückkäufen. Im Gegenteil: Viele Unternehmen, vor allem Banken, mussten mitten in der Krise zu schlechten Bedingungen neues Kapital aufnehmen. Seither haben Rückkäufe parallel zu den haussierenden Börsen zugelegt.
Der aktuelle Schub dürfte allerdings bloss vorübergehender Natur sein und keinen nachhaltigen Trend einläuten. Darauf deutet die abnehmende Anzahl der Unternehmen hin, die ein Buyback-Programm beschlossen haben. Seit rund zwei Jahren sinkt ihre Zahl. Zudem scheinen die Unternehmen nach Jahren der Zurückhaltung endlich wieder Wachstumsprojekte anzupacken. Dank des wiedergefundenen Optimismus investieren die Firmen vermehrt in Maschinen und Fabriken, was zulasten der Rückkäufe gehen dürfte. Schliesslich hat die Verschuldung bei vielen Gesellschaften mittlerweile ein Niveau erreicht, das weiteren Rückkäufen im Weg stehen dürfte.
Rentable Rückkäufe
Insgesamt scheint es sich für Anleger jedoch auszuzahlen, auf Gesellschaften zu setzen, die diszipliniert sind und regelmässig eigene Titel erwerben. So haben diese seit 2000 sowohl in Europa als auch in den USA besser abgeschnitten als der Gesamtmarkt.
Der S&P-500-Buyback-Index hat in dieser Zeit inklusive Dividenden eindrückliche 525% zugelegt, während der S&P 500 (SP500 2748.8 0.07%) «nur» 168% gestiegen ist. Dasselbe Bild zeigt sich in Europa – wenngleich die Unterschiede zwischen den beiden Indizes auf dem alten Kontinent nicht ganz so ausgeprägt ausfallen.
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