Thomas Hugger, CEO der Fondsgesellschaft Asia Frontier Capital (AFC) mit Sitz in Hongkong, über die Performancechancen in den asiatischen Frontier Markets.
Herr Hugger, sie investieren mit ihren Fonds in asiatische Frontier Markets – Finanzmärkte, die weniger entwickelt sind als die Schwellenmärkte. Wie sieht deren Performance nun aus?
Anfang Jahr gab es die Erwartung, dass die entwickelten Märkte besser laufen werden als die Schwellenmärkte und Asien. Erwartet wurde, dass in Asien die indischen und indonesischen Aktien am schlechtesten performen. Herausgekommen ist nun das Gegenteil. Auch die asiatischen Frontier Markets haben sich sehr gut entwickelt – allen voran Vietnam und Pakistan. Unser AFC Asia Frontier Fund verzeichnet in diesem Jahr in Franken gerechnet ein Plus von 21,5%.
Zur PersonSpannungen zwischen China und Vietnam verunsichern Thomas Hugger nicht.Welche Märkte haben sich in Ihrem Anlageuniversum weniger gut entwickelt?
Das waren die Mongolei und wegen des dortigen Konflikts der irakische Aktienmarkt. Auch Kambodscha schwächelt – aber das sagt wenig: der Markt besteht zurzeit nur aus zwei Aktien. Die in Singapur gehandelten burmesischen Aktien – wie Yoma und Interra – sind von den übertrieben hohen Bewertungen heruntergekommen und sind nun attraktiver. Letztes Jahr war es sehr schwierig, als Aktieninvestor von der wirtschaftlichen Öffnung Burmas zu profitieren. Dort sehe ich auch in den nächsten zwei bis drei Jahren eher Potenzial in Private-Equity-Investments.
Gibt es in Burma bisher keine Börse?
Doch, es gibt eine Börse mit zwei kotierten Aktien. Es findet aber praktisch nie ein Handel statt und ist nur für Inländer zugängig. Die Aktien werden zurzeit bisher nur Over-the-Counter (OTC) gehandelt, werden also von einem Investor zum anderen verkauft. Eine funktionierende Börse mit fünf bis acht Titeln soll bis Ende 2015 mit Hilfe der Tokyo Stock Exchange etabliert werden. Aber ich bin eher skeptisch, ob dieser Zeitplan eingehalten wird. Wenn aber gut aufgestellte Unternehmen an die Börse kommen, dann kann der Markt sehr attraktiv sein. Es wird noch einige Zeit dauern, bis man als ausländischer Investor dort profitieren kann, da die burmesischen Behörden ausländische Investoren vielleicht erst ein paar Jahre nach Börsenstart zulassen werden.
Was halten Sie davon, über ausländische Titel ein Burma-Exposure aufzubauen?
In Burma und Kambodscha ist zum Beispiel die thailändische Siam Cement aktiv. Es ist wie mit dem Argument, dass man mit dem Kauf einer Nestlé-Aktie auch ein Schwellenländer-Exposure aufbaut: Der direkte Anteil am Umsatz ist eher gering. Für Siam Cement ist eben der thailändische Markt weiterhin dominant. Und bis die neuen Märkte zum Gewinn beitragen, wird es noch länger dauern.
Welchen Frontier Market bevorzugen Sie?
Wir präferieren weiterhin Vietnam. Ein Fünftel unseres Asia Frontier Fund ist dort investiert. Von Anfang Jahr bis April ist der Markt dort um 20% gestiegen. Dann kam die Unsicherheit um die Ölplattform im südchinesischen Meer. Chinesen haben diese in vietnamesisches Territorium gebracht. Danach gab es einen Ausverkauf – ausgelöst durch inländische Anleger, Ausländer haben weiter dazugekauft. Wir haben auch aufgestockt und finden, dass der Markt sehr attraktiv bewertet ist – wenn man sich nicht auf den Index beschränkt. Jetzt steht der Ho Chi Minh Index wieder 20% höher als zu Jahresbeginn.
Ihr Fonds hält günstigere Aktien als der Index-Durchschnitt?
Ja, das Kurs-Gewinn-Verhältnis der Börse Ho-Chi-Minh Stadt liegt bei über 13. Hier haben die Bluechips grosses Gewicht, die bei ausländischen Anlegern beliebt sind. Dagegen ist das KGV unseres Vietnamfonds unter 7 und wir haben eine Dividendenrendite mit unserem Portfolio von 7%. Unser Fonds hat deutlich weniger gelitten als die Börse insgesamt, da wir im Konsumsektor übergewichtet waren. Dagegen sind spekulative Titel aus dem Immobilien- und Finanzbereich unter die Räder gekommen.
Wie schätzen Sie die Spannungen zwischen China und Vietnam ein?
Das ist ein politisches Spiel. Der Sinn davon ist für Aussenstehende nur schwer zu durchschauen. Wir gehen aber davon aus, dass – obwohl das Vorgehen brutal aussieht – China mit Vietnam zusammenarbeiten will. Mit der Konfrontation werden die Vietnamesen indirekt aufgefordert, mit China zu kooperieren. Das wäre längerfristig positiv. Die Zusammenarbeit hätte grosses Potenzial – schon alleine im Tourismus, wenn die Chinesen mehr Vietnam statt Thailand besuchen würden.
Eine der grossen Schwächen der vietnamesischen Wirtschaft war das marode Bankensystem. Wie sieht es damit aus?
Die Banken schreiben Gewinne, aber es ist nicht klar, wie nachhaltig diese sind. Faule Kredite werden nicht sofort abgeschrieben. Es herrscht eine andere Buchhaltungspraxis als in entwickelten Ländern. Banken fassen wir zurzeit nicht an. In unserem Frontier Fund halten wir keine Finanztitel, im Vietnamfonds halten wir aber Anteile an drei Brokern. Für uns ist klar, dass die Bilanzen noch nicht vollständig gesäubert wurden, obwohl der Staat eine Bad Bank gegründet hat.
Wie stehen Sie zum Immobilienmarkt in Vietnam – dort wartet man ja auch schon länger auf eine Erholung?
Das Schlimmste ist wohl vorüber. Die Preise steigen schon leicht an. Der moderate Trend nach oben wird sich fortsetzen. Wir sehen das grösste Potenzial zurzeit in günstigem Wohnraum, nicht in Luxusanlagen. Das ist sehr attraktiv. Hier greift die Story, die typisch für Frontier Markets ist: Eine grosse Anzahl von Menschen befreit sich von Armut und es bildet sich eine Mittelschicht. Diese Schicht wird stetig grösser. Die kann sich bessere Wohnungen leisten.
Doch der vietnamesischen Börse konnte dieses Phänomen über die letzten Jahre nicht helfen.
Der Aktienmarkt war zum Höhepunkt 2008 mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 43 völlig überbewertet. Beim Tiefst war das KGV nur noch 5. Die Industrieunternehmen sind weiter gewachsen und waren profitabel – solche, die sich auf ihr Kerngeschäft fokussiert und nicht mit Immobilien spekuliert haben.
In Vietnam gilt immer noch die Regelung, dass nur 49% der Aktien eines Unternehmens durch Ausländer gehalten werden dürfen. Wie gehen den Index replizierende, börsengehandelte Fonds, Exchange Traded Funds bzw. ETF, damit um?
ETF auf vietnamesische Aktien sind sehr speziell, da sie auch unter diese Höchstquote fallen. Bluechips wie Vinamilk können von Ausländern an der Börse nicht mehr gekauft werden, da die Quote schon überschritten ist. Wird Geld aus einem Vietnam-ETF abgezogen, muss der Fonds die Aktien verkaufen. Danach können sie aber nicht mehr zurückgekauft werden. Diese Begrenzung hat Auswirkungen auf die Performance. Letztes Jahr war der Index knapp 22% im Plus. Dagegen konnte etwa der ETF auf Vietnam der Fondsgesellschaft Van Eck nur ein Plus von 4,3% verzeichnen. Der dem ETF zugrundeliegende Index besteht nur etwa zu 70% aus vietnamesischen Titeln. Man sieht hier das gleiche Muster wie in China. Mit einem ETF hat man dort Geld verloren, trotz des hohen Wirtschaftswachstums. Dagegen sind Fonds, die sich auf Konsum-, Pharma- und Handelstitel konzentriert haben, sehr gut gelaufen. In Schwellenländern, und ganz sicher auch in Frontier Markets, ist es daher wichtig, nicht in ETF zu investieren – wenn man auf längere Sicht sein Geld anlegt und nicht nur tageweise handelt.
Der zweite gut laufende Frontier Market nach Vietnam war Pakistan. Woher ist die gute Performance gekommen?
Die Gründe für die Performance im vergangenen Jahr waren erstens gesunkene Zinsen, zweitens der Wahlsieg von Nawaz Sharif und drittens, dass sich die Sorgen um eine Zahlungsbilanzkrise nicht bewahrheitet haben. Eine der ersten Handlungen der Regierung von Sharif war, die Hilfe des Internationalen Währungsfonds anzufordern. Die alte Regierung hätte das wohl nicht gemacht. Dank der positiven Nachrichten sind zwar nun vermehrt ausländische Investoren ins Land gekommen, aber die Mittelzuflüsse sind weiterhin klein. Pakistanische Aktien sind nicht mehr so stark unterbewertet, aber weiterhin günstig. Falls sich die Beziehungen zwischen Indien und Pakistan normalisieren, könnte das dem Markt einen weiteren Schub geben.
Glauben Sie, dass die Frontier Markets trotz des gestiegenen Interesses noch nicht überkauft sind?
Ja, die Mittelzuflüsse sind relativ gesehen immer noch sehr klein. Dieses Jahr waren es nur knapp 300 Mio. $ netto in Vietnam. Im Vergleich waren die Mittelzuflüsse in den indischen Aktienmarkt Anfang August an einem Tag alleine 319 Mio. $. Ausländer machen in Vietnam nur 5 bis 10% des Börsenumsatzes aus. Und in Bangladesch halten Ausländer weniger als 2% der Börsenkapitalisierung. Es gibt also noch viel Potenzial nach oben, falls ausländische Anleger substanziell in die Frontier Markets investieren würden.
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