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07:05 Uhr - 08.09.2014

Autozulieferer lassen sich nicht schrecken

Sparmassnahmen der deutschen Autobauer werden die Zulieferbranche unterschiedlich treffen. Für die Kotierten ist Preisdruck Geschäftsalltag.

Die deutschen Autobauer reihen einen Auslieferungsrekord an den anderen. «Doch wer mehr Autos verkauft, verdient damit nicht automatisch mehr Geld», hat Audi-CEO Rupert Stadler gemäss «WirtschaftsWoche» jüngst die Belegschaft gewarnt. Spare in der Zeit, so hast du in der Not Sie machen teils rekordhohe Gewinne. Trotzdem nehmen die deutschen Autobauer den Fuss nicht von der Kostenbremse. An Gründen fehlt es nicht. Lesen Sie hier mehr.Ein ausserordentliches Sparprogramm brauche Audi zwar nicht, es gelte aber, «steigende Ausgaben und zunehmende Unsicherheiten auf der Erlösseite zu kompensieren».

Die BMW (BMW 92.05 0.56%) Group sieht das genauso und will «auch in den kommenden Jahren den Kostenanstieg um einige hundert Millionen Euro jährlich dämpfen», wie «Die Welt» einen Sprecher zitiert. Bei Mercedes-Benz Cars (Daimler (DAI 65.17 1.61%)) und VW (Volkswagen (VOW 207 1.67%)) präsentiert sich die Lage etwas anders: Ihre Ertragskraft lässt schon heute zu wünschen übrig. Volkswagen-CEO Martin Winterkorn hat bereits ein Effizienzprogramm angemeldet, von Daimler wird eines erwartet.

Weil Sparmassnahmen immer auch auf die Zulieferindustrie zielen, stellt sich die Frage, was nun Schweizer Branchenvertreter zu erwarten haben.

«Einschnitte für Zulieferer»

Die im Raum stehenden Volumen sind üppig. Allein VW soll bis 2017 5 Mrd. € pro Jahr einsparen. Die Marke hatte im ersten Halbjahr eine Ebit-Marge von 2,1% erzielt (ohne Joint Ventures in China). Mercedes-Benz Cars kam zwar auf 7,5%, doch die Konkurrenz – das Automobilsegment der BMW Group und die Volkswagen-Tochter Audi – schaffte mehr (10,7 und 10%). Hier ist von 3,5 Mrd. € Kostenabbau die Rede.

Die anstehende Sparrunde werde erstmals in grösserem Masse auch mit harten Einschnitten für Schweizer Zulieferer verbunden sein, betont die Beratungsgesellschaft Staufen. Bisher seien sie in den Kostensenkungsprogrammen der Konzerne wegen ihrer hochspezialisierten Produkte kaum im Fokus gestanden, «es ging vorrangig um Innovation, der Preis war zweitrangig». Doch diese Zeiten seien vorbei, warnt Alexander von Jarzebowski, Geschäftsführer von Staufen Schweiz.

Der Grad der Betroffenheit variiert in der KMU-geprägten Branche mit 24 000 Mitarbeitern jedoch stark. Kotierte Vertreter wie Autoneum (AUTN 160.2 3.96%), Georg Fischer (FI-N 611 -1.05%), Ems-Chemie (EMSN 406.75 -0.25%) oder Feintool (FTON 88.8 -0.22%) lassen sich nicht ins Bockshorn jagen: «Wir erwarten aus den angekündigten Sparprogrammen nichts, was uns nicht schon seit Jahren weltweit begleitet und zum Geschäft in dieser Branche gehört», sagt Feintool-CEO Heinz Loosli. zoomInsofern erkenne er auch rückblickend keine Korrelation zwischen solchen Ankündigungen und mehr Preisdruck.

«Ein Zulieferer muss jährlich Kosten von rund 5% des Umsatzes einsparen», informiert der Hitze- und Lärmschutzspezialist Autoneum. Daran partizipiere auch der Kunde. «Preisdruck ist in diesem Geschäft immer da und gehört zu unseren täglichen Herausforderungen», beschreibt Georg Fischer die Rahmenbedingungen der Gussteiledivision GF Automotive, die 38% zum Konzernumsatz beisteuert.

Unterschiedlich gut trainiert

«Kotierte und andere grössere Branchenvertreter sind eher an Preisdruck gewöhnt», bestätigt der Lean-Management-Experte von Jarzebowski. Auch vorhandenes Effizienzsteigerungspotenzial würden sie in der Regel besser ausschöpfen.

Für kleinere Lieferanten und solche, deren Teile bislang nicht auf dem Kostenradar der Autohersteller erschienen sind, dürften die Verhandlungen jedoch härter werden, nicht nur in Preisfragen. Gesunde Zulieferer gewünschtKleinere widmen im Bemühen um Innovation den Prozessen tendenziell weniger Aufmerksamkeit als grössere. Entsprechend mehr pochen die Autobauer bei ihnen auf Fortschritte – falls nötig unter Beizug herstellereigener Programme.

Mehr und mehr kommen gemäss von Jarzebowski zudem Teile ins Visier der Fahrzeugbauer, die wegen ihres geringen Kostenanteils bislang kaum Gegenstand von Preisdiskussionen waren. «Das ist eine nächste Stufe im Bestreben der Autobauer, Effizienzpotenziale in ihren Lieferketten auszuschöpfen – nach den grossen nun auch kleinere», erklärt der Geschäftsführer von Staufen Schweiz. Manch ein Schweizer Autozulieferer werde dadurch mit einer neuen Realität konfrontiert.

Autoneum, Georg Fischer, Ems, Feintool, Micronas (MASN 7.1 0.71%) und Adval Tech (ADVN 195.5 2.89%) wissen dagegen, wie der Hase läuft: «Unsere Kunden erwarten permanent Kosten- und Qualitätsverbesserungen sowie die Entwicklung innovativer Produkte und Technologien. Dem Kostendruck der Branche entsprechend arbeiten wir laufend an Kosten-, Produkt- und Prozessoptimierungen in allen Bereichen», ist von Autoneum zu erfahren. Georg Fischer bestätigt: «Um unseren Kunden immer einen Mehrwert zu bieten und um unsere Wettbewerbsfähigkeit als Zulieferer zu sichern, investieren wir stetig in neues Design, in neue Materialien und Produktionsprozesse.»

Dank innovativer Produkte, die helfen, Gewicht zu sparen, die Antriebseffizienz zu steigern oder Kosten zu senken, sind viele Zulieferer nicht ohne Verhandlungsmacht: «Alles ist so gut wie eine bessere Alternative», sagt Heinz Loosli vom Feinschneid- und Umformspezialisten Feintool. «Wer seine Hausaufgaben ständig macht und den Markt und die Wettbewerbssituation kennt, der kann auch beurteilen, wann es sinnvoll ist, Forderungen nachzugeben und wann nicht.»

«Neues Geschäftspotenzial»

Gut positioniert ist Ems-Chemie: «Unsere Spezialkunststoffe ersetzen Metall und verhelfen dem Autobauer so zu einer wesentlichen Kosteneinsparung», informiert die Gruppe, die 60% ihres Umsatzes mit der Automobilindustrie erzielt. Auch sie spürt Preisdruck, doch ihre innovativen Hochleistungskunststoffe machen Bauteile im Schnitt 50% günstiger. Das ist ein gewichtiger Trumpf – ablesbar auch an der operativen Marge.

In den Kostenmassnahmen der (deutschen) Autobauer sieht Autoneum auch Chancen: «Da sie auch die jeweils eigene Forschung und Entwicklung betreffen, erschliesst sich hier durch die Auslagerung von Vorentwicklungsleistungen auch neues Geschäftspotenzial.» Als löbliche Ausnahme zeigt das Winterthurer Unternehmen die Kundenstruktur: Volkswagen steht demnach für 3% des Umsatzes, Daimler für 6%, die BMW Group für 11%.

zoom

Konjunktur spielt nicht mit

Ihren Aussagen zufolge scheinen Autoneum, Georg Fischer, Ems und Feintool von Sparprogrammen deutscher Kunden nichts Aussergewöhnliches zu befürchten (Micronas und Adval Tech äusserten sich nicht). Gegenwind droht vielmehr von anderer Seite: der stockenden Konjunktur. Die für 2015 ursprünglich gehegten Hoffnungen werden sich kaum erfüllen. Deshalb wird die FuW-Schätzung für den Gewinn je Aktie 2015 von Autoneum, Georg Fischer und Micronas gesenkt (bisher: 13.50, 52 und 0.36 Fr.).

Trotz der Revision sind Autoneum und Georg Fischer auf dem heutigen Kursniveau attraktiv bewertet. Hier schlummert Erholungspotenzial. Hingegen sind in Feintool weitere Ertragsfortschritte schon zu einem guten Teil eingepreist; das limitiert den Raum nach oben. Üblichen Bewertungskriterien nachgerade zu entziehen scheinen sich Ems. Günstig werden Kurse über 400 Fr. aber auch so nicht.

Gesunde Zulieferer gewünschtAutokonzerne wollen ihre Zulieferer nicht erdrosseln. Im Gegenteil, sie sind mehr denn je an gesunden Lieferanten interessiert. Sie stehen jedoch selbst unter enormem Wettbewerbsdruck – und geben darum einen Teil davon weiter.
Im Bestreben, ihre Lieferketten effizienter zu gestalten, haben sie ihre Zuliefererbasis massiv verschlankt. Ford zum Beispiel will künftig mit 750 Zulieferern arbeiten, 2008 waren es 1700. Gleichzeitig sind im Zuge der allseits verfolgten Gleichteilestrategie die Einzelaufträge grösser geworden. Der Ausfall eines Zulieferers kann so erheblichen Schaden anrichten. Deshalb wollen Hersteller, dass ihre Zulieferer nicht nur gute Produkte liefern, sondern auch auskömmliche Margen erzielen und solide finanziert sind. «Ein Autobauer will keinen störanfälligen Lieferanten», wird Alexander von Witzleben, Verwaltungsratspräsident von Feintool, nicht müde zu betonen. Kosteneffizienz, Prozesseffizienz und eine robuste Bilanz sind so zu wichtigen Merkmalen geworden.
Genügt ein Zulieferer den Anforderungen nicht, wird ihm ein Lieferantenentwicklungsprogramm des Herstellers nahegelegt. Bezogen auf die Kunden der Beratungsgesellschaft Staufen sind bereits 28% der Schweizer Zulieferer von einem Entwicklungsprogramm betroffen. Die Gründe für die Teilnahme sind unterschiedlich. Sie reichen von der einfachen Kostensenkung über eine Flexibilisierung der Fertigung bis hin zum Risikomanagement entlang der Wertschöpfungskette. Die Auswirkungen der Programme äussern sich in Prozessoptimierungen, dem Abbau von Überkapazität und somit in einer Senkung der Herstellkosten. Wer einem Lieferantenentwicklungsprogramm unterworfen wird, muss die finanziellen Vorteile daraus in der Regel mit dem Automobilhersteller teilen. Wer sich selbst fit hält, hat sie für sich.

Spare in der Zeit, so hast du in der NotSie machen teils rekordhohe Gewinne. Trotzdem nehmen die deutschen Autobauer den Fuss nicht von der Kostenbremse. An Gründen fehlt es nicht. Lesen Sie hier mehr.

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