Eine rasche Einigung mit der EU ist nicht in Sicht. Die Schweiz sollte andere Optionen stärken. Ein Kommentar von FuW-Redaktor Arno Schmocker.
Die Schweiz und die Europäische Union stecken in einer tiefen Beziehungskrise. Die Fronten sind verhärtet, eine Anlaufstelle für Paartherapie existiert nicht. So, wie der Bundesrat im vergangenen Mai Gründe hatte, die Verhandlungen über ein neues Rahmenabkommen abzubrechen, so unnachgiebig zeigt sich seither die EU-Kommission.
Die Folgen der europapolitischen Blockade werden immer offensichtlicher. Schweizer Banken werden höhere Hürden auferlegt im Geschäft mit EU-Kunden. Der Industrie drohen empfindliche Kosten, wenn der Marktzugang erschwert ist und Produkte nicht mehr gegenseitig anerkannt werden.
Als Erste hat es die Medizintechnikbranche getroffen. Die Freude über eine Einigung mit Deutschland währte nur kurz, Brüssel legte das Veto ein. In etwa drei Jahren droht auch der Maschinen- und der Pharmabranche Ungemach. Gemäss der Denkfabrik Avenir Suisse haben die drei Wirtschaftssektoren mit Zusatzkosten von insgesamt 0,6 bis 1,3 Mrd. Fr. pro Jahr zu rechnen. Hinzu kommt der Ausschluss von EU-Forschungsprogrammen und vom europäischen Strommarkt. Das alles nagt an der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz.
«Jetzt handeln», fordert daher Economiesuisse den Bundesrat auf. Die Befürchtung des Wirtschaftsdachverbands, die angekündigte Auslegeordnung werde mit Blick auf die Parlamentswahlen im Herbst 2023 aus parteitaktischen Gründen in eine «Politik des Zuwartens» münden, ist nicht von der Hand zu weisen.
Es wäre aber vermessen, besonders in institutionellen Fragen eine baldige Annäherung zwischen der Schweiz und der EU zu erwarten. Brüssel hält an den zentralen Streitpunkten dynamische Rechtsübernahme, Staatsbeihilfen (weniger für die Landwirtschaft), Streitschlichtung via EU-Gerichtshof und Mechanismus für regelmässige Kohäsionsbeiträge eisern fest.
Ob die EU bereit sein wird, Regeln für jeden einzelnen der betroffenen Sektoren zu diskutieren, wie es Economiesuisse vorschwebt, ist fraglich. Die Schweiz hat es indessen zu einem bedeutenden Teil in der eigenen Hand, Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für eine florierende Wirtschaft zu schaffen.
In der Aussenwirtschaftspolitik müsste die Devise gelten: Freihandel statt Integration. Anzustreben sind ein rascherer Ausbau des Freihandelsnetzes und die Teilnahme an grossen Freihandelszonen wie der asiatisch-pazifischen RCEP, die Ende Jahr ratifiziert werden soll. Abhängigkeit reduzieren und Risiken streuen – dieser Ansatz verspricht nicht nur an der Börse Erfolg.
Im Innern ist einiges aufgegleist. Diese Woche hat der Bund die Aufhebung der Industriezölle per Anfang 2024 beschlossen. Steuerliche Reformen sind vom Parlament mit klarem Mehr ebenfalls beschlossen worden. Doch wie auch die neuste Umfrage zur Abschaffung der Emissionsabgabe und der Trend zu einem Nein zeigen, haben sie gegen linkspopulistische Schlagwortrhetorik zunehmend einen schweren Stand an der Urne.
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