Die obersten Führungsgremien der Unternehmen gewinnen an Diversität und Know-how. Das nutzt den Aktionären.
Anleger sollten grösstes Interesse an der Zusammensetzung der Verwaltungsräte der Unternehmen haben, in die sie investiert sind. Zum AutorChristophe Volonté ist Head Corporate Governance von Inrate und verantwortlich für zRating. Er lehrt und forscht an den Universitäten Basel und Konstanz.Denn als oberstes geschäftsführendes Organ einer Aktiengesellschaft ist der Einfluss des Gremiums enorm. Nur wenn ein Verwaltungsrat mit geeigneten Personen besetzt ist, kann er Trends und Entwicklungen antizipieren und das Unternehmen entsprechend ausrichten. Das minimiert Risiken und legt die Basis für den künftigen Erfolg.
Im Verwaltungsrat (VR) sollten verschiedene Perspektiven und Meinungen vertreten sein. Auch vor diesem Hintergrund macht eine geschlechtsspezifische Diversität Sinn. Bei den grosskapitalisierten Unternehmen im Swiss Market Index (SMI (SMI 8246.65 0.49%)) sind heute 21% aller VR-Mitglieder weiblich. Neubesetzungen deuten darauf hin, dass sich dieser Trend fortsetzen wird.
Viele Muttersprachen
Die starke Internationalisierung schweizerischer Unternehmen und ihrer Verwaltungsräte hat zudem zur Folge, dass in den Gremien verschiedene Kulturen aufeinandertreffen. Vier verschiedene Muttersprachen sind in den Verwaltungsräten von SMI-Unternehmen vertreten. Insgesamt sind bei Unternehmen aus dem breiten Swiss Performance Index (SPI (SXGE 8956.67 0.5%)) von Niederländisch bis Indisch zwanzig verschiedene Muttersprachen repräsentiert. Am häufigsten ist dies Deutsch (68%), gefolgt von Französisch (13%) und Englisch (10%).
Die grosse Mehrheit der Mitglieder ist heute zwischen 45 und 65 Jahre alt. Unter 40-Jährige oder über 70-Jährige sind seltener anzutreffen. Auch wenn Verwaltungsräte in der Regel erfahrene Personen sind, können auch jüngere Mitglieder bereichernd sein. Das Durchschnittsalter der neu gewählten Verwaltungsräte lag dieses Jahr bei vergleichsweise tiefen 54 Jahren. Daten der Universität Basel belegen die zunehmende Diversität schweizerischer Verwaltungsräte in den letzten 25 Jahren. Der Ausländeranteil bei SMI-Unternehmen ist von 10 auf 62% gestiegen.
Nicht nur die demografische Diversität, sondern insbesondere auch die Ausgewogenheit an Kompetenzen im Verwaltungsrat hilft, Potenzial zu identifizieren und Risiken zu erkennen. Als Strategiegeber und Sparringpartner der Geschäftsleitung ist es wichtig, dass ein Verwaltungsrat Erfahrung und Fachwissen mitbringt.
Schweizer Verwaltungsräte kennen die Branche, in der das Unternehmen tätig ist, und haben CEO-Erfahrung. Das internationale Know-how ist gross. In nur 5,6% der Gremien gibt es kein Mitglied mit entsprechendem Wissen. Es lässt sich festhalten, dass in Bezug auf Erfahrung in Schwellenländern die Unternehmen des SPI Extra, bei dem die zwanzig grössten kotierten Gesellschaften ausgeklammert sind, hinterherhinken.
Um die Geschäftszahlen richtig zu interpretieren und als adäquater Partner der Revisionsstelle zu fungieren, braucht es Finanzwissen. In fast jedem Verwaltungsrat besitzt ein Mitglied solche Kenntnisse. Auch das laufende Jahr hat gezeigt, dass Erfahrung im Umgang mit Fusionen und Übernahmen (M&A) unerlässlich ist. Wegen der sich stetig verändernden rechtlichen Rahmenbedingungen ist es ferner wichtig, dass juristisches Wissen vorhanden ist. Allerdings haben fast 33% aller VR-Gremien keinen Juristen an Bord. Bei kotierten Unternehmen ist es ausserdem essenziell, dass Personen im Verwaltungsrat sind, die Erfahrung mit den besonderen Herausforderungen des Finanzmarktes mitbringen, nicht zuletzt was die Kommunikation betrifft.
Neben Ausgewogenheit an Erfahrung und Fachwissen braucht es auch unternehmensspezifische Kompetenzen, je nach Geschäftsmodell und Marktumfeld. Internationale Kenntnisse von VR-Mitgliedern haben beispielsweise einen positiven Einfluss auf die Unternehmensperformance bei in unterschiedlichen Ländern tätigen Gesellschaften, wie eine Studie an der Universität Basel erhoben hat. Gesellschaften mit Fokus auf Schwellenländer sollten Personen von dort oder mit diesbezüglichem Know-how in den Verwaltungsrat holen. In einer Unternehmenskrise sind Kenntnisse im Turnaround-Management gefragt.
Kompetenzlücken schliessen
In einem Pharmaunternehmen sollten Personen mit naturwissenschaftlichen Fachkenntnissen und bei Banken Personen mit fundiertem Finanzwissen Einsitz nehmen. In der Tat ist es so, dass die VR-Mitglieder je nach Industriezugehörigkeit andere universitäre Ausbildungen vorweisen. Der Anteil der Fachrichtung, die am ehesten dem Industrieprofil entspricht, hat sich in den letzten zehn Jahren, mit Ausnahme der Ingenieure, sogar verstärkt.
Der Verwaltungsrat hat eine grosse Verantwortung und sollte aus kompetenten Mitgliedern bestehen. Kompetenzlücken müssten mit den Vorschlägen für neue Verwaltungsräte geschlossen werden. Ein schlecht zusammengesetzter Verwaltungsrat kann Ursache von Unternehmenskrisen sein. Zudem zeigt sich, das solche Gremien dann oft auch unfähig sind, Krisen zu meistern.
Gefahren birgt auch ein Übergewicht an spezifischem Know-how im Verwaltungsrat, und zwar dann, wenn alle Mitglieder die gleichen Denkfehler machen und Potenziale oder Risiken übersehen. Für Aktionäre ist es essenziell, dass der Verwaltungsrat aus geeigneten Personen zusammengesetzt ist. Bei den Wahlen der VR-Mitglieder an der Generalversammlung haben es die Anleger in der Hand, ihre Verantwortung wahrzunehmen.
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