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11:40 Uhr - 02.11.2016

Die Schweiz will zum Fintech-Musterschüler werden

Der Bundesrat will Hürden für junge Unternehmen der Finanztechnologie abbauen. Dazu will die Regierung unter anderem einen bewilligungsfreien Raum schaffen, der im internationalen Vergleich einmalig ist.

Crowdfunding-Plattformen, digitale Anlageberater, neuartige Zahlungsdienstleistungen oder Anwendungen im Bereich der Blockchain-Technologie – junge Unternehmen der Finanztechnologie (Fintech) arbeiten in einem Teilbereich der alteingesessenen Banken dieses Landes und fallen damit oft in den Aufsichtsbereich der eidgenössischen Behörden.

«Das Bankgesetz stellt relativ hohe Anforderungen an die Bewilligungserteilung», schreibt der Bundesrat in einer Mitteilung von Mittwoch. Für die neuen Digitalunternehmen könne dies eine «deutliche Markteintrittshürde» darstellen und sich als Innovationskiller erweisen.

Seit Ende April hatte das Finanzdepartement deshalb den Handlungsbedarf geprüft und Vorschläge erarbeitet. Dies, nachdem Fintech-Start-ups selbst und später auch die Finanzmarktaufsicht den Bundesrat zum Handeln aufgefordert hatten.

«Fintech kann den Bankensektor in den nächsten Jahren verändern», sagte Bundesrat Ueli Maurer am Mittwoch in Bern. Darum soll die Branche «ein wichtiger Bestandteil der Finanzpolitik sein». Herausgekommen ist nun eine Schweizer Fintech-Regulierung, die auf drei Säulen fusst.

Quelle: EFD

Sofortmassnahme per Verordnung

Die erste Massnahme, die unter die Säule der spezifischen regulatorischen Anpassungen (links) fällt, betrifft vor allem Crowdfunding-Plattformen. Sie hatten bisher das Problem, dass sie eine Banklizenz brauchten, wenn sie Einlagen von mehr als zwanzig Kunden über sieben Tage lang auf einem Abwicklungskonto verwahren wollten.

Neu gilt eine Frist von sechzig Tagen für Abwicklungskonten. Diese Massnahme trifft der Bundesrat per Verordnung, sie tritt also sofort in Kraft.

Bewilligungsfreier Sandkasten

Zudem wird die 20er-Regel stark aufgeweicht. Neu dürfen unbeschränkt viele Publikumseinlagen bis zu einem Gesamtwert von 1 Mio. Fr. entgegengenommen werden. In diesem Rahmen werden die Unternehmen nicht von der Finma beaufsichtigt.

Dieser bewilligungsfreie Raum für Jungunternehmen, ein sogenannter Sandkasten (mittlere Säule der Grafik), sei im internationalen Vergleich mit am grosszügigsten ausgestattet. «Wir wollen zu den wichtigen Finanzplätzen in diesem Bereich gehören», sagte Maurer.

In den punkto Fintech führenden Ländern (USA, Grossbritannien und Singapur) würden die Aufsichtsbehörden über die Aufnahme einer begrenzten Anzahl von Unternehmen in den Sandkasten entscheiden. Die Zeitdauer im Sandkasten sei beschränkt, und die Unternehmen stünden in engem Austausch mit der Aufsichtsbehörde.

Eine Lizenz für Fintech-Unternehmen

Wächst ein Fintech-Unternehmen aus dem Rahmen des Sandkastens hinaus, soll es neu eine spezielle Fintech-Lizenz (Säule rechts) erhalten. Dazu muss es sich auf das sogenannte Passivgeschäft, sprich auf die Entgegennahme von Publikumseinlagen, beschränken.

Es darf kein Aktivgeschäft mit Fristentransformation, sprich die Ausgabe von Krediten, betreiben. Dies definiert die Finma als Kerngeschäft einer Bank, wofür die entsprechende Banklizenz notwendig ist.

Unter der neuen Bewilligungskategorie dürfen die entgegengenommenen Publikumseinlagen den Wert von insgesamt 100 Mio. Fr. nicht überschreiten. Sie dürfen nicht verzinst und nicht angelegt werden. Das Mindestkapital der Fintech-Institute beträgt 5% der Publikumseinlagen, mindestens aber 300’000 Fr.

Die Botschaft kommt im Sommer

Die neuen Massnahmen sollen zu Beginn des kommenden Jahres in die Vernehmlassung geschickt werden, im Sommer soll laut Staatssekretär Jörg Gasser die Botschaft des Bundesrats stehen. Die Regierung will damit die Markteintrittshürden für Fintech-Unternehmen senken und den Wettbewerb auf dem Finanzplatz intensivieren. «Der Druck auf die Gebühren und Preise von Finanzdienstleistungen dürfte sich erhöhen», schreibt der Bundesrat.

Das Finanzdepartement will bis dahin «zusätzliche Abklärungen zur Verringerung weiterer Markteintrittshürden für Fintech-Unternehmen durchführen». Im Blick stehe insbesondere die rechtliche Behandlung der Blockchain-Technologie. Dem Bundesrat soll darüber bis Ende 2017 Bericht erstattet werden.

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