Der Pharmakonzern erhält als Erster die Zulassung für eine CAR-T-Therapie.
Endlich kann auch Novartis (NOVN 81 0.12%) auf dem rasch wachsenden Markt für Krebsimmuntherapien einen Erfolg vorweisen. Am Mittwoch hat der Pharmakonzern die US-Zulassung für die CAR-T-Therapie Kymriah erhalten. Kymriah darf fortan bei Personen bis 25 Jahren eingesetzt werden, die an der Blutkrebsart akute lymphatische Leukämie (ALL) erkrankt sind und die bereits einen Rückfall erlitten haben.
Kymriah ist kein Medikament im eigentlichen Sinn. Es basiert auf Chimäre-Antigen-Rezeptoren-modifizierten T-Zellen (CAR-T). Bei diesem Ansatz wird dem Patienten Blut entnommen und anschliessend an ein Labor versendet. Die im Blut enthaltenen Immunzellen werden dort via Gentechnologie gegen den Krebs scharf gemacht. Anschliessend werden sie vermehrt und dem Patienten nach einer gewissen Zeit mit einer Infusion wieder verabreicht.
Der Markt ist umkämpft
CAR-T könnte sich in der Realität als hochwirksam erweisen. Bei 83% der in der zulassungsrelevanten Studie für Kymriah eingeschlossenen Patienten waren drei Monate nach der Behandlung mit der Therapie keine Krebszellen mehr nachzuweisen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Krebs nach zwölf Monaten zurückkehrt, betrug lediglich 36%.
Der Markt für solche CAR-T-Therapien ist allerdings umkämpft. Novartis ist zwar die Erste, die eine Anwendungszulassung erhalten hat. Allerdings ist das Umsatzpotenzial für ALL bei Kindern und jungen Erwachsenen begrenzt. Die Analysten von Vontobel (VONN 61.15 0.08%) schätzen, dass bis 2022 total nur gerade 328 Patienten für die Technologie in Frage kommen. Auf die stattlich bewerteten Aktien von Novartis (Unternehmenswert zu Ebitda von 17 in diesem Jahr; der Durchschnitt für Big Pharma beträgt 13) hatte die Meldung bis Freitagabend deshalb nur einen beschränkten Einfluss.
Anders sieht es bei der Blutkrebsart diffuses grosses B-Zellen-Lymphom (DLBCL) aus, wo Novartis kurz vor einem Zulassungsantrag steht. Für DLBCL errechnen die Vontobel-Analysten ein Potenzial von 4177 Patienten. Allerdings ist dort Kite Pharma (KITE 178.0325 0.02%) zeitlich im Vorsprung, die der US-Konzern Gilead gerade übernehmen will.
Dennoch halten es Marktteilnehmer für möglich, dass Novartis den Rückstand wettmachen kann. Die Blutentnahme und die Infusion von CAR-T werden von spezialisierten Zentren durchgeführt. Eine gute Beziehung zu ihnen ist für den Marktzugang somit essenziell. Die Analysten von Berenberg schreiben, dass sich Novartis dank der Zulassung bei ALL bei den Spezialisten möglicherweise vor Kite Pharma positionieren und deshalb trotz allem bei DLBCL im Vorteil sein könnte.
Verkauft werden soll Kymriah in den USA für 475 000 $. Analysten erachten diese Summe für durchsetzbar. «Preise von 400 000 $ oder mehr sind wegen des Nutzens von CAR-T gerechtfertigt», schreiben diejenigen von Berenberg.
Novartis geht dennoch auf Nummer sicher. Mit der staatlichen Krankenkasse Medicaid, bei der 40% aller US-Personen bis 18 Jahre versichert sind, hat sie eine Vereinbarung abgeschlossen, wonach Medicaid nur für die Patienten zahlen muss, die nach dem ersten Monat auf die Therapie ansprechen.
Auch Roche ist Nutzniesser
Die aktuellen Therapien könnten aber schon bald veraltet sein. Bereits wartet eine neue Generation von CAR-T in den Pipelines der Biotech- und Pharmaunternehmen. So forscht etwa Cellectis aus Frankreich mit dem US-Riesen Pfizer (PFE 33.93 0.03%) an einem Ansatz, der Blut von gesunden Menschen verwendet. Das soll CAR-T schneller verfügbar machen und gleichzeitig auch verbilligen.
Wer das Rennen macht, lässt sich nicht prognostizieren. Der lachende Dritte könnte Roche (ROG 244.2 0.29%) sein. Die Nummer eins im Markt für Krebsmedikamente ist CAR-T zwar bislang ferngeblieben. Dennoch verschafft sich das Unternehmen nun Zugang durch die Hintertür. Denn die CAR-T-Behandlungen haben teils schwere Nebenwirkungen. Mit dem Arthritis-Medikament Actemra von Roche können diese Nebenwirkungen in Schach gehalten werden. Die FDA hat am Mittwoch – zeitgleich mit Kymriah von Novartis – daher das Roche-Medikament Actemra für diese Nebenwirkungen zugelassen.
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