Die Ökonomen gehen über die Bücher: Der Konjunkturpfad der Volksrepublik könnte starken Schaden nehmen.
Die chinesische Wirtschaft steht immer noch zu einem grossen Teil still. Klar ist, dass die bisherigen Konjunkturprognosen – in China wie auch weltweit – für dieses Jahr Makulatur sind. Wie gross die Wirkung des Coronavirus aus Wuhan auf die Wachstumszahlen schliesslich sein wird, hängt davon ab, wie schnell die Epidemie unter Kontrolle gebracht werden kann. Dabei ist nicht die tatsächliche Zahl der Infizierten und der Todesfälle – nach letzten Zahlen gibt es über 20‘000 Kranke und 426 Tote in China – für die Wirtschaft entscheidend, sondern die strikten Vorsorgemassnahmen.
Die meisten Provinzen der Volksrepublik haben Unternehmen angewiesen, frühestens am 10. Februar wieder den Betrieb aufzunehmen. Internationale Fluggesellschaften haben Verbindungen nach China zum Teil auf Monate hinaus ausgesetzt.
Analysten der Economist Intelligence Unit haben erste Wachstumsschätzungen für das Jahr 2020 nach verschiedenen Szenarien aufgestellt – sie sind aber nur als grobe Ersteinschätzungen zu verstehen. Demnach ist auch im optimistischen Szenario das offizielle Ziel der Regierung in Peking von 6% Wirtschaftswachstum nicht mehr erreichbar. Im «Albtraumszenario» – die Ausbreitung des Virus wird dieses Jahr nicht mehr unter Kontrolle gebracht – ist selbst ein Wachstum von 4,5% nicht mehr zu halten.
PMI deutlich überschätzt
Der Caixin-Einkaufsmanagerindex (PMI) – ein Stimmungsbarometer der chinesischen Industrie – zeigt mit 51,1 noch eine Wachstumserholung an. Die Umfrage wurde aber erhoben, bevor der Ernst der Lage ersichtlich war. Stimmen die Schätzungen des Research-Hauses Capital Economics, wäre ein PMI-Wert von 48 wohl angemessener. Die Analysten haben ihre Erwartung für die Industrieaktivität im ersten Quartal deutlich gesenkt: Das jährliche Wachstum werde von 5,4 auf 3% einbrechen.
Gemäss Goldman Sachs (GS 241.88 1.2%) würde das globale Wachstum in einem schwerwiegenden Szenario 0,3 Prozentpunkte schwächer ausfallen – im ersten Quartal wäre der Effekt annualisiert gar 2 Prozentpunkte. Hoffnung macht, dass nach einem Abklingen des Virus eine Aufholbewegung stattfindet. So erklärt die Wirtschaftskammer Schweiz-China in einer Pressemitteilung: «Ein beachtlicher Teil des Konsums dürfte auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.»
Stolpersteine für Erholung
Doch Andrew Tilton, Asien-Chefökonom von Goldman Sachs, sagt: «Wenn man ein Abendessen oder einen Haarschnitt im ersten Quartal ausgelassen hat, wird man das im zweiten Quartal nicht nachholen.»
Stimulusmassnahmen durch Staat und Notenbank in China können zwar die Erholung der Nachfrage nach einem Ende der Epidemie beschleunigen. Aber sie können nur wenig gegen den Schock auf der Angebotsseite tun. Viele Fabriken und Dienstleistungsanbieter sind ausgefallen, Lieferketten sind unterbrochen. Das senkt das Produktionspotenzial der Wirtschaft.
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