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10:03 Uhr - 12.01.2016

«Nebenwerte bewältigen auch diesen Schock»

Paul Schibli, Fondsmanager bei Mirabaud, erklärt im Interview mit FuW, warum er schrittweise zyklische Titel kauft und verrät, welche er bevorzugt.

Herr Schibli, nach dem Franken- jetzt der Chinaschock. Wie geht es Small- und Mid-Cap-Unternehmen in der Schweiz?
Paul SchibliMirabaud – Equities Swiss Small and Mid Cap Fund Bild: ZVGDer Frankenschock hat die meisten Unternehmen weniger stark getroffen, als es damals schien, als sich Anleger von vielen Titeln verabschiedeten. Die Unternehmen haben reagiert, gespart, verlagert, restrukturiert. Jetzt ist das wirtschaftliche Umfeld mehr oder minder intakt, der Franken hat sich zum Euro stabilisiert, und mit dieser Ausgangslage sehen die meisten Unternehmen dem neuen Jahr nicht euphorisch, aber positiv entgegen. Wir haben sogar den Eindruck, dass sie die Erwartungen eher etwas dämpfen. Das hat wohl auch damit zu tun, dass der Ausblick immer kurzfristiger wird.

Sie sind zuversichtlicher?
Die Chancen, dass es besser kommt als auch jetzt nach dem jüngsten Tiefschlag an der Börse, sind gut: Die Unternehmen haben wenig Schulden, sind fit und schlagkräftig. Wenn das wirtschaftliche Wachstum nur ein wenig anzieht, werden wir sofort erfreuliche Resultate sehen.

Zunehmend Sorge bereitet China. Wie gross ist die Gefahr, dass Chinas Probleme und im Sog davon eine verlangsamte Weltkonjunktur auf die Schweiz durchschlagen?
Ich will Chinas Wachstumsschwäche nicht verniedlichen. Aber die Transformation des Landes zu einer konsum- und dienstleistungsorientierten Wirtschaft mit grösserer Wertschöpfung kommt der ganzen Welt zugute. Und vergessen wir nicht: Ein Wachstum von 5 bis 6%, wie zurzeit, ist immer noch hoch.

Also Entwarnung?
Rund 13% der Schweizer Exporte gehen nach China. Auf die einzelnen Unternehmen heruntergebrochen sind es jedoch zumeist weniger als 10%, bei den Small und Mid Caps generell weniger als bei den Grossen.  Sie haben nicht mehr als einen Fuss in China drin, keine nennenswerten finanziellen Verpflichtungen oder gar besitzrechtlichen Verflechtungen.

Ein China-Player der ersten Stunde ist der Aufzug- und Rolltreppenhersteller Schindler. Sind Sie investiert?
Ja, wobei nicht China im Vordergrund steht, sondern der Umstand, dass Schindler (SCHN 152.9 0.07%) im Konkurrenzvergleich über einen höheren Serviceanteil verfügt und dies  insgesamt die Margen verbessert. Die Aktien sind liquide und attraktiv bewertet.

Apropos Liquidität: Ihr Small- und Mid-Cap-Fonds ist kräftig gewachsen, auf ein Volumen von über 500 Mio. Fr. Können Sie sich am Markt noch frei bewegen?
Absolut, selbst wenn unser Portfolio mit rund 35 Positionen recht konzentriert ist. Es ist die Strategie, die das Volumen bestimmt. Da sehen wir das Maximum bei rund 800 Mio. Fr.

Wie geht der Mirabaud – Equity Swiss Small and Mid strategisch vor?
Mit einem aktiven und fokussierten Ansatz. Titel, in denen wir grosses Kurspotenzial sehen, gewichten wir bis zu 3% stärker als in der Benchmark, dem Small- und Mid-Cap-Index SMI (SMI 8268.12 0.66%) Extra. So kreieren wir ein Depot mit fünf bis sechs Top-Ideen, die wir über längere Zeit durchziehen. Auch im unteren Nebenwertesegment haben wir starke Positionen von 1 bis 2% über dem Gewicht im Index.

Verraten Sie einige Ideen.
Wir gehen davon aus, dass sich das wirtschaftliche Wachstum nicht zuletzt aufgrund der massiven geldpolitischen Impulse beschleunigen wird, nicht übermässig, aber doch spürbar: in den USA auf  2,5 bis 3% und in Europa auf über 1% in diesem Jahr. Gleichzeitig dürften die Zinsen den Tiefpunkt erreicht haben. Die Kombination von stabilen bis leicht anziehenden Zinsen, einer besseren Konjunktur und einer Bewertung von Small und Mid Caps zu Large Caps, die weit unter den früheren Höchst liegt, als die Wirtschaft wieder zu wachsen begann, räumt Nebenwerten allgemein gute Chancen ein. Innerhalb des  Segments legen wir ein stärkeres Augenmerk auf Titel und Sektoren, die von einer besseren Konjunktur profitieren.

Ist der Zeitpunkt günstig, um auf zyklische Werte zu setzen? Machen die Börsen allgemein zurzeit nicht einen schwachen und abschreckenden  Eindruck?
Ich würde nicht erst kaufen, wenn sich der Umschwung bereits manifestiert hat. Ganz selektiv schauen wir uns zyklische Titel an und haben teils auch schon investiert. Der zyklische Value-Bereich, mit unterbewerteten Papieren von konjunktursensitiven Unternehmen, die im Sog des festen Frankens ihre Hausaufgaben gemacht haben, ist sehr attraktiv. Dazu gehört nach der Kapitalerhöhung und der Produktionsverlagerung nach Osteuropa auf zwei bis drei Jahre hinaus beispielsweise Arbonia-Forster (AFGN 9.62 -1.13%). Auch OC Oerlikon (OERL 8.03 1.01%) hat die richtigen Massnahmen getroffen, um wieder prosperieren zu können.

Wenn Sie von Arbonia-Forster sprechen, sind Bau, Bauzulieferer und möglicherweise auch Immobilien generell attraktiv?
Immobilien nein, die Aktien sind teuer, und das Aufwertungspotenzial ist gering.   Investiert sind wir in Implenia, die nach wie vor preiswert sind. Grosse Infrastrukturprojekte werden weiterhin realisiert. Die normale Baukonjunktur hingegen dürfte sich eher etwas abschwächen. Auch wenn die Zinsen in den nächsten ein bis zwei Jahren niedrig bleiben werden, so haben sie doch die Talsohle erreicht.

Ist Technologie auch eine Top-Idee?
Absolut. Megatrends wie Digitalisierung, Big Data, GPS/Global Positioning haben noch einen weiten Weg vor sich. Unter den Schweizer Small und Mid Caps profitieren davon Titel wie AMS (AMS 29.15 0.69%), U-Blox (UBXN 203 -0.25%) und Temenos (TEMN 47.1 0.64%). Bei Temenos kommt ein struktureller Schub der Nachfrage nach Software durch Fintech und die verschärfte Bankenregulierung hinzu.

Die grösste Position im Fonds sind Partners Group, weshalb?
Partners Group (PGHN 343.5 0.59%) ist wie Temenos ein starker Kandidat für strukturelles Wachstum in der Finanzbranche. Niedrigzinsen und Anlagenotstand werden die Nachfrage weiter vorantreiben, zumal Anleger  in Europa und in Asien – anders als in den USA – in Private Equity (PEHN 63.5 2.5%) noch immer unterinvestiert sind. Partners Group könnte noch stärker expandieren, achtet aber am schnell wachsenden Markt auf hohe Qualität und greift nur die Perlen heraus.

Wie stufen Sie Banktitel ein?
Unter den Nebenwerten dominieren die Kantonalbanken. Die meisten haben ziemlich viel Fleisch am Knochen, sprich: eine gute Kapitalbasis und trotzdem eine noch respektable Eigenkapitalrendite zwischen 10 und 15%. Nimmt der Cashflow weiter zu, sind auch Dividendenerhöhungen möglich.  Grundsätzlich jedoch leiden Banken unter dem Regulierungsdruck und den niedrigen Zinsen. Eine Zinswende würde ihnen im Zinsdifferenzgeschäft grosse Erleichterung bringen. Aber für einen Umschwung in grösserem Stil fehlen die Voraussetzungen.

Was könnte die grosse Überraschung in diesem Jahr sein?
Die Märkte sind getrieben von der Konjunktur, der Notenbankpolitik und den Währungen. Das sind ganz unterschiedliche Konstellationen. Bei der Geldpolitik und bei den Währungen dürfte es kaum Überraschungen geben, die groben Linien sind gezogen. Anders beim Wachstum, und da kämen die Energie- und Rohstoffmärkte ins Spiel – mit anderen Vorzeichen als jetzt, Öl und Gas könnten wieder teurer werden. Titel wie Burckhardt Compression (BCHN 293.5 0.77%) wären in einem solchen Fall wieder weit vorne anzutreffen.

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