Warum Dennis Etzel auf kleine Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz setzt, erklärt der Manager des Value-Opportunity-Fonds im Interview.
Herr Etzel, seit der Wahl von Donald Trump vergangenen Herbst zum US-Präsidenten schwingen die US-Börsen von einem Hoch zum nächsten. Wie lange geht das noch gut?
Präsident Trump hat in der Tat Vorschusslorbeeren von der Börse bekommen. Aber es gibt auch einige Indikatoren, die in die richtige Richtung weisen. Der Einkaufsmanagerindex ist gemäss Institute for Supply Management ISM Anfang März auf 57,7 Zähler gestiegen – besser als gedacht und so hoch wie zuletzt im Sommer 2014. Er gilt als zuverlässiger Frühindikator für die Wirtschaft der USA.
Der ISM basiert aber im Wesentlichen auf Stimmungen, also auf weichen Faktoren.
Richtig. Aber auch andere Frühindikatoren, die auf harten Faktoren beruhen – wie der Sammelindex der wirtschaftlichen Frühindikatoren bestehend aus Arbeitslosenzahlen, dem Auftragseingang der Industrie und Baugenehmigungen –, haben sich gut entwickelt. Das alles ist ja nicht allein das Werk von Trump. Was wir sehen, basiert in grossen Stücken auf dem, was die Vorgängerregierung sowie die US-Notenbank Fed in die Wege geleitet haben.
Politische Börsen haben also auch unter Trump kurze Beine?
Nun, relativ kurze Beine, würde ich sagen. Die Rally im Dow Jones (Dow Jones 20954.34 -0.24%) ist fundamental begründet. Bei der jüngsten Runde der Quartalsberichte gab es keine Enttäuschungen, vor allem in der Old Economy lief es gut. Seit 2013 hatten Analysten vor den Berichten regelmässig ihre Schätzungen gestutzt. Das blieb dieses Mal aus, es gab kaum Revisionsbedarf.
Wie lange geht es noch aufwärts?
Die US-Börsen können noch bis Spätsommer oder gar Frühherbst gut laufen. Spätestens dann werden die Anleger Trump an seinen Taten messen. Dabei ist eigentlich schon jetzt klar, dass nur ein Teil seiner Reformvorschläge umsetzbar ist. Die Frage lautet nur: Wie kreativ wird die neue Regierung, wenn es darum geht, die Schuldengrenze anzuheben? Sicher wird der Verlauf an der Börse jetzt volatiler als in den vergangenen Wochen.
Dafür dürften wohl auch die Wahlen in den Niederlanden und Frankreich sorgen.
Der Ausgang der Wahlen in den Niederlanden scheint noch offen. Und Frankreich: Selbst wenn Marine Le Pen im ersten Durchgang gewinnt, dann ist noch immer nicht ausgemacht, dass sie auch nach der Stichwahl im Mai vorne liegt und noch bei den Parlamentswahlen im Juni eine Mehrheit erringt. Viel spannender für mich ist die Frage: Wie geht es weiter mit Griechenland und Italien?
Was erwarten Sie in Griechenland?
Im Sommer geht das Geld zur Neige. Der Internationale Währungsfonds hat die Parole ausgegeben: Neue Kredite gibt es nur gegen einen Schuldenschnitt. Das ist neu und könnte in der Folge für eine höhere Staatsverschuldung in Deutschland sorgen – und die Bilanzen der grossen Banken, der Deutschen Bank etwa oder der Commerzbank (CBK 7.633 -1.6%), belasten. Richtig ernst wird es, wenn auch Italien kippt. Das denken viele Anleger nicht zu Ende.
Dann rauschen die Börsen nach unten.
Die Schwankungsbreite im Volatilitätsindex VDax ist so niedrig wie zuletzt 2007 und 2014. Auch der VStoxx als Indikator für die Volatilität von europäischen Aktien war zuletzt im Juni 2014 tiefer. Viele gehen davon aus, dass der Börsenaufschwung mit einer anhaltend niedrigen Volatilität noch eine Weile weitergeht – das scheint unwahrscheinlich.
Welche Regionen bevorzugen Sie nun?
Unser Fonds spezialisiert sich auf Werte in Deutschland, Österreich und der Schweiz – ein Paradies für Value-Investoren. 60% der Weltmarktführer haben in dieser Region ihren Sitz. Im Blick haben wir zudem Sondersituationen bei Unternehmen.
Aktuell hält Ihr Fonds überwiegend Aktien aus Deutschland. Wieso?
Das ist eine Momentaufnahme. Fundamental sehen wir in der Schweiz oder in Österreich genauso gute Chancen.
Sind Aktien noch erste Wahl?
Nach der Mini-Zinswende in den USA fliesst viel Geld aus dem Anleihenbereich. Es wird eindeutig schwieriger, mit Anleihen Geld zu verdienen. Das zeigen auch die vergangenen Monate: Im deutschsprachigen Raum hatten bei den Neuemissionen nur die Obligationen von Hapag-Lloyd (HLAG 30.55 2.19%) und Porr eine attraktive risikoadäquate Verzinsung.
Gibt es Alternativen zur Aktie?
Schwierig. Tagesgeld bleibt bis auf weiteres ein Tabu. In Immobilien sehen wir Tendenzen einer Blase. Hier in Frankfurt kaufen Chinesen alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Sie vermieten die Wohnungen anschliessend nicht, sondern suchen nur eine Kapitalanlage. Das kann auf Dauer nicht gutgehen. Gold (Gold 1222.8 -0.25%) wird wieder ein Thema, wenn Griechenland wackelt und die Franzosen sich für Le Pen entscheiden. Dann werden erneut die Europa-Untergangsszenarien beschworen.
Wird Europa weiterbestehen?
Als politische Union schon, allein um gegen Asien und Amerika zu bestehen. Für den Euro sehe ich längerfristig keine Zukunft. Da gibt es eine Art Insolvenzverschleppung. Probleme werden stets nur verschoben. Es gibt immer noch das Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten – und so funktioniert eine gemeinsame Geldpolitik nicht, das hat die Vergangenheit gezeigt. Das spricht auch für Aktien. Eine Nestlé (NESN 75.7 0.66%) oder eine Lindt & Sprüngli (LISN 65295 -0.38%) wurzeln im 19. Jahrhundert und haben Kriege, Zeiten der Inflation und Währungsregimes überstanden.
Welche Titel bevorzugen Sie?
Unser Fonds fokussiert sich auf Hidden Champions im deutschsprachigen Raum, die wir vor Ort besuchen können, um mit dem Management sowie Kunden oder Rivalen zu reden. Hier sind in der Regel weniger Informationen publik, da es weniger Analysten gibt – somit können wir durch eigenes Research einen Mehrwert erzielen. Um die Volatilität im Fonds zu senken, schauen wir neben Value-Unternehmen auch solche in Spezialsituationen an, wie es sie etwa bei Übernahmen gibt.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Stada war ein interessanter Fall. Den deutschen Anbieter von patentfreien pharmazeutischen Generika und Markenprodukten haben wir Anfang 2016 als Value Case ins Portfolio genommen. Durch den aktivistischen Investor AOC hat sich das Bild inzwischen gedreht: Stada gilt uns nun als «Opportunity», da mehrere Parteien an einer Übernahme interessiert sind.
Wen bevorzugen Sie in der Schweiz?
Hier sehen wir eine ganze Reihe interessanter Kandidaten, die unsere Kriterien erfüllen. Einer unserer liebsten Favoriten ist Dätwyler (DAE 152.7 0.33%). Im Bereich Sealing Solutions gehört Nespresso mit ihren Kapseln zu den grössten Kunden. Kaffee (Kaffee 131.705 0.04%) wird immer getrunken – und Rivalen tun sich schwer, in den Bereich vorzustossen, wegen der hohen Auflagen in der Lebensmittelbranche. Das Segment Technical Components, über das Elektrokomponenten verkauft werden, passt nicht dazu. Vielleicht wird es einmal abgespalten. Diese Mischung aus spannender Unternehmens- und Wachstumsstory mit hohen Markteintrittsbarrieren, die gefällt uns.
Sehen Sie noch weitere Favoriten?
Bei Arbonia (ARBN 17.75 3.2%) gefällt uns die Refokussierung als Zulieferer im Baubereich, nachdem der Küchenbereich verkauft worden ist. Geberit (GEBN 440.8 0.69%) hat inzwischen ihren Preis, aber das Management des Unternehmens leistet gute Arbeit im Sanitärbereich. Der Kauf von Sanitec hat das Portfolio nach unten abgerundet. Hier können Investoren an schwachen Tagen kaufen.
Sehen Sie die Frankenstärke nicht als Herausforderung für solche Unternehmen?
Im Gegenteil: Hier ziehe ich den Vergleich zu deutschen Gesellschaften, die über vierzig Jahre mit der D-Mark als sehr starker Währung leben mussten – und so erst fit wurden für den globalen Wettbewerb.
Wird sich der Franken in Richtung Euro-Parität entwickeln?
Das wird die interessante Frage, sofern die SNB (SNBN 1641 -1.08%) die fällige Zinssenkung weiter hinauszögern würde. Leidet die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen dann – oder stecken sie den stärkeren Franken so gut weg wie im Januar 2015? Ich gehe davon aus, dass es nicht mehr viel Speck gibt, den die Unternehmen wegschneiden können. Aber die hiesigen Gesellschaften sind für ihren Erfindungsreichtum bekannt, sodass sie auch eine weitere Aufwertung gut verkraften.
Wie entwickelt sich die Zinslandschaft in den Vereinigten Staaten und in Europa?
In den USA ist es politisch gewollt, dass die Zinsen nicht so stark steigen. Wir gehen von einem Trippelschritt im Frühjahr und vielleicht einem zweiten im Herbst aus – mehr ist wohl nicht drin. Spannender sieht es in Europa aus: Vor 2019 erwarten wir keine Zinserhöhung. Dann endet die Amtszeit von Mario Draghi. Kommt ein weiterer Südeuropäer an die Spitze der EZB, setzt sich das Trauerspiel wohl fort.
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