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10:16 Uhr - 12.11.2014

Russland reagiert auf die Rubelkrise

Fallende Erdölpreise und die Ukrainekrise setzen dem Rubel zu. Mit Worten und Taten wehren sich Zentralbank und Regierung gegen «spekulative Attacken».

Russland versucht mit immer neuen Mitteln, den Sinkflug seiner Währung zu stoppen. Regierung und Zentralbank reden den Rubel stark und machen spekulative Attacken für seine Abwertung verantwortlich. Präsident Wladimir Putin äusserte sich am Montag vor dem Asien-Pazifik-Gipfel (Apec) in Peking zur Rubelschwäche und sprach sich für ein Eingreifen der Zentralbank aus.

zoomKurz darauf meldete die russische Zentralbank das Ende des bisherigen Rubelkorridors und der damit verbundenen ­regelgebundenen Devisenmarktintervention. Der Rubelkurs soll frei schwanken können, am Devisenmarkt eingreifen will die Notenbank nur noch zur Not –  dann aber richtig. Zudem schränkt die Zentralbank die Rubelliquidität ein. «Das Geld wird nicht nur zur Finanzierung der russischen Wirtschaft, sondern auch zur Währungsspekulation verwendet», begründete die Zentralbankpräsidentin Elvira Nabiullina den Entscheid.

Zu viele Reserven verbrannt

Unter dem bisherigen Wechselkursregime durfte der Aussenwert des Rubels nur in einer bestimmten Bandbreite zu einem Währungskorb schwanken. War die Ober- oder die Untergrenze erreicht, kaufte oder verkaufte die Zentralbank in einem begrenzten Umfang Devisen. War das tägliche Interventionsvolumen ausgeschöpft, wurde das Wechselkursband automatisch um 5 Kopeken angepasst.

Erst vor wenigen Tagen beschränkte die Zentralbank den Maximalbetrag für die tägliche Devisenintervention auf 350 Mio. $, nachdem sie im Oktober täglich bis zu 3 Mrd. $ ohne Wirkung verbrannt hatte. Über den ganzen Monat verkaufte sie Devisenreserven im Umfang von mehr als 30 Mrd. $. Doch die tropfenweise Intervention war eine Einladung für Spekulanten, gegen den Rubel zu wetten, und selbst die Erhöhung der Leitzinsen von 8 auf 9,5% vor zehn Tagen vermochte die Abwertungsspirale nicht zu durchbrechen.

Mit der neuen Regelung soll der Rubelkurs nur noch die Marktkräfte spiegeln. Bei Bedarf kann die Notenbank allerdings jederzeit und ohne Begrenzung auf dem Devisenmarkt intervenieren. Das soll die Finanzmarktteilnehmer von weiteren Spekulationen gegen den Rubel abhalten, der dieses Jahr bereits ein Drittel seines Aussenwerts verloren hat.

Die Massnahmen sind nicht ohne Erfolg. Der Rubelkurs hat sich zu Wochen­beginn stabilisiert. Am Montag erstarkte er gegenüber dem Dollar 2% auf 45.6 Rubel/$. Wegen fallender Erdölpreise notierte er aber am Dienstag bereits wieder schwächer.

Premierminister Dmitri Medwedew bekräftigte am Dienstag, es seien keine Kapitalverkehrskontrollen oder Einschränkungen des Devisenkaufs geplant. Die Tatsache, dass er sich dazu äussert, zeigt jedoch, dass solche Massnahmen in Moskau zur Diskussion stehen. Laut den neusten Schätzungen der Zentralbank ­beläuft sich die Kapitalflucht aus dem ­Privatsektor dieses Jahr auf 128 Mrd. $ und übersteigt den Überschuss im Aussenhandel resp. in der Leistungsbilanz.

zoomDie Devisenreserven der Zentralbank werden bis Ende Jahr voraussichtlich auf 422 Mrd. $ schmelzen, von 510 Mrd. $ zu Jahresbeginn. Zieht man ­davon 167 Mrd. an speziellen Regierungsgeldern ab, die nicht für Devisenmarkt­interventionen bestimmt sind, liegen die verfügbaren Reserven bereits unter dem Niveau, das zur Finanzierung der Importe über sechs Monate nötig wäre. Dieses Mass wird von Ökonomen als Richtschnur zur Beurteilung der Höhe der Devisen­reserven verwendet.

Risiko Bankenkrise

Um die Reserven zu schonen, könnte die Zentralbank im Prinzip auch eine weitere Abwertung des Rubels tolerieren, ohne einen Staatsbankrott wie 1998 zu riskieren. Schliesslich weist der russische Staat – anders als damals – eine niedrige Schuldenquote von 14% des Bruttoinlandprodukts aus, und davon ist ein grosser Teil in Rubel ausstehend.

zoomzoomDoch diese Argumentation greift zu kurz. Eine allzu heftige Abwertung trifft die Wirtschaft via importierte Inflation sowie die Unternehmen, besonders die Banken: Sie haben sich in den vergangenen Jahren zunehmend im Ausland verschuldet. Die Verbindlichkeiten belaufen sich unterdessen auf 192 Mrd. $ – 1998 waren es 18 Mrd. $. Fällt der Rubel, steigt die Verschuldung. Ungemach droht den Bankbilanzen auch von der Aktivseite. Insgesamt haben russische Banken Fremdwährungskredite an Unternehmen und Haushalte in der Höhe von 180 Mrd. $ ausstehend. Verliert der Rubel an Wert,  nehmen die  Zins- und Amortisationskosten zu, und die Banken müssen mit mehr Zahlungsausfällen rechnen.

Die Zeche einer Bankenkrise bezahlt am Schluss der Staat. Dessen sind sich auch die Bondinvestoren immer mehr bewusst. Für eine zehnjährige Dollaranleihe des russischen Staates verlangen sie mittlerweile eine Rendite von 5%. Die Jahresprämie für eine Kreditversicherung (Credit Default Swap, CDS) für fünfjährige Staatsanleihen hat sich seit Anfang 2013 auf 2,75% verdoppelt.

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