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18:33 Uhr - 07.07.2017

Corporate-Governance-Trends im Ausland

Ein Blick über die Landesgrenzen lohnt sich: Andere Länder haben oft ähnliche Probleme in der verwaltungsratsbezogenen Corporate Governance oder sind bei bestimmten Fragen Vorreiter.

Deutsche arbeiten am Kodex:
Vor fünfzehn Jahren wurde Corporate Governance aufgeschrieben. Viel hat sich seither bewegt.

Die Bewältigung der grössten Krise schreitet bei Volkswagen (VOW 153.6 -0.65%) langsam voran. Ein möglicher Grund für das mühsame Aufarbeiten der Diesel-Affäre: Im zwanzigköpfigen Aufsichtsgremium des Autoherstellers sitzt mit Annika Falkengren – Ex-SEB-Chefin, seit Anfang Juli im Management von Lombard Odier – nur ein Mitglied, das nicht die Interessen von Arbeitnehmern oder Grossaktionären vertritt, also wirklich unabhängig ist.

Ein eklatanter Verstoss gegen die Regeln guter Unternehmensführung, die in Deutschland vor fünfzehn Jahren aufgestellt wurden. Und VW ist in Corporate Germany mit dem Verstoss nicht allein.

Eine Pleite weist den Weg

Als der Baukonzern Holzmann 2001 wegen Managementversagen in die Insolvenz schlitterte, setzte der damalige deutsche Bundeskanzler eine Regierungskommission ein. Die Experten erarbeiteten ein Regelwerk für Corporate Governance, das im Februar 2002 erstmals veröffentlicht wurde. Seither hat sich einiges getan. «Nach zwölf Überarbeitungen, bei denen jeweils an den verschiedensten Stellen des Kodex an- und umgebaut wurde, sollten wir uns eine grundlegende Überarbeitung vornehmen», erklärte Rolf Nonnenmacher, neuer Vorsitzender der Kodex-Kommission, jüngst an der Jahrestagung.

Der neue Kodex solle international herausragende Beispiele guter Unternehmensführung aufzeigen und weniger, wie derzeit, das geltende Recht. Doch was genau solche vorbildliche Corporate Governance ausmacht, daran scheiden sich die Geister. Die Akzeptanz des Kodex immerhin ist im sechzehnten Jahr nach Veröffentlichung hoch: Gemäss Studie der HHL Leipzig Graduate School of Management erfüllen 96% aller Dax- und MDax-Unternehmen die Soll-Empfehlungen.

Die grössten Abweichungen gibt es jedoch in kritischen Punkten, etwa der Zusammensetzung des Verwaltungsrats – bei den Nachbarn als Aufsichtsrat bekannt –, der wirklich nur Aufsichtsorgan ist, nicht wie der hiesige Verwaltungsrat auch Leitungsgremium. Nur 60% der von der Leipziger Hochschule untersuchten deutschen Gesellschaften entsprechen beim Aufsichtsgremium den Empfehlungen des Kodex – wie im Fall VW zu sehen. Ebenso gering ist der Zuspruch zu einem weiteren, wichtigen Punkt: der Struktur der Vorstandsvergütung.

Nur wenige Frauen

Der Anteil nichtdeutscher Verwaltungsräte liegt mit 29% weiter vergleichsweise niedrig. Die SLI-Unternehmen kommen auf einen doppelt so hohen Anteil.

An anderer Stelle wenigstens entwickeln sich die Gremien bei den Nachbarn weiter: Der Gesetzgeber strebt bis 2020 eine Frauenquote von 30% in Unternehmen an. Gemäss Untersuchung der Personalberatung Russell Reynolds erfüllen 21 der 30 Aktionärsvertretungen das Ziel bereits. 2015 waren es erst 13. Hier immerhin hat das Volkswagen-Management Vorbildfunktion: Seit der jüngsten Hauptversammlung ist die 30%-Quote erfüllt – allerdings punktgenau. Nicht eine Frau mehr findet sich im Gremium. (TR)

 

Briten kämpfen gegen Lohnexzesse:
Die Regierung unter Theresa May will Corporate-Governance-Regeln weiter verschärfen.

Jess Staley hatte bange Momente zu überstehen, bis seine Wiederwahl als Chef der britischen Grossbank Barclays (BARC 207.75 -0.67%) bestätigt wurde. Im Vorfeld der diesjährigen Generalversammlung hatte der Stimmrechtsberater ISS Stimmung gegen den Amerikaner gemacht und die Abwahl empfohlen. Zuvor hatte Staley versucht, den Namen eines Whistleblowers aus der eigenen Bank herauszufinden.

Aber auch andere Unternehmen stiessen bei ihrem jährlichen Treffen mit den Aktionären auf ungewöhnlich stark rebellierende Anteilseigner – darunter der Mineralölriese BP, der Elektrokonzern Drax, die Supermarktkette Tesco (TSCO 170.35 -0.84%) und der Hausbauer Crest Nicholson.

Neue Regeln in Planung

Hintergrund der jüngsten Dynamik von aktivistischen Aktionären in Grossbritannien ist die Offensive der Regierung, die Grundsätze einer guten Unternehmensführung zu überarbeiten mit dem Ziel, das öffentliche Vertrauen in die Wirtschaft zu fördern und zu einem verantwortungsvollen Kapitalismus beizutragen. Aus diesem Grund wurde im November ein sogenanntes Green Paper publiziert – eine Art Vernehmlassung. Konkrete Vorschläge sind für die kommenden Monate zu erwarten.

Im Zentrum stehen die Managerlöhne. Auch auf der Insel ist der Exzess bei Chefsalären schon seit längerem ein öffentliches Gesprächsthema. Zudem sollen neu auch Stimmen von Arbeitnehmern und anderen Interessensgruppen vom Verwaltungsrat berücksichtigt werden. Die dritte und letzte Forderung der Regierung May ist, die Corporate-Governance-Regeln künftig auch auf die grossen privat gehaltenen Unternehmen auszudehnen.

Bereits bei ihrem Amtsantritt im Juli 2016 hatte sich Premierministerin Theresa May für eine Verschärfung der Corporate-Governance-Richtlinien ausgesprochen und sie an die Spitze ihrer politischen Agenda gesetzt. Sie prangerte besonders die Lohnexzesse an, die vor allem in den vergangenen achtzehn Jahren stattgefunden haben. «Die Lohnkluft nimmt bei immer mehr Unternehmen ungesunde, teils gar irrationale Züge an», sagte May damals.

Lohnschere öffnet sich

Seit 2002 ist das Verhältnis eines durchschnittlichen CEO-Salärs bei einer grossen kotierten Gesellschaft zu einem  mittleren Arbeiterlohn von 1:70 auf 1:140 geklettert. Vergangenes Jahr wurde BP-Chef  Bob Dudley für sein Lohnpaket von 14 Mio. £ (umgerechnet knapp 20 Mio. Fr.) harsch kritisiert. In einer nichtbindenden Abstimmung wurde es von 60% der Aktionäre abgelehnt. BP reagierte mit einer Lohnkürzung für die Jahre 2016 bis 2018 von 5 Mio. £.

Doch auch auf der Insel verlaufen Aktionärsrevolten längst nicht immer erfolgreich. Bei Tesco wurde die Verdreifachung der Vergütung des Supermarktchefs Dave Lewis angeprangert, der Vergütungsbericht wurde dennoch mit 91% Ja-Stimmen angenommen. (MEI)

 

Amerikaner rüsten sich gegen Hacker:
Schutzvorkehrungen gegen Cyberattacken werden in US-Verwaltungsräten zum Topthema.

In den Verwaltungsräten von Corporate America herrscht erhöhte Alarmbereitschaft. Dass Angriffe von Hackern zu einer immer grösseren Bedrohung werden, haben nicht nur die gestohlenen E-Mails in den US-Präsidentschaftswahlen gezeigt. Auch globale Überfälle mit Erpressungssoftware sind ein Warnsignal, dass sich Unternehmen in der digitalen Welt besser wappnen müssen.

Das gilt gerade in den USA: Von den Bankenkolossen J. P. Morgan Chase und Citigroup (C 68.245 0.91%) über Einzelhändler wie Home Depot (HD 152.42 0.24%) und Target bis hin zum Onlineportal Yahoo (AABA 54.65 0.22%) sind prominente Grosskonzerne bereits kostspieligen Cyberangriffen zum Opfer gefallen.

IT-Know-how gefragt

Entsprechend kommt dem Schutz vor Internetkriminalität eine zusehends grössere Bedeutung im Bereich Corporate Governance zu. Eine Umfrage des Buchprüfers Deloitte unter Verwaltungsräten von kleinen, mittelgrossen und grossen US-Unternehmen stellt sogar fest, dass Hackerangriffe als grösstes Risiko eingestuft werden. 14% der befragten Gesellschaften haben in den letzten zwei Jahren deshalb ein Mitglied in den Verwaltungsrat genommen, das in Fragen der Cybersecurity praktische Erfahrung einbringen kann.

Ein weiteres Kernthema im Boardroom sind «Eindringlinge» anderer Art. Während Hedge Funds aus den USA neuerdings auch Schweizer Unternehmen wie Nestlé (NESN 81.85 -0.49%) und Clariant (CLN 22 0.5%) ins Visier nehmen, zählt der Umgang mit angriffslustigen Investoren in amerikanischen Aufsichtsgremien schon fast zum Courant normal. Gemäss der Studie von Deloitte hatte mehr als ein Viertel der US-Unternehmen vergangenes Jahr mit Aktivisten zu tun. Seit Anfang 2017 haben diese unter anderem beim Assekuranzriesen AIG, bei der Bahngruppe CSX, beim Industriekonglomerat GE und bei der früheren Aluminiumgruppe Alcoa (AA 33.9064 0.05%) erfolgreich auf einen Wechsel in der Unternehmensführung gedrängt.

Was die Managerlöhne betrifft, setzt sich der bekannte Trend fort: Wie der Researchdienst Equilar vorrechnet, haben die grössten US-Konzerne ihren CEO 2016 im Schnitt mit 11,5 Mio. $ entschädigt – 8,5% mehr als im Vorjahr. Am besten wurden Chefs aus den Sektoren Industrie und Pharma bezahlt. Am meisten verdiente mit 98 Mio. $ Thomas Rutledge von Charter Communications.

Frauenquote sinkt

Kein klares Bild zeigt sich beim Thema Diversität. Gemäss dem Beratungsdienst Heidrick & Struggles haben US-Grosskonzerne letztes Jahr über ein Fünftel der neuen Verwaltungsratssitze an Mitglieder mit afrikanischer, lateinamerikanischer oder asiatischer Herkunft vergeben. So hoch war der Anteil noch nie.

Eine Abnahme gibt es hingegen bei der Frauenquote. Nachdem sie in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen war, wurden 2016 nur knapp 28% Frauen neu in VR-Gremien gewählt, was ein Rückgang von 2 Prozentpunkten ist. (CG)

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