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10:56 Uhr - 24.02.2015

«Kursgewinne werden von Gewinnpotenzial gestützt»

Eleanor Taylor Jolidon, verantwortlich für die Schweizer Aktienfonds von Union Bancaire Privée, kann einem starken Franken auch Gutes abgewinnen.

Frau Taylor Jolidon, fühlen Sie sich mit dem Niveau von SMI (SMI 8960.44 -0.19%) und SPI (SXGE 8852.84 -0.16%) wohl?
Ja, durchaus. Vor der Aufhebung der Untergrenze zum Euro war der Markt in etwa im historischen Durchschnitt bewertet. Zugleich war die Risikoprämie gemessen am guten Ausblick für den globalen Aktienmarkt etwas hoch. Im Gefolge des SNB-Entscheids wird der Markt in den nächsten Wochen oder gar Monaten nun aber mehr vom Wechselkurs als von den Fundamentaldaten der Unternehmen geprägt sein. Das bedeutet vorübergehend mehr Volatilität und rückt auch die Risikoprämie vorübergehend in ein anderes Licht.

Zur PersonEleanor Taylor Jolidon ist die Verantwortliche für die Schweizer Aktienfonds von Union Bancaire Privée.

An der Bewertung per se hat sich ja nicht viel geändert. Die Kursreaktion entsprach in etwa der erwarteten Ergebniseinbusse.
Das stimmt, der Markt hat sehr effizient auf den Schock reagiert.

Was erwarten Sie vom Schweizer Aktienmarkt im laufenden Jahr?
Anfang Jahr sahen wir gute Chancen auf 15% Wertsteigerung. Nun sehen wir ihn im Gesamtjahr ungefähr flach oder leicht im Plus. Anders gesagt: Vom Zeitpunkt des SNB-Entscheids an gehe ich von einem Plus von rund 15% aus.

Wird die von Ihnen erwartete Erholung des Gesamtmarktes weiter von einer Bewertungsexpansion getragen?
Nicht nur. Ich rechne zwar mit einer weiteren Expansion, doch wird sie sich – wie schon in den vergangenen Jahren – nicht gleichmässig über den Markt verteilen. Bewertungspotenzial sehe ich vor allem in Titeln zyklischer Unternehmen, die der Flaute der vergangenen Jahre getrotzt haben. Generell gehe ich aber davon aus, dass vor allem Gewinnsteigerungspotenzial zum Kurswachstum beitragen wird.

Gehen Sie davon aus, dass die Zinsen noch längere Zeit niedrig sein werden?
Voll und ganz. Selbst in den USA könnte sich der vor Jahresende erwartete Zinsanstieg hinauszögern, weil die niedrigen Energiepreise inflationären Druck wegnehmen. In Europa und in der Schweiz sind höhere Zinsen ohnehin kein Thema.

Hat sich Ihre Haltung zu Schweizer Aktien seit dem Währungsschock geändert?
In keiner Weise. Der Franken wertet sich seit Jahrzehnten beständig auf. Das hat das Wachstum von Unternehmen gedämpft. Man kann es aber auch positiv sehen: Eine starke Währung zwingt, innovativ, effizient und kostenbewusst zu sein. Das zahlt sich aus. Seit mindestens zwanzig Jahren zeigt der SPI gegenüber dem MSCI-Weltindex in Franken eine Outperformance. Ich glaube nicht, dass eine Weichwährungspolitik einer Volkswirtschaft auf Dauer hilft.

Haben Sie wegen der neuen Währungslage umgeschichtet?
Das war nicht nötig. Das globale Wachstumsbild ist durch das, was hier passiert ist, nicht beeinträchtigt worden. Für den hiesigen Aktienmarkt ist in erster Linie die Weltwirtschaft massgebend. Umschichtungen sind auch deshalb nicht nötig, weil es hierzulande zwischen Large, Mid und Small Caps keine allzu grossen Unterschiede gibt, was Exposure und Kosten in den einzelnen Währungsräumen betrifft.

Das war im Frankenhoch 2011 nicht anders. Trotzdem schichteten Sie damals um.
Damals war auch die Situation anders. Es gab kaum Wirtschaftswachstum, und die Sicht nach vorn war schlecht. Wir nahmen Risiko aus dem Portfolio. In unserer Aktienauswahl achten wir stark auf den Zyklus des Cashflow Return on Investment, des CFROI. Dabei unterscheiden wir zwischen opportunistischen Anlagen und Kernanlagen. Erstere versprechen im CFROI hohes Wachstum oder Restrukturierungserfolge. Kernanlagen zeichnen sich durch einen hohen und stabilen Return aus. Auf sie hatten wir 2011 fokussiert. Heute sehen wir aufgrund intakter Wachstumschancen keinen Anlass, die opportunistischen Investments zurückzufahren.

Niedrige Zinsen machen hohe Dividendenrenditen noch attraktiver. Tragen Sie dem in der Aktienauswahl Rechnung?
Wir sehen die Dividende als ein Signal: Wer die Dividende auf hohem Niveau halten oder steigern kann, ohne die Pay-out Ratio zu erhöhen, demonstriert Managementqualität. Doch eine hohe Dividende per se ist für uns kein Kriterium. Gesellschaften, die die Dividende höher gewichten als Wachstum und Produktivitätssteigerung, mögen wir weniger. Uns gefallen Unternehmen, die auf Wertsteigerung aus sind. Wenn dann auch noch eine gute Dividende herausschaut, umso besser.

Was sehen Sie lieber, Dividendenzahlungen oder Aktienrückkäufe?
Grundsätzlich ziehen wir Aktienrückkäufe vor; sie sind steuerlich vorteilhafter. Doch eine stete Dividende hat ohne Frage auch ihren Reiz.

Heute sind attraktive Dividendenrenditen aber ein wichtiges Argument für Aktien.
Damit und mit den Bewertungen, die daraus zuweilen resultieren, fühle ich mich nicht ganz wohl. Aktien werden immer Aktien sein, enthalten immer eine Risikokomponente. Wer nur auf Ausschüttung aus ist, dem drohen Enttäuschungen. Anleger sollten Aktien für das kaufen, was sie sind: eine Chance zur Wertsteigerung.

Versprechen derzeit defensive oder zyklische Titel eher mehr?
Mit einer positiven Sicht auf die Aktienmärkte und das Weltwirtschaftswachstum spricht einiges für Zykliker. In der Schweiz decken sie indes ein sehr weites Feld ab. Weil ich mit Blick auf die Energiepreise skeptisch bin, wahre ich Vorsicht bei Unternehmen mit grossem Exposure gegenüber der Öl- und Gasindustrie. Dagegen beeindruckt mich die Automobilindustrie. Sie schlägt sich beachtlich, und die niedrigen Energiepreise helfen ihr nun noch zusätzlich. Das verschafft hiesigen Zulieferern gute Perspektiven. Doch auch innerhalb einzelner Branchen gibt es Unterschiede. Die IT ist ein Beispiel.

Was bedeutet das für die Sektorallokation?
Im Schweizer Markt ist die Sektorallokation nicht ganz so zentral. Wir orientieren uns mehr an grossen globalen Themen und leiten daraus ab, was sie für die einzelnen Gesellschaften bedeuten. In unseren Portfolios achten wir dann mehr auf das Verhältnis zwischen Unternehmen mit wachsenden Cashflow Returns on Investment, Restrukturierungs-CFROI und stabilen, hohen CFROI als auf Sektoren.

Welche Schweizer Aktien gefallen Ihnen besonders gut?
Eine unserer Top-Übergewichtungen ist BB Biotech (BION 285 0.35%). Das Biotech-Universum gefällt uns derzeit gut. Wir ziehen aber grössere, gereiftere Biotechs weniger weit entwickelten vor. Weil in der Schweiz vor allem letztere Art vertreten ist, sehen wir in BB Biotech ein geeignetes Vehikel, um unsere Präferenz zu spielen. Sehr gut gefällt uns auch Geberit (GEBN 332.7 -0.72%). Das Unternehmen beeindruckt mit einer konstant hohen Cashflowrendite. Wir schätzen seine Wachstumschancen in Europa als weiterhin gut ein, und auch die Sanitec-Übernahme erachten wir als einen geschickten Zug. Geberit zählt mit Blick auf den CFROI zur Gruppe unserer Kernanlagen.

Was gefällt Ihnen im opportunistischen oder eher spekulativen Bereich?
Hier gilt es Leonteq (LEON 240.9 0.21%), AMS (AMS 41.25 -0.48%) und U-Blox (UBXN 142.9 0.28%) zu nennen. Für Leonteq sehen wir grosse Wachstumschancen und glauben daher  an eine Fortsetzung der bemerkenswerten Aktienstory. AMS partizipiert voll an der Digitalisierung des Alltags, und auch U-Blox hat – wie AMS unter anderem im Internet der Dinge – Potenzial für eine beeindruckende Entwicklung.

Wer übergewichtet, muss auch untergewichten…
Wir sind von Nestlé (NESN 73.05 -0.07%) und Syngenta (SYNN 332 -0.18%) nicht so begeistert und betrachten auch den Bankensektor skeptisch. Nestlé dünken uns recht hoch bewertet, zumal wir den allgemeinen Enthusiasmus über Dividendenrenditen etc. nur bedingt teilen. Zudem war Nestlé schon besser in Form als heute. Im Bankensektor sehen wir Herausforderungen im Wachstum und namentlich bei Credit Suisse (CSGN 23.33 -0.64%) auch solche juristischer und regulatorischer Art. Credit Suisse und Julius Bär (BAER 44 -1.59%) halten wir nicht, UBS (UBSG 16.47 -0.66%) sind leicht untergewichtet. Ebenfalls Vorbehalte haben wir aufgrund des Marktumfelds im Agrarsektor gegenüber Syngenta.

Gibt es Nutzniesser des starken Frankens?
Aus diesem Blickwinkel wird etwa Calida (CALN 37.6 -2.46%) interessant zu beobachten sein. Einem recht grossen Umsatz in der Schweiz steht da eine Kostenbasis gegenüber, die zur Hauptsache im Euroraum liegt.

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