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14:42 Uhr - 26.02.2016

Der Ritterschlag der Filmwelt

Der Academy Award feierte bereits 1929 Premiere. Diesen Sonntag wird der begehrte Filmpreis zum 88. Mal verliehen.

Das glänzende Männchen erinnerte Margaret Herrick, die Bibliothekarin der Filmakademie, an ihren Onkel Oscar. Das  muss ein seltsamer Typ gewesen sein, denn der Oscar stellt einen stilisierten Ritter mit Schwert dar, auf einer Filmrolle stehend. Die Onkel-Assoziation muss, falls sie mehr ist als Legende, aus den Dreissigerjahren datieren; jedenfalls verwendet die Academy of Motion Picture Arts and Sciences seit 1939 diesen eingängigeren Namen für ihren Verdienstorden offiziell.

Die Interessengemeinschaft der Academy wurde 1927 von Studiobesitzern (die treibende Kraft war Louis B. Mayer von Metro-Goldwyn-Mayer), Regisseuren (darunter Cecil B. DeMille) und Schauspielern (etwa Douglas Fairbanks, der erster Vorsitzender wurde) gegründet. Hollywood steckte damals in einer Krise. Das neu aufkommende Radio sorgte für Konkurrenz, und die Schauspieler organisierten sich in Gewerkschaften, die bessere Bezahlung forderten. Die Academy wollte unter anderem mit der glanzvollen Verleihung von Auszeichnungen die Aufmerksamkeit des Publikums auf das Angebot der Filmbranche lenken.

Das ist ihr uneingeschränkt gelungen. Der Oscar ist heute sozusagen der Ritterschlag für Leinwandhelden. Am 28. Februar werden die Statuetten zum 88. Mal verliehen – ob Leonardo DiCaprio mit «The Revenant» endlich zu höchsten Weihen kommt?

Premiere feierte der Oscar 1929: Erster Preisträger als bester Hauptdarsteller, in den Streifen «The Way of All Flesh» und «The Last Command», war der deutsche Schauspieler Emil Jannings – geboren in Rorschach, also ein wenig Schweizer. Fast.

Seit damals wurden 2701 Statuetten vergeben. Die Trophäen bestehen aus einer vergoldeten Zinnlegierung. Oscar wird in Chicago zu Herstellkosten von rund 400 $ pro Stück gefertigt. Zinn war während des Zweiten Weltkriegs so knapp, dass die Oscars in diesen Jahren im Kern bloss Gips waren.

Die Traumfabrik inszeniert sich in der Preisverleihung gekonnt selbst: grosses Kino über Kino. Eklats sind das Salz in der Suppe. So wurde 1938 der Oscar für die beste Nebendarstellerin von der Bühne gestohlen, live, der Dieb entkam spurlos. 1973 nahm Marlon Brando den Preis für die Hauptrolle in «Der Pate» nicht selbst entgegen. An seiner Stelle trat die Indianer-Aktivistin Sacheen Littlefeather auf und verlas eine Botschaft für die Sache der Ur-Amerikaner. Auch dieses Jahr spielt Politik mit: Hollywood sei zu weiss, heisst es. Besserung wurde gelobt.

Das Beziehungsgeflecht zwischen Hollywood und Washington übrigens liesse sich als Hassliebe erfassen. Ronald Reagan hat zwar den Oscar nie erhalten – doch er war, jawohl, Präsident der Filmschauspielergewerkschaft.

Showbiz ist Big Business. Die Kinoeintritte weltweit summieren sich auf gegen 40 Mrd. $ pro Jahr, und das ist nur ein Teil des Geschäfts. Weltmarktführer ist und bleibt Hollywood. Es geht um Kohle (Kohle 52.45 0.19%), nicht um Kunst, auch wenn Künstler am Werk sein mögen. Die Schauspielerin Candice Bergen sagte es so: «Hollywood ist wie Picassos Badezimmer.» Bergen war «nur» nominiert; hätte sie einen Oscar gewonnen, wäre er vielleicht die Zierde ihres Boudoirs.

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