Die Nationalbank kauft mit ihren Devisenreserven im grossen Stil amerikanische Aktien. Das birgt beträchtliche Risiken, wie ein potenzieller Schaden von nahezu 80 Mio. $ nach dem Kurssturz von Facebook zeigt.
Die Schweizerische Nationalbank ist im Silicon Valley eine Grossmacht. Um ihren Bestand an Devisenreserven zu diversifizieren, investiert sie Milliardenbeträge in amerikanische Aktien. Ein wesentlicher Teil dieses Portfolios konzentriert sich dabei auf den Technologiesektor, was ein Klumpenrisiko birgt.
Wie volatil sich IT-Aktien verhalten können, zeigt sich anschaulich am Beispiel von Facebook. Der Internetriese aus dem Grossraum San Francisco enttäuschte gegen Ende Juli mit seinem Geschäftsabschluss bitter, worauf die Titel zwischenzeitlich um mehr als 20% einbrachen.
Das dürfte auch im Portfolio der SNB für Turbulenzen gesorgt haben. Gemäss den Unterlagen, die sie am Donnerstag bei der US-Börsenaufsicht SEC eingereicht hat, hielt sie per Ende des zweiten Quartals über 8,1 Mio. Aktien an Facebook. Basierend auf diesen Daten würde zum aktuellen Kurs von 184.57 $ ein Verlust von fast 80 Mio. $ resultieren.
Es hätte sogar schlimmer kommen können. Wie die obige Grafik illustriert, hatte die Nationalbank die Beteiligung an Facebook per Ende Juni zwar leicht erhöht. Verglichen mit dem Niveau von Ende 2017 ist der Bestand an Facebook-Titeln jedoch deutlich geschrumpft. Sonst hätte eine noch viel grössere Einbusse resultiert.
Böses Déjà-vu
Zudem handelt es sich nur um einen Verlust auf dem Papier. Durchaus denkbar ist, dass Facebook die Kursdelle auswetzt. So haben sich die Aktien bereits etwas vom Mini-Crash erholt. In anderen Fällen ist die Sache aber weniger glimpflich ausgegangen. Einen Verlust von über 100 Mio. $ hatte der SNB etwa das Kursdebakel des Pharmakonzerns Valeant im Herbst 2015 beschert.
Das Klumpenrisiko im US-Aktienportfolio der SNB gibt deshalb Grund zu Vorsicht. Mit Apple, Microsoft, Amazon, dem Google-Mutterkonzern Alphabet und Facebook rangieren ausschliesslich Aktien aus dem IT-Sektor unter den fünf grössten Einzelbeteiligungen der Nationalbank. Allein das Engagement in den Valoren des Branchenleaders Apple beläuft sich mittlerweile auf über 3,1 Mrd. $.
Insgesamt hat die SNB per Ende des zweiten Quartals 87,5 Mrd. $ in amerikanische Aktien investiert. Gemessen am Schlussstand der vorangegangenen Berichtsperiode ist das Portfolio damit um 5,4 Mrd. $ gewachsen. Der Bestand an US-Aktien hat sich um rund 34 Mio. auf 1320 Mio. Titel erhöht, nachdem er zuletzt etwas gesunken war.
Indexnahe Strategie
Die Nationalbank geht das Klumpenrisiko im IT-Sektor nicht durch eine aktive Auswahl von Einzelaktien ein (Stock Picking). Vielmehr verfolgt sie eine passive Anlagestrategie, die sich am jeweiligen Referenzindex eines Landes orientiert. In den USA machen Techwerte dabei einen relativ grossen Anteil der Gewichtung aus.
Die SNB erklärt dazu, sie investiere weltweit diversifiziert und indexnah. Ihr Portfolio umfasse rund 6600 Aktien aus 95% aller Aktienmärkte. Damit halte die SNB 0,25% der Weltmarktkapitalisierung.
«Wir verzichten bewusst darauf, einzelne Unternehmen oder Sektoren über- oder unterzugewichten. Wir treten möglichst neutral auf am Markt und nehmen möglichst wenig Einfluss auf das Handelsgeschehen», sagte Dewet Moser, stellvertretendes Mitglied des SNB-Direktoriums, am FuW-Indexing-Forum im Juni. Im Geschäftsbericht ergänzt die SNB: «Dadurch wird die Anlagepolitik vor politischen Überlegungen abgeschirmt.»
Der weltweite Aktienbestand der SNB hatte per Ende Juni einen Wert von 165 Mrd. Fr. Er macht 21% ihrer gesamten Devisenanlagen aus. 79% davon sind in Anleihen mit hoher Bonität investiert.
Starker Franken prägt Bilanz
Die SNB hat Fremdwährungsanlagen gekauft, um den Franken zu schwächen. Der Wert dieses Devisenbestands in der SNB-Bilanz schwankt mit den Wechselkursen des Frankens zu Euro, Dollar, Yen, Pfund und weiteren Anlagewährungen. Dazu kommen die Kursschwankungen der Aktien und Anleihen.
Auch nach der Aufgabe des Euromindestkurses im Januar 2015 intervenierte die SNB immer wieder am Devisenmarkt. Ab Sommer 2017 hat sie das angesichts des steigenden Franken-Euro-Wechselkurses allerdings kaum mehr getan.
Der Bestand der Fremdwährungsanlagen in der SNB-Bilanz hat seit der Mindestkursaufgabe 54% zugenommen, von 510 auf 784 Mrd. Fr. Diese Summe ist höher als das jährliche Bruttoinlandprodukt der Schweiz.
Kein gezielter Abbau
Im ersten Quartal 2018 hatte die SNB erstmals US-Aktien verkauft . Offenbar will sie jedoch den Devisenbestand nicht gezielt abbauen. Das sei keine vordringliche Aufgabe, sagte SNB-Präsident Thomas Jordan letzthin in einem Interview im «Central Banking Journal».
Jordan führte aus: «Besonders in einer kleinen, offenen Volkswirtschaft wie der Schweiz sollten wir nicht neue Zielgrössen für den Umfang oder die Entwicklung der Bilanzsumme schaffen, denn das wäre nicht hilfreich für die Steuerung der Geldpolitik in einer Volkswirtschaft, die immer wieder sehr grossen externen Schocks ausgesetzt sein kann.»
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