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11:01 Uhr - 24.09.2014

Die Nutzfahrzeugbauer geben Gas

Die indischen Hersteller von Lastwagen und Bussen stehen dank Wirtschaftsreformen und Investitionen vor einem Wachstumsschub.

Das Bild eines heillosen Verkehrschaos auf indischen Strassen mit Autos, Lastwagen, Fahrrädern, Fuhrwerken und «heiligen» Kühen ist wohlbekannt. Doch ändert sich das Strassenbild vor allem im zunehmend industrialisierten Nordosten der drittgrössten asiatischen Volkswirtschaft. Die Transformation hat mit dem schätzungsweise 100 Mrd. $ teuren «Delhi Mumbai Industrial Corridor Project» auch einen Namen.

In dieser Region findet ein wirtschaftlicher Boom statt, wie ihn China in den vergangenen drei Jahrzehnten erlebt hat. Thailands Zulieferer drängen auf den MarktWie schnell die Entwicklung gerade für die Automobilindustrie gehen kann, hat dabei das Reich der Mitte bewiesen, das in weniger Jahren nicht nur zum weltweit grössten Automobilmarkt wurde, sondern auch zum grössten Autobauer.

Die Wahl des als wirtschaftsfreundlich geltenden Narendra Modi zum Ministerpräsidenten Indiens im vergangenen Mai dürfte insbesondere auch der Automobilindustrie Rückenwind geben. Das trifft vor allem für Indiens grössten Fahrzeugbauer Tata Motors (TTM 45.49 -4.35%) zu, der gemessen an den produzierten Fahrzeugen weltweit zwar nur Nummer 17 ist, doch im Segment Busse global auf dem zweiten Platz liegt.

Daimler-Chef Dieter Zetsche geht davon aus, dass Indien bereits 2020 der nach China weltweit zweitgrösste Lkw-Markt sein wird. zoomMit Blick darauf produziert der Stuttgarter Konzern seit Mitte 2012 im südindischen Teilstaat Tamil Nadu unter den Markennamen BharatBenz, Mercedes-Benz und Fuso Nutzfahrzeuge.

Lokale Marken dominieren

Daimler (DAI 60.74 -0.67%) steht damit vorderhand allerdings nach wie vor im Schatten der lokalen Autobauer Tata Motors, Ashok Leyland und Eicher, die es gemäss dem indischen Fahrzeughersteller-Verband (SIAM) im zweiten Quartal 2014 im Lastwagensegment auf einen kombinierten Marktanteil von 95% gebracht haben.zoom Ganz klar die Nummer eins ist dabei Tata Motors mit einem Marktanteil von 58%, gefolgt von Ashok Leyland mit 26% und Eicher mit 11%.

Vor zwei Jahren brachen die Verkäufe der ganzen Branche ein, infolge eines drastisch rückläufigen Wirtschaftswachstums. 2013 expandierte das Bruttoinlandsprodukt erstmals in zwei Jahrzehnten weniger als 5%. Auf dem Lkw-Markt ging die Zahl der verkauften Einheiten sogar 22% zurück. Das Überangebot zwang die Anbieter zu erheblichen Preisnachlässen.

Der Automarkt erholt sich inzwischen wieder im Einklang mit der Gesamtwirtschaft. Im Juli 2014 wurden etwa 7% mehr Personenwagen verkauft als im Vorjahreszeitraum. Verhaltener verlief die Erholung des Lastwagenmarktes, der im Juli nach 27 Monaten konsekutiven Schrumpfens 2% wuchs. Das japanische Finanzhaus Nissan geht davon aus, dass die Zahl der verkauften neuen Lastwagen im nächsten Jahr 6% und 2016 rund 40%  ansteigen wird.

Positive Gewinntrends

Das dürfte sich auch auf die Gewinne der Unternehmen auswirken. In Indien sind die Preise für neue Nutzfahrzeuge auch inflationsangepasst leicht gestiegen. Ashok Leyland hat für Oktober erhebliche Preissteigerungen angekündigt. Der weiterhin von der Gründerfamilie kontrollierte Branchenprimus Tata Motors konnte den Gewinn im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal auf 54 Mrd. Rupien (umgerechnet rund 830 Mio. Fr.) verdreifachen.

Für das gute Ergebnis waren vor allem Jaguar und Land Rover verantwortlich, die ihren Absatz in China besonders schnell steigern konnten. Seit Bekanntgabe des Ergebnisses hat die Aktie rund 10% gewonnen. Auf dem Heimmarkt weht dem in Mumbai beheimateten Autobauer, der es auf eine Marktkapitalisierung von 25 Mrd. $ bringt, mit dem Verlust von Marktanteilen indes weiterhin Wind ins Gesicht.

Doch konnte Tata Motors seine Position in dem vom Verwaltungsratsvorsitzenden Cyrus P. Mistry als besonders kritisch bezeichneten Bereich der mittelschweren und schweren Lastwagen behaupten. Gut verlief auch die Geschäftsentwicklung der südkoreanischen Tochter Tata Daewoo Commercial Vehicles, die ihren Umsatz im Vorjahr vor allem dank den flotten Verkäufen auf dem Heimmarkt 5% steigern und damit die fehlende Nachfrage aus Vietnam, Russland oder auch Südafrika wettmachen konnte.

Das chinesische Brokerhaus CLSA wie auch der japanische Finanzkonzern Nomura empfehlen die Tata-Aktien, die in den USA als American Depositary Receipts (ADR) kotiert sind. Dieselbe Empfehlung gilt für die Titel des lokalen Wettbewerbers Ashok Leyland. Während Tata Motors in – einer längst aufgelösten – Zusammenarbeit mit Daimler 1954 erstmals Lastwagen baute, stieg Ashok Mitte der Fünfzigerjahre dank einer strategischen Beteiligung des britischen Lastwagenanbieters Leyland Motors in den Nutzfahrzeugmarkt ein. Die Wurzeln von Eicher gehen auf einen in den Dreissigerjahren in Bayern gegründeten Traktorenbauer zurück. Eicher konnte in den vergangenen drei Jahren dank einem Joint Venture mit  Volvo (VOLV A 79.7 -0.87%) Marktanteile gewinnen.

Neue Wettbewerber

Ashok Leyland, das seinen Hauptsitz wie Daimler Indien im südindischen Teilstaat Tamil Nadu hat, wird vom heimischen Mischkonzern Hindaju Group kontrolliert. Das einzig auf Nutzfahrzeuge spezialisierte Unternehmen wurde in den Achtzigerjahren vom italienischen Autobauer Iveco und der Hindaju Group gerettet. 2007 haben die Inder die Anteile ihres italienischen Partners übernommen. Nur ein Jahr später bildet Ashok Leyland mit dem japanischen Industriekonzern ein auf den Bau von grossen Lastwagen spezialisiertes Gemeinschaftsunternehmen.

Jetzt, wo die Wirtschaft dank der von der neuen Regierung lancierten Reformen an Fahrt gewinnt, könnte in diesem Segment eine besonders hohe Nachfrage anfallen. Zum einen, weil in Indien erneut mehr in den Bergbau investiert wird. Vor allem aber sollen die Infrastruktur- und die Verteidigungsausgaben deutlich hochgefahren werden. Somit steht die Branche vor einem Wachstumsschub. Allerdings drängen auch neue Wettbewerber auf diesen Zukunftsmarkt. Es wird sich weisen, ob Unternehmen wie Ashok Leyland, Eicher oder auch Tata Motors es verstehen werden, das Potenzial zu ihren Gunsten auszuschöpfen.

Thailands Zulieferer drängen auf den MarktDie zweitgrösste südostasiatische Volkswirtschaft ist in wenigen Jahren zum global neuntgrössten Automobilproduzenten aufgestiegen. Mit 1,3 Mio. Einheiten im Vorjahr hat Thailand sogar Italien überholt. Der Auslandsmarkt dürfte zunehmend an Gewicht gewinnen, denn in Südostasien fallen Ende 2015 mit dem Inkrafttreten einer Wirtschaftsgemeinschaft die letzten Tarifbarrieren weg. Die Exporte waren vor allem in den vergangenen Monaten von Bedeutung, als Thailand von politischen Unruhen erschüttert wurde.

Im Segment der Lastwagen, die weniger als eine Tonne wiegen, hat Thailand bereits 2005 die USA von ihrem ersten Platz verdrängt. Ford, Isuzu oder auch Mitsubishi haben ihre globale Produktionsplattform für Pick-ups nach Thailand verlegt. Von Laem Chabang Port, dem nach Singapur grössten Seehafen Südostasiens, werden die Kleinlaster dann in alle Welt verschifft. In Thailand sind von Toyota über Mercedes-Benz bis Ford fast alle bedeutenden Marken präsent. Hier werden unter anderem aber auch Dukati- und Triumph-Motorräder zusammengebaut. Das Land wird das «Detroit Südostasiens» genannt. Allerdings gibt es einen Unterschied, wie der Besuch mehrerer Montage- und Zulieferwerke auf Einladung der thailändischen Investitionsbehörde BOI zeigte. Mit Thai Rung hat das Land nur eine einzige heimische Automarke. Der Geländewagen basiert auf einem Modell des japanischen Herstellers Isuzu. Das Kerngeschäft des an der Börse Bangkok kotierten Unternehmens Thai Rung besteht vor allem in der lokalen Montage ausländischer Marken wie Chevrolet oder Nissan.

Anders als etwa Malaysia hat Thailand nie die Schaffung lokaler Automarken gefördert. Weil in diesem Segment keine einheimischen Unternehmen vor der Konkurrenz geschützt wurden, entwickelte sich das Land vor allem für die japanische globale Automobilindustrie zum bevorzugten Investitionsstandort. Japan bleibt vor allem wegen seiner starken Präsenz in der Branche mit einem Anteil von rund 30% der grösste ausländische Direktinvestor in Thailand. Die Investitionsbehörde wirbt indes nicht nur mit den im Vergleich zu Standorten in Japan, Europa oder den USA tiefen Löhnen, sondern auch mit langjährigen Steuerprivilegien und zollfreien Zonen. Im Gegenzug zu solchen Begünstigungen müssen sich die Fahrzeugbauer dazu verpflichten, 40% der Wertschöpfung in Thailand zu erbringen. So sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht nur hunderttausende von Arbeitsplätzen geschaffen worden, sondern – was langfristig noch wichtiger ist – vor Ort ist auch eine Zulieferindustrie entstanden. Mit grossen Werken präsent sind etwa Continental aus Deutschland oder Teneco aus den USA oder auch die japanische Maschinenfabrik OKK. Nach wie vor forschen und entwickeln die ausländischen Unternehmen aber vor allem ausserhalb Thailands. Dagegen drängen seit einiger Zeit nationale Zulieferer auf den Markt. Zu ihnen zählen der seit Mitte der Neunzigerjahre an der Börse Bangkok kotierte Batterieproduzent Thai Storage Battery. Das Start-up-Unternehmen ThaiGerTec entwickelt elektronische Steuerungssysteme.

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