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16:51 Uhr - 20.01.2015

«SNB beschleunigt Konsolidierung»

«Durch den SNB-Schock wird sich die Konsolidierung in der Vermögensverwaltungsbranche beschleunigen», sagt Bär-CEO Boris Collardi als Präsident der Vermögensverwaltungsbanken gegenüber der FuW.

Herr Collardi, die Frankenstärke und die Negativzinsen machen Privatbanken und Vermögensverwaltern das Leben schwer. Ist das der Anfang der grossen Konsolidierung?
Der SNB-Schock ist nicht der Auslöser, aber ein weiterer Faktor dafür, dass sich die Konsolidierung in der Vermögensverwaltungsbranche beschleunigen wird. Die Kosten vieler Privatbanken und Vermögensverwalter fallen fast zu 100% in Franken an, während der Ertrag teilweise zu 80, 90 oder 100% in Fremdwährungen erzielt wird – Einnahmen, die sich nun auf einen Schlag um 15 oder 20% reduzieren. Banken, die vorher ein Kosten-Ertrags-Verhältnis von 80 oder 85 hatten, könnten nun in den negativen Bereich geraten – was nicht nachhaltig ist und sein kann.

Was können die Privat- und Vermögensverwaltungsbanken in dieser Situation tun?
Wie jedes Exportunternehmen müssen sie genau prüfen, welche Teile der Wertschöpfung ausserhalb des Frankenraums erbracht werden können. Vermehrt Kosten ausserhalb des Landes anfallen zu lassen, ist für eine Privat- oder Vermögensverwaltungsbank nicht einfach, unmöglich ist es jedoch keinesfalls.

Im Vordergrund scheint hier die IT zu stehen. Sie haben in der Vergangenheit gegenüber dieser Zeitung anklingen lassen, dass es für Julius Bär denkbar ist, einen Teil der Informatik im Ausland, vorzugsweise in Asien, anzusiedeln. Gilt diese Aussage noch immer?
Wir werden unsere Absichten in Sachen IT-Erneuerung an der Bilanzpressekonferenz am 2. Februar kommunizieren. Ganz grundsätzlich kann festgestellt werden, dass der Frankenschock wie erwähnt dazu führen wird, dass Aktivitäten vermehrt ausserhalb der Schweiz angesiedelt werden müssen. Es muss eine gesunde Balance zwischen Einnahmen und Ausgaben bestehen. Offensichtlich ist auch, dass in der Branche bezüglich Banken-IT Überkapazitäten bestehen und mehrere Banken diese Leistungen auch extern verkaufen. Es macht vor diesem Hintergrund überhaupt keinen Sinn, eine weitere Plattform mit Überkapazitäten zu schaffen.

Lässt sich die Konsolidierung durch solche Massnahmen aufhalten? Wie viele Institute werden in welchem Zeitrahmen betroffen sein?
Ich glaube nicht, dass sich die Konsolidierung unter den Vermögensverwaltern durch die Verschiebung der Kostenblöcke aufhalten lässt. Allenfalls werden solche Massnahmen aber bremsend wirken. Es ist ja auch Tatsache, dass die Konsolidierung schon vor mehreren Jahren begonnen hat, und sie wird noch mehrere Jahre dauern. Zwischen 2005 und 2013 hat sich die Zahl der Institute bereits von 182 auf 139 reduziert. Bis 2020 wird sie wohl weiter auf 100 schrumpfen.

Wird die Konsolidierungswelle nur Vermögensverwalter und Privatbanken erfassen?
Nein, ich gehe davon aus, dass auch Grossbanken betroffen sein werden – allerdings nicht in der Schweiz, sondern im Ausland und aus ganz anderen Gründen: Der Kapitalbedarf für solche Banken wird weiter steigen, was die eine oder andere zum Handeln zwingen wird. Übernahmen und Fusionen können die Folge sein. Wir werden im Banking meiner Meinung nach auch eine klare Segmentierung sehen. Einerseits die Institute, denen es gelingt, mit ausgewählten Leistungen eine hohe Wertschöpfung zu erzielen. Andererseits diejenigen, die standardisierte Versorgungsdienstleistungen erbringen werden.

Welche kurz- und mittelfristigen Folgen erwarten Sie vom SNB-Schock?
Hier sollten die nächsten Tage und dann spätestens die Zahlen für das erste Quartal Klarheit schaffen. Der SNB-Entscheid hat verschiedene Auswirkungen. Zuerst einmal hatte der Kursrückgang zur Folge, dass Anleger, die sich auch mit Lombardkrediten finanzieren, zum Erbringen neuer Mittel aufgefordert wurden. Das sollte kein Problem sein. Schwieriger wird es für Institute, die im Währungshandel ihren Kunden einen grossen Hebel erlaubten. Hier sind teilweise wohl auch Privat- und Grossbanken betroffen. Und dann stellt sich für grössere Banken, die Plattformen betreiben, die Frage nach den Folgen des Handelsunterbruchs. Welche Kurse konnten zu welchem Zeitpunkt gestellt und verrechnet werden? Wann kam es zu Unterbrüchen? Hier wird gerade auf Grossbanken etwas zukommen.

In welcher Art und Weise ist Ihr Institut, Julius Bär, tangiert? Am Donnerstag und Freitag brachen Julius Bär an der Börse insgesamt 25% ein, was aufhorchen lässt.
Wir haben bereits am Montagmorgen kommuniziert, dass wir keine Verluste verzeichnet haben. Die Kursreaktion in unseren und anderen Titeln hat einen einfachen Grund: Analysten und Anleger sind aufgrund des erwähnten Spannungsfeldes zwischen den Einnahmen in ausländischen Währungen und den Ausgaben in Franken zum Schluss gekommen, dass eine Korrektur angebracht war. Man muss allerdings auch wissen, dass in solchen Situationen zuerst einmal mehr oder weniger blind verkauft wird. Später, und nach der Analyse der tatsächlichen Gegebenheit, kommt es zu einer seriöseren Entscheidungsfindung. In dieser Phase befinden wir uns nun, und der Kurs zieht auch wieder an.

Anleger müssen sich über Julius Bär und andere Vermögensverwaltungsbanken also keine Sorgen machen?
Über Julius Bär (BAER 37.34 2.16%) ganz sicher nicht. Wir werden, wie ich habe anklingen lassen, nicht untätig bleiben, sondern unseren Kostenblock in Franken laufend überprüfen. Zudem werden wir auch anderen Kosten prüfen. Ich kann mir vorstellen, dass wir beispielsweise unser Programm, wonach Mitarbeiter ihr Pensum reduzieren können, wieder aktivieren. Für die gesamte Branche wird der SNB-Schock ein Weckruf sein.

Die Privatbanken beklagen sich über den Negativzins. Was ist aus Sicht der Vermögensverwaltungsbanken dazu zu sagen?
Entsprechend den nun von der Nationalbank publizierten Regeln sind wir und andere Vermögensverwaltungsbanken genauso wie die Grossbanken nicht betroffen. Die Privatbanken sind jedoch tangiert. Ob sie diese Negativzinsen direkt und offen den Privatkunden weitergeben können, muss sich weisen. Wenn diese bei Konkurrenzinstituten nichts bezahlen müssen, werden sie sich wohl kaum zu einer solchen Massnahme zwingen lassen. Das alles ist unglücklich und auch etwas unfair. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass die Nationalbank auf den Entscheid zurückkommen wird. Auch die Negativzinsen werden letztlich den Konsolidierungsdruck in der Branche erhöhen.

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