Zur Premiere von CNN Money Switzerland spricht Banker Boris Collardi über die Bedeutung der Technologie im Banking. Wurde er vom Saulus zum Paulus?
«Ich gehe nicht nach Davos», sagte Boris Collardi auf eine entsprechende Frage von Moderatorin Hannah Wise. Am Mittwochabend startete der TV-Sender CNN Money Switzerland sein Programm. Der auf die Schweiz ausgerichtete englischsprachige Wirtschaftskanal brachte zur Premiere ein ausgedehntes Interview mit Boris Collardi, der im Dezember überraschend als CEO der Julius-Bär-Gruppe zurücktrat und im Juni als Partner zur Genfer Privatbankengruppe Pictet stossen wird.
Kein Angestellter mehr
«Wenn ich nach Davos gehen würde, würde ich US-Präsident Trump fragen, was er vom Niveau der Finanzmärkte hält.» Collardi ging 2006 von der Credit Suisse (CSGN 18.53 0.32%) zu Bär und übernahm dort 2009 dem Posten des CEO. Wieso wechselt er die Stelle und arbeitet künftig statt als CEO der grössten spezialisierten Vermögensverwaltungsbank der Schweiz (Bär) bei der zweitgrössten (Pictet) als Partner? Collardi: «Sie können ein guter CEO sein, aber sie bleiben ein Angestellter.» Künftig ist Collardi Bankier und nicht mehr Banker.
Die Zeit bis zum Startschuss bei Pictet im Juni scheint der 44-Jährige zu geniessen. Er verbringe sie mit ausgedehnten Reisen und damit, einiges zu lernen. So habe er sich vor ein paar Tagen in London über «Influencer Marketing» schlau gemacht. «Die Technologie wird entscheiden, ob ein Unternehmen überlebt oder scheitert», prognostiziert Collardi. Blockchain bezeichnete er als «ein hervorragendes Stück Technologie und eventuell die beste Erfindung der letzten zehn Jahre». In fünf bis zehn Jahren würden sich die führenden Unternehmen vom Rest darin unterscheiden, wie sie Technologie anwenden und Daten nutzen.
Diese Aussagen sind insofern bemerkenswert, als Collardi bei Bär vor allem auf Wachstum und Akquisitionen setzte und die Infrastruktur eher vernachlässigte. Julius Bär (BAER 64.18 -0.5%) ist eine der letzten Banken, die noch an einer Migration auf eine moderne IT-Plattform arbeitet.
Alles auf Blockchain
Etliche Banken würden Blockchain im Bereich der Transaktionen bereits nutzen, weiss Collardi. «In drei bis fünf Jahren werden alle Transaktionen auf Blockchain basieren», ist er überzeugt. Über Bitcoin äusserte der Banker sich skeptisch: «Das ist eine berühmte Blockchain-Anwendung, aber niemand versteht die Dynamik, die dahinter steckt.»
Während die Transaktionen bald mittels Blockchain abgewickelt würden, glaubt Collardi nicht, dass Technologie den Kundenberater überflüssig machen wird . Vielleicht werde das Robo-Advising eine Rolle spielen. «In der Beratung bleibt der menschliche Kontakt unersetzlich, denn er ist die Grundlage des Vertrauens.»
Schweiz gut positioniert
Seit der Finanzkrise befinde sich die Schweizer Bankbranche im Umbruch, sagte Collardi. Nun sei die erste Phase der Transformation vorbei, die insbesondere durch die Übernahme internationaler Standards, das Tiefzinsumfeld und eine Konsolidierung innerhalb der Bankbranche gekennzeichnet waren. Jetzt laufe die zweite Phase, in der es darum gehe, dass die Banken Marktzugang zu Europa erhalten und die technologischen Herausforderungen meistern.
«In Sachen Technologie ist die Schweiz ist auf dem richtigen Weg», gab sich Collardi überzeugt. Ob das Land die Führungsrolle einnehme oder den zweiten Rang, sei vor allem eine Frage der regulatorischen Rahmenbedingungen. Alle Voraussetzungen seien vorhanden: Der Wille, das Know-how und das Kapital.
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