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10:41 Uhr - 18.02.2015

«Man braucht einen Hochsicherheitstopf»

Stephan Kuhnke, Vorstandschef und Leiter Portfoliomanagement der Bantleon Bank, geht mit Unternehmensanleihen aus der Europeripherie auf Renditepirsch.

Herr Kuhnke, die griechische Regierung ist auf Konfrontationskurs und fordert einen Schuldenschnitt. Wird es dazu kommen?
Wir glauben, dass es nicht zu einem  Schuldenschnitt kommen wird, denn die Europäische Zentralbank darf gar nicht auf Schulden verzichten; die öffentlichen Institutionen werden das auch nicht tun. Es gibt Verträge, und wer Teil der Eurozone ist, hat sie einzuhalten. Vielleicht wird Griechenland nochmals eine Laufzeitverlängerung gewährt – die durchschnittliche Laufzeit liegt aber ohnehin schon bei dreissig Jahren. Auch könnte ich mir nochmals eine Zinssenkung vorstellen.

Zur PersonStephan Kuhnke ist Vorstandschef und Leiter des Portfoliomanagements der Bantleon Bank.

Die Marktzinsen für griechische Staatsanleihen sind seit Herbst markant gestiegen.
Die bilateralen Kreditverträge aus dem ersten Rettungspaket zwischen den Eurostaaten und Griechenland legen als Konditionen Libor plus 50 Basispunkte zugrunde. Hier könnte man vielleicht auf die «plus 50» verzichten. Aber die durchschnittliche Zinslast Griechenlands liegt auch im Moment nur noch bei minimalen 2,4% – Deutschland als Triple-A-Schuldner muss dagegen 2,5% aufbringen.

Tsipras will Geld ausgeben, das er nicht hat, entlassene Staatsdiener wieder einstellen. Der Krach mit Brüssel ist programmiert?
Das wird ein grösseres Problem sein, als neue Kreditkonditionen durchzusetzen. 9000 entlassene Staatsdiener zurückzuholen, die allgemeine ärztliche Versorgung und auch den Lebensstandard der Bevölkerung zu verbessern – das alles erhöht das Defizit, denn Tsipras hat noch keine Gegenfinanzierung. Einer Erhöhung des griechischen Haushaltsdefizits wird die EU nicht zustimmen.

In Europa ist die Schweiz ein sicherer Hafen. Wo sehen Sie die Marktzinsen zehnjähriger «Eidgenossen» in einem Jahr?
Nach dem SNB-Entscheid waren die Renditen vorübergehend stark im negativen Bereich. Lassen Sie mich vom aktuellen Niveau von 0,1% für zehnjährige Fälligkeiten ausgehen: Wir werden einen moderaten Zinsanstieg sehen. Das klingt nicht sonderlich spannend, weil es dem Konsensus entspricht. Aber viel mehr als einen Renditeanstieg um circa 50 Basispunkte auf 0,6% können wir uns derzeit kaum vorstellen.

Wie begründen Sie Ihre Prognose eines moderaten Zinsanstiegs?
Wir haben eine positive Wachstumsprognose für die Eurozone mit zunehmender Dynamik im Jahresverlauf 2015. Diese Annahme gründet einmal auf den jüngsten  EZB-Massnahmen, die in den nächsten Quartalen ihre ganze Wirkung entfalten werden. Dazu kommen die Abwertung des Euros zum Dollar, die die europäische Exportindustrie ankurbelt, und nicht zuletzt die Halbierung des Rohölpreises seit Sommer 2014. Da bleibt dem Verbraucher mehr Geld für den Konsum. Vor diesem Hintergrund werden die Zinsen für Staatsanleihen aus den Kernländern der Eurozone leicht steigen und die «Eidgenossen» mit nach oben ziehen.

Der Transmissionsriemen in der Geldpolitik kommt also in Schwung, die Verbraucher konsumieren mehr?
Ja, und die Unternehmen investieren mehr, weil die Energiekosten und die Zinsen ohnehin niedrig sind. Wir sind positiv, was das Wachstum der Eurozone angeht. Langfristig wirkt sich die Konjunkturdynamik auch auf die Marktzinsen aus. Die sollten somit in der Eurozone steigen.

Könnte damit der Aufwertungsdruck auf den Franken abnehmen?
In diesem Umfeld könnte sich der Wechselkurs bei 1.10 Fr./€ stabilisieren. Dann könnten auch die Renditen der «Eidgenossen» anziehen.

Bis es so weit ist, was sollen Anleger tun?
Vorweg: Ohne einen Hochsicherheitstopf an sicheren Staatsanleihen geht es nicht. Verschiedene Anleger wie Pensionskassen sind geradezu dazu verdammt, auch Anleihen mit einer negativen Rendite zu kaufen. Den Ertrag steigern kann man aber nur, wenn man gleichzeitig das Risiko erhöht. Dazu könnte man einmal in Staatsanleihen aus der Europeripherie investieren – die EZB macht’s mit ihrer Aufkaufoption möglich. Doch Papiere aus Italien und Spanien bieten auf Sicht von zehn Jahren gerade mal 1,6%. Das Peripherierisiko wird nicht üppig entschädigt.

Was bleibt einem Anleiheninvestor noch?
Wenn Sie keine Negativrenditen von «Eidgenossen» oder deutschen Bundesanleihen wollen, bleiben neben Peripherieanleihen nur Unternehmensobligationen. Wir sprechen hier von soliden Corporates. Aber auch dort bekommen Sie, nachfragebedingt, im unteren Bereich der Anlagequalität in fünfjährigen Fälligkeiten nur noch gut 1%.

Und wie steht es mit dem riskanteren Hochzinsbereich?
Man sollte nie pauschal sagen: Ich investiere in Hochzinsanleihen. Hier müssen Sie gezielt Emittenten und einzelne Anleihen auswählen. Wir haben in unseren Fonds Hochzinspapiere nur als Beimischung. Den Anteil haben wir in den letzten Wochen moderat ausgebaut. Unsere Auswahlkriterien sind streng. Mit derartiger Selektion können Sie aber auch heutzutage mit High Yield noch eine Vier vor dem Komma als Rendite bekommen.

Sie sprechen von High-Yield-Papieren aus der Eurozone?
Ja, russische Schuldner oder US-Emittenten aus dem Energiesektor sind nicht inbegriffen. Es gibt im Moment eigentlich nur noch zwei Anlageklassen: Die eine ist ohne Risiko – mit null bzw. negativer Rendite –, die andere hat Risiko und Rendite.

Die Finanzmärkte neigen zu überzogenen Ausschlägen. Wie gehen Sie damit um?
Auf lange Sicht setzt sich immer der Konjunkturzyklus als Taktgeber durch. Man muss nur in der Zwischenzeit bereit sein, Schwankungen zu tolerieren.

Die individuelle Risikofähigkeit gibt den Ausschlag?
Das Problem der gegenwärtigen Phase extrem niedriger oder gar negativer Zinsen ist, dass Investoren Anlagen kaufen, die nicht ihrem Risikoprofil entsprechen. Weil sie einfach gezwungen sind, einen positiven Ertrag zu generieren. Sie sind dann aber auch die Ersten, die verkaufen, sobald in diesen Risikoanlagen Stress aufkommt. Sie verstärken damit den Abwärtstrend.

Niedrige Zinsen sind demnach ungesund für das System der Finanzmärkte?
Das kann man so sagen. Der niedrige Zins verstärkt die Probleme der Kapitalanlage und erhöht die Volatilität. Diese Situation wird uns noch eine ganze Weile begleiten.

Was bedeutet das für Portfoliomanager?
Man muss die Allokation – die strategische wie die taktische Aufteilung nach Anlageklassen – so wählen, dass man sich das daraus resultierende Risiko auch leisten kann. Und man muss sein Portfolio vor allen Dingen aktiv bewirtschaften. Kaufen, halten und den Coupon vereinnahmen reicht heutzutage nicht mehr. Es gibt ja keinen Coupon mehr. Im Grunde genommen wollen uns die EZB und andere Notenbanken mit ihrer Liquiditätsschwemme in risikobehaftete Anlagen treiben: Wir sollen in Unternehmensanleihen und Aktien investieren, um über diesen Mechanismus den Konsum, die Investitionen zu beleben und Wachstum zu schaffen.

Bleibt also nur die aktive Bewirtschaftung. Ist dies mit einem Schweizer Obligationenportfolio noch zu machen?
Investoren sind aus Gründen der Liquidität gezwungen, über die Landesgrenzen hinaus zu schauen. Man muss sich dem Euroraum öffnen, auch US-Treasuries mit einbeziehen. Ich würde im Moment auf die Absicherung des Frankens gegen den Euro verzichten, weil ich von einer Stabilisierung der Eurozone ausgehe.

Wie würden Sie im Moment ein globales Anleihenportfolio bestücken?
Notwendig ist auf jeden Fall ein Anteil an US-Treasuries – auch wenn die Notenbank Fed in einigen Monaten die Leitzinsen anhebt. Staatsanleihen sollten etwa 40% ausmachen, einschliesslich höher verzinslicher Papiere aus der Europeripherie. Einen kleinen Renditeaufschlag bieten auch Covered Bonds, also Pfandbriefe, die wir mit 20% gewichten würden. In  Unternehmensanleihen mit Anlagequalität würden wir  knapp 30% investieren. Dort liegt der Schwerpunkt im unteren Bereich der Anlagequalität – im Wesentlichen BBB.

Ist ein solch tiefes Rating nicht zu riskant?
Das können teilweise Papiere aus der Europeripherie sein, dort gibt es gute Unternehmen mit solider Bilanz und gutem Ertragspotenzial, die wegen ihrer Herkunft einen Renditeaufschlag bieten müssen. Mit 10% gewichten würde ich ausgesuchte Corporates unterhalb der Anlagequalität, etwa BB. In diesem Segment lassen sich vor allem in kürzeren Laufzeiten ganz schöne Coupons kassieren, etwa 2,6 bis 4%. Lassen Sie mich eines klarstellen: Das ist nicht die Allokation für die nächsten zwölf Monate. Man muss bereit sein, jederzeit auf Änderungen zu reagieren.

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