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07:53 Uhr - 03.07.2015

Die ersten Vorboten der Zinswende

Die Zinsen bleiben am Geldmarkt tief bzw. negativ und könnten bei länger laufenden «Eidgenossen» etwas steigen. So lauten die Zinsprognosen der von FuW monatlich befragten Ökonomen von UBS, Credit Suisse, ZKB, Julius Bär und Raiffeisen Schweiz.

Griechenland und das Athener Referendum am Wochenende könnten zwar kurzfristig für eine gewisse Unordnung sorgen, nachhaltig dürfte dieser Einfluss aber nicht sein, prognostizieren die befragten Ökonomen. Der Tenor lautet: Schon in drei Monaten dürften sich die fundamentalen Faktoren wieder in den Vordergrund schieben, damit werden die langfristigen Zinsen steigen, und die Zinskurve wird am lange Ende leicht angehoben. Die ersten zaghaften Vorboten einer globalen Zinswende kündigen sich an.

[info 1R]Für die kurzfristigen Zinsen lässt Karsten Linowsky, Zinsstratege der Credit Suisse (CSGN 27 2.04%) (CS), die Prognose unverändert. Die Schweizerische Nationalbank (SNB (SNBN 1223 -0.97%)) müsse nach wie vor am Markt aktiv sein, um eine weitere Aufwertung des Frankens zu verhindern. Diese permanente Interventionsbereitschaft halte die kurzen Schweizer Zinsen tief.

Die Prognose der CS für die zehnjährigen «Eidgenossen» auf Sicht von drei Monaten wurde dagegen leicht nach oben verändert. Diese Anpassung basiere auf dem Zinsanstieg der vergangenen zwei Monate sowie auf «unserer Einschätzung, dass dieser Trend an den internationalen Bondmärkten aufgrund positiver wirtschaftlicher Entwicklungen weitergehen könnte», argumentiert Linowsky.

Fundamentale Grenze

Dass die eidgenössische Zinskurve im Juni gegenüber Mai am langen Ende gestiegen sei, sei der Korrelation (Gleichlauf) mit den deutschen Bundesanleihen zuzuschreiben, stellt UBS-Stratege Philipp Schöttler fest. Allerdings fiel der Anstieg der Schweizer Kurve gemässigter aus als beim deutschen Pendant.

Das kurze Ende der Schweizer Kurve bleibe dagegen durch die stabile Geldpolitik der SNB auf der bisherigen negativen Position «fest verankert», erklärt Schöttler. Die SNB werde voraussichtlich auch weiter auf negative Einlagenzinsen setzen und bei Bedarf gelegentlich am Devisenmarkt intervenieren, um zu verhindern, dass sich die Währung zu sehr aufwertet. «Die Zinsen auf Sichtguthaben werden vermutlich nicht unter –0,75% sinken, da sonst die Pensionskassen und der Bankensektor Schaden nehmen könnten», sagt Schöttler.

Doch die SNB werde die Einlagenzinsen auch nicht anheben können, bevor die EZB ihr Anleihenkaufprogramm in der zweiten Jahreshälfte 2016 beende, erklärt Schöttler. Fundamental – gemessen an der Inflation und der Arbeitslosenquote – seien «deutlich höheren Schweizer Zinsen in den nächsten Monaten Grenzen gesetzt». Bedingt durch die Veränderungen bei den europäischen Zinsen habe UBS (UBSG 20.56 0.69%) die Renditeprognosen für die zehnjährigen «Eidgenossen» auf Sicht von drei, sechs und zwölf Monaten um jeweils 30 Basispunkte (100 Bp = 1 Prozentpunkt) angehoben. Am kurzen Ende bleibe alles beim Alten.

Seitwärts

Auch David Marmet, Leiter Volkswirtschaft der Zürcher Kantonalbank (ZKB), hat bei den Kurzfristzinsen keine Änderung vorgenommen. Nicht zuletzt die Lage in und um Griechenland werde die EZB veranlassen, ihr Ankaufprogramm wie vorgesehen bis mindestens September 2016 durchzuziehen. Entsprechend sei der Handlungsspielraum der SNB eingeschränkt, sie werde bei Bedarf am Devisenmarkt intervenieren.

Das Zinsband der SNB für den Dreimonats-Libor bleibe in den nächsten zwölf Monaten unverändert. «Dennoch wird gegen Ende des Prognosehorizonts der Libor leicht steigen», sagt Marmet voraus, und zwar in Erwartung einer weniger expansiven Geldpolitik der EZB – was wiederum auch im Schweizer Markt Niederschlag finde.

Bei den längerfristigen Zinsen könne es in den nächsten Tagen zwar «durchaus rütteln», je nach Ausgang des Referendums in Griechenland – falls es denn stattfinde. Die Zinsen könnten dann kurzfristig sinken. In drei Monaten werde sich der Nebel um Griechenland aber schon ein wenig gelichtet haben, sodass bei den Renditen der zehnjährigen «Eidgenossen» eine Seitwärtsentwicklung zu erwarten sei.

Vorboten der Wende

Keine Prognoseänderung gegenüber dem Vormonat nimmt Janwillem Acket, Chefökonom von Bank Julius Bär (BAER 53.35 0.09%), vor. Im kurzfristigen Bereich habe die SNB an ihrem letzten geldpolitischen Ausblick deutlich signalisiert: Um die Attraktivität des Frankens zu schwächen, gebe sie derzeit – angesichts der Anspannungen an den Märkten wegen der Griechenlandkrise – Devisenmarktinterventionen den Vorzug gegenüber noch tieferen Negativzinsen. «Die heutigen Negativzinsniveaus tun schon vielen institutionellen Anlegern weh und sind auch für die Banken nicht ganz unproblematisch», merkt Acket an.

Im langfristigen Bereich deuteten die «Renditehüpfer» der vergangenen Monate auf eine global allmählich um sich greifende Zinswende hin, sagt Acket. Die Anzeichen mehrten sich, dass der globale säkulare Abwärtstrend der langfristigen Zinsen der Staatsobligationen seit 1981 nun – nach den USA Mitte 2012 – dieses Jahr auch in Europa zu Ende gehe und einem längerfristigen Aufwärtstrend Platz mache. «Wir haben daher keine Veranlassung, diesen leichten Aufwärtstrend in unseren Renditeerwartungen für eidgenössischen Obligationen anzupassen», fasst der Chefökonom zusammen.

Normalisierung geht weiter

Domagoj Arapovic von Raiffeisen Schweiz geht davon aus, dass unabhängig davon, wie das Schuldenpoker um Griechenland ausgeht, die Ungewissheit an den Märkten im weiteren Jahresverlauf wieder abnehmen dürfte. Die Konjunkturerholung in der Eurozone sei unterdessen weiter auf Kurs. Somit halte Raiffeisen an der bisherigen Prognose eines schwächeren Frankens fest und sehe den Eurokurs in drei Monaten bei 1.07 Fr./€ und in zwölf Monaten bei 1.14 Fr./€. Demnach bleibe auch die Libor-Prognose unverändert.

Die Kapitalmarktzinsen seien seit April klar gestiegen. Die Normalisierung des übertrieben tiefen Renditeniveaus dürfte sich weiter fortsetzen. «Wir haben deshalb unsere Zwölfmonatsprognose für zehnjährige Bundesobligationen von 0,5 auf 0,6% angehoben», sagt Arapovic.

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