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09:44 Uhr - 17.09.2014

«Wir setzen auf nachrangige Anleihen»

Emmanuel Petit, Anleihenmanager bei Rothschild, wird auf der Suche nach Rendite in Europa fündig, wie er im Interview mit der FuW ausführt.

Herr Petit, wie ist die gegenwärtige Verfassung des europäischen Anleihenmarktes?
Wir befinden uns in einem günstigen Teil des Zyklus. Ich sehe uns in der dritten von vier Phasen. Eine weitere Verengung der Spreads um 30 bis 40 Basispunkte ist aus heutiger Sicht jedoch nicht sehr wahrscheinlich. Dies, weil die Spreads bei Staatsanleihen im Vergleich zu den Jahren 2005 bis 2007 schon tief sind und eine Art Boden bilden. Die Vergangenheit hat ausserdem gezeigt, dass in Zeiten, wo es gut für Aktien läuft, es nicht zwangsläufig schlecht für Bonds laufen muss. Emmanuel Petit, Anleihenmanager bei Rothschild, findet seine Anlageideen abseits der ausgetretenen Pfade. Bild: ZVGVielleicht sehen wir aufgrund einer nachlassenden Schuldendisziplin aber bald mehr Volatilität. Global sollte dies aber nicht zu einer Verschlechterung des Kreditmarktes führen.

Gehen die Spreads weiter zurück?
Ja, bis nächstes Jahr wohl noch leicht. In unserem Basisszenario gehen wir davon aus. Viel hängt von den  US-Zinsen ab. Für die Zeit nach der Anhebung des US-Zinsniveaus gibt es verschiedene Szenarios. Bleiben die Zinsen dann weiter niedrig oder steigen sie nur mässig, werden sich die Investoren weiter auf die Suche nach Rendite machen. Das hat zur Folge, dass die Spreads wohl bleiben, wie sie heute sind. Steigen die Zinsen jedoch schneller, weil es der Wirtschaft besser geht, erhöhen sich die Margen und der Leverage, was zu höherer Volatilität führt und für den Kreditmarkt weniger gut wäre.

Ist ein rascher Anstieg der US-Zinsen überhaupt realistisch?
Nicht unbedingt. Die US-Zinsen dürften vorerst niedrig bleiben oder nur wenig steigen. Wir haben jedoch viel Liquidität im Markt und könnten im Fall stark steigender Zinsen einen hohen Volatilitätsausschlag erleben. Das gilt besonders für risikobehaftete Assets, etwa High Yield. Sie reagieren besonders mit hohen Kapitalflüssen. Die Normalisierung der US-Geldpolitik, seit längerem in Gang, könnte die kurzfristigen Zinsen stark beeinflussen. Allerdings glauben wir, dass dieser Anstieg kontrolliert abläuft, da das Fed alles dafür unternehmen wird.

Wie sieht Ihr Mittelzufluss aus?
Wir haben seit zwei Jahren einen signifikanten Zufluss: Anfang Jahr waren in unserem auf Europa fokussierten Anleihenportfolio 330 Mio., jetzt sind es 550 Mio. €, Ende 2012 waren es 160 Mio. €. Viele Anleger wollen unbedingt für steigende Zinsen gewappnet sein. Diesem Wunsch tragen wir durch eine aktive Steuerung der Duration Rechnung. zoomWir versuchen die Risikoprämien mitzunehmen, vermeiden aber gleichzeitig das Risiko steigender Zinsen. Derzeit ist unsere modifizierte Duration 1,8, gegenüber mehr als 4 des Marktes.

Steigen die Zinsen demnächst?
Wir gehen davon aus, dass die Zinsen in einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren steigen werden. Das derzeit geringe Renditeniveau berechtigt zur Annahme, dass der Markt eine kommende quantitative Lockerung  durch die EZB und geringe Inflation über einen längeren Zeitraum bereits eingepreist hat.

Also ist das Ende des Zyklus fallender Zinsen doch noch nicht gekommen?
Der Markt könnte von guten Konjunkturnachrichten zum Ende dieses Jahres überrascht werden. Und dann könnte es in den kommenden Monaten zu einem Zinsanstieg um vielleicht 20 bis 50 Basispunkte bei den zehnjährigen Laufzeiten in Europa kommen. Alles, was die EZB tut, geschieht zum Zweck der Wachstumsstimulierung in ihrem Währungsgebiet. Wenn Wachstum zustande kommt, zieht auch die Inflation wieder an.

Das wird aber noch einige Monate dauern?
Genau, aber vergessen Sie nicht, dass der Markt immer versucht zu antizipieren. Wie wir in den letzten zwei Jahren in den USA gesehen haben, wurden die drei monetären Lockerungen, die Quantitative Easings der US-Notenbank, vorweggenommen. Und jedes Mal, wenn die Lockerungen dann tatsächlich eingeführt wurden, sind die Renditen gestiegen.

Antizipiert der Markt auch die EZB-Entscheidungen in gleicher Weise?
Nach der jüngsten Leitzinssenkung durch die EZB und ihrer Ankündigung, im Herbst mit dem Ankauf forderungsbesicherter Wertpapiere, ABS, zu beginnen, war es interessant zu sehen, dass die Zinskurve steiler wurde: Während sich die Rendite der zehnjährigen deutschen Bundesanleihe kaum bewegte, sind die Sätze der zwei- bis fünfjährigen Laufzeiten gesunken. Das heisst, das lange Ende der Zinskurve folgt dem kurzen nicht.

Was hat die Abkoppelung der Laufzeiten zu bedeuten?
Wir interpretieren dies so, dass der Markt zunächst die Auswirkungen der EZB-Beschlüsse auf die Wirtschaft abwartet. Wir können davon ausgehen, dass der europäische Markt den gleichen Weg einschlägt, den der US-Markt während der QE-Programme nahm, sodass steigende Zinsen, vor allem am langen Ende, nun auch in Europa Wirklichkeit werden.

Mit welchen Anlageideen arbeiten Sie gegenwärtig?
Wir sehen derzeit vier Quellen zur Renditeverbesserung: Crossovers BBB-BB, nachrangige Anleihen, Neuemissionen und die europäische Peripherie. Wir diversifizieren derzeit unsere Portfolios in diesem Sinne und können im Hochzinssegment bis zu 10% Portfolioanteil gehen.

Wie steuern Sie die Duration?
Wir fokussieren auf eine Duration von drei bis fünf Jahren. Lang laufende Anleihen zu kaufen, um ihre Duration dann über Futures massiv zu senken, erscheint nicht sinnvoll. Denn wenn sich die langen Sätze erhöhen, dürfte die Zinskurve steiler werden, was sich negativ auf lang laufende Anleihen auswirkt. In einer Zeit des Kampfes um Qualität wäre ich dann von zwei Seiten falsch aufgestellt und hätte nur Volatilität im Portfolio kreiert.

Und was machen Sie am langen Ende – ausser Untergewichtung?
Wenn ich längere Laufzeiten kaufe, dann nur indem ich Risikoprämie kaufe – also Hochzinspapiere und nachrangige Titel. Sollten die Zinsen schnell steigen, wird diese Risikoprämie im Portfolio eine Pufferfunktion übernehmen. Das geht gemäss meinen Anlagerichtlinien aber nur im Umfang von höchstens 20% des Portfolios. Generell ist es herausfordernd geworden, Value zu finden. Aber bei Neuemissionen findet man Gelegenheiten, man muss nur selektieren.

Wie sichern Sie sich am langen Ende gegen das Risiko steigender Zinsen ab?
Zusätzlich zur erwähnten Selektion sichern wir etwa lang laufende französische Staatsanleihen über Futures ab. Der Spread zwischen französischen und deutschen Staatstiteln ist im Moment sehr klein, die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Verengung gering. Deshalb schliessen wir eine Ausweitung als Reaktion der Märkte auf künftige politische Entscheidungen in Paris nicht aus und wappnen uns dagegen. Ich glaube, wir werden in den kommenden Monaten generell etwas mehr Volatilität aufgrund einiger Ereignisse erleben. In diesem Fall habe ich über die Crossovers BBB-BB, Titel ohne Rating oder die High-Yield-Option, die mir das Portfolio einräumt, flexibel die Möglichkeit, Opportunitäten wahrzunehmen.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Wir haben etwa mit Papieren der portugiesischen Banco Espirito Santo (0DQG 0.12 -40.3%) Geld verdient. Vor der Krise hatten wir keine BES-Papiere im Portfolio, dann, während der Krise, haben wir vorrangige BES-Anleihen mittlerer Laufzeiten gekauft. Mit dieser Position verdienen wir jetzt Geld. Solche Opportunitäten suchen wir weiter.

Wo sehen Sie die meisten Gelegenheiten in Europa?
In Italien können Sie kleine Firmen finden mit stabilen Geschäftsmodellen und Finanzkennzahlen. Ein Beispiel ist E.I. Towers, ein kleines Unternehmen, das als Infrastrukturanbieter für TV- und Radiosender die technische Seite der Ausstrahlung von Sendungen besorgt. Es ist auch in der italienischen Öffentlichkeit kaum bekannt. Ein weiteres Beispiel ist das Regionalinstitut Iccrea Banca, Istituto Centrale del Credito Cooperativo. Die Bonität der Iccrea-Obligationen liegt im Bereich BBB; wir halten Titel mit dreijähriger Fälligkeit, die über 3% Rendite abwerfen. Wir suchen unsere neue Ideen ausserhalb des Terrains, auf dem sich die Wettbewerber gemeinhin bewegen.

Abschliessend ein Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie die europäischen und die US-Zinsen Ende 2015?
Dann könnte die zehnjährige deutsche Bundesanleihe zwischen 1,3 und 1,6% rentieren, vergleichbare US-Treasuries sollten dann 3 bis 3,5% erreicht haben.

Wie bewerten Sie die gegenwärtigen politischen Risiken?
Der Konflikt in der Ostukraine scheint derzeit wohl nicht weiter zu eskalieren, es sieht eher nach Beruhigung aus. Langfristig viel nachhaltiger werden die Krisenregion Irak-Syrien und der Kampf gegen den «Islamischen Staat» die Märkte beschäftigen.

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