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11:22 Uhr - 11.11.2015

Die Zinswende wird zur Geduldsprobe

Monatliche Zinsprognose Schweiz: Auf Dreimonatssicht zeigt der Trend bei den zehnjährigen Eidgenossen-Renditen eher wieder abwärts.

Wer auf die Zinswende in der Schweiz wartet, wird auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Die monatlich von FuW befragten Bank-Ökonomen von UBS (UBSG 19.53 -0.46%), Credit Suisse (CSGN 24.06 -0.17%) (CS), Zürcher Kantonalbank (ZKB), Bank Julius Bär (BAER 46.53 0.63%), Raiffeisen Schweiz und St. Galler Kantonalbank (SGKN 357 0%) (SGKB) haben zumeist noch einmal  einen Gang zurückgeschaltet und ihre Prognosen nach unten revidiert. Daran ändert auch der mittlerweile wahrscheinlicher gewordene Beginn der Leitzinserhöhung der US-Notenbank (Fed) noch im Dezember nichts. Die Europäische Zentralbank (EZB) bleibt auf Konfrontationskurs. Die Schweizerische Nationalbank (SNB (SNBN 1112 1.18%)) muss gegenhalten, damit der Franken sich nicht aufwertet. Im Inland bleiben die Konsumgüterpreise historisch tief. Bei solchen Bedingungen ist den Schweizer Zinsen der Weg nach oben versperrt.

Die Schweizer Renditen sind im Oktober gesunken. Dafür ist nach CS-Zinsanalyst Karsten Linowsky die expansive Haltung der EZB massgeblich verantwortlich. Traditionell werde der Einfluss geldpolitischer Lockerungen im Euroraum auf den Schweizer Markt durch den Währungs­kanal bestimmt. Die SNB müsse also möglicherweise weitere Sondermassnahmen ergreifen. Eine blosse Verlängerung oder Erweiterung des QE-Programms der EZB löse nicht zwingend eine Reaktion der SNB aus.

Direkte Konsequenzen

zoomAllerdings habe die EZB auch die Option einer Zinssenkung ins Spiel gebracht – und die hätte direkte Konsequenzen für die Schweiz. Denn die SNB würde vermutlich in gleicher Höhe mitziehen, um so die Zinsdifferenz zwischen den beiden Märkten auf angemessenem Niveau zu halten, argumentiert Linowsky. Seine Zinserwartungen hat er am langen Ende leicht zurückgenommen.

«Mit Blick auf die potenzielle QE-Ausweitung durch die EZB dürfte es auch in der Schweiz länger dauern, bis die Zinsen normalisiert werden», argumentiert UBS-Ökonom Dominik Studer. Deshalb erwartet er die erste Zinserhöhung durch die SNB nun ein halbes Jahr später, im Herbst 2017. Entsprechend hat er die Zinsen am langen Ende nach unten angepasst. Am kurzen Ende bleibt die UBS-Prognose ­unverändert. Eine weitere Senkung des Negativzinses sei nicht zu erwarten.

Ökonomin Susan Joho von Bank Julius Bär belässt in der kurzen Frist die Sätze auf dem bisherigen Niveau. Mit der tiefen ­Inflation und der Möglichkeit, dass die EZB nochmal quantitativ nachlegen könnte, «was wir zwar konkret nicht erwarten», sei es gerechtfertigt, dass die SNB auch im nächsten Jahr die Zinsen auf dem Tief belassen werde.

Am langen Ende hätten sich die Zinserwartungen dagegen ein wenig nach oben verschoben, was mit der fortschreitenden Erholung der Wirtschaft global und speziell in Europa einhergehen sollte. «Allerdings gehen wir nur von einer sehr lang­samen Erholung aus», schränkt Soho ein.

ZKB-Ökonom Manuel Ferreira sieht seine Vermutung erhärtet, dass EZB-Chef Mario Draghi neben einer Ausweitung oder Verlängerung der monetären Lockerung (QE) in Erwägung zieht, den negativen Einlagenzins noch weiter zu senken. Er tippt auf eine Senkung von –0,2% auf –0,3% «begleitet von einer QE-Alibiausweitung oder Verlängerung» – selbst wenn die US-Notenbank (Fed) den Zinsanhebungszyklus im Dezember starten werde.

EZB muss handeln

«Die EZB tagt vor dem Fed und muss handeln, andernfalls werden die Finanzmärkte enttäuscht», argumentiert Ferreira. Somit sei die von der ZKB zuvor ­prognostizierte leichte Erholung des 3-Monat-Frankenlibors nun auch auf Sicht von zwölf Monaten unwahrscheinlich geworden. Entsprechend habe die ZKB ihre Prognosen der neuen Erkenntnis angepasst.

Dass die SNB im Dezember auf eine expansivere EZB mit einer weiteren Zinssenkung reagiert, glaubt der ZKB-Ökonom nicht. Eher werde sie wieder am Devisenmarkt aktiv. Hier bestehe mehr Handlungsspielraum. Die Zinsdifferenz zwischen Euribor und dem Dreimonats-Frankenlibor betrage immer noch gut 65 Basispunkte (Bp). Die Renditen von US-Treasuries, deutschen und Schweizer Bundesanleihen könnten im Vorfeld der Zinsentscheide vorübergehend steigen. «Aber die Erholung der zehnjährigen Eidgenossen-Renditen wird wegen der EZB bescheidener ausfallen.»

EZB-Chef Mario Draghi wird nach seiner Ankündigung einer möglichen Ausweitung der Anleihenkäufe «nun auch liefern müssen, um die Märkte nicht zu enttäuschen», meint Roland Kläger, Senior Economist von Raiffeisen Schweiz. Der ­realwirtschaftliche Einfluss eines zusätz­lichen QE dürfte zwar «verschwindend sein, aber Schuldner und Finanzmarkt freut es trotzdem».

Zinsstratege Patrick Häfeli von der St. Galler Kantonalbank erwartet, dass die EZB den Einlagenzinssatz für Banken im Dezember unverändert belässt. Eine Ausweitung des QE-Programms sei jedoch durchaus denkbar. Die SNB werde darauf in gewohnter Manier reagieren und den Eurokurs bei Bedarf mit unangekündigten Deviseninterventionen stützen. Eine weitere Senkung des Leitzinses durch die SNB sei nicht zu erwarten, wenigstens «so lange die EZB den Einlagenzinssatz nicht weiter senkt».

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