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14:37 Uhr - 21.07.2015

«Einheitlichkeit der Risikomodelle ist kein Ziel an sich»

William Perraudin, Finanzprofessor und Risikoexperte, warnt im Interview mit der «Finanz und Wirtschaft» vor hohen Kosten für die Vereinheitlichung der Risikorechnungen der Banken.

Der Basler Ausschuss, das internationale Regulierungsgremium, will die Art, wie Banken ihre Risiken berechnen, überarbeiten und international harmonisieren.

Capital Floors, the Revised SA and the Cost of Loans in SwitzerlandLaden Sie hier die Studie von William Perraudin als PDF herunter.Eine Studie, die der britische Finanzprofessor und Risikoexperte William Perraudin im Auftrag der UBS erstellt hat, prognostiziert für die Schweiz bei Umsetzung der Vorschläge höchst unerwünschte Auswirkungen. Unternehmenskredite würden massiv verteuert und der Hypothekenboom würde befeuert.

Herr Perraudin, in den letzten Jahren wurden zahlreiche regulatorische Anforderungen verschärft. Die Grossbanken mussten ihre Bilanzen verkürzen und Geschäfte aufgeben. Nichts von dem hat die Versorgung mit Hypotheken und Unternehmenskrediten in der Schweiz merklich beeinträchtigt. Wieso sollte das nun anders werden?
Die Vorschläge des Basler Ausschusses werden in der Schweiz das Eigenkapital, das Banken für ihr Kreditgeschäft halten müssen, deutlich erhöhen. Das wird Auswirkungen auf die Kreditmärkte und die Unternehmen haben. Kredite würden teurer werden. Folglich würden die Unternehmen weniger investieren und sie wären weniger konkurrenzfähig.

William Perraudin Bild: ZVGVon welchen Beträgen sprechen wir?
Die Einführung einer Untergrenze von 80% für die maximale Abweichung interner Modelle vom Standardsatz würde in der Schweiz fast nur die beiden Grossbanken betreffen. Bei UBS und Credit Suisse würde sich das Kapitalerfordernis im Firmenkundenkredit um 160% erhöhen, und über das gesamte Kreditgeschäft würde es sich verdoppeln. Je nach Szenario müsste die Zinsmarge der Banken um 0,45 bis 1,1% steigen. Die jährlichen volkswirtschaftlichen Mehrkosten für Kredite beliefen sich auf 1,3 bis 2,1 Mrd. Fr., die von den Unternehmen getragen werden müssten.

Die Kosten einer Bankenrettung wären ebenfalls enorm. Die Frage ist deshalb berechtigt: Leisten die bankinternen Modelle zur Risikobewertung die Gewähr für eine ausreichende Kapitalunterlegung der bestehenden Risiken?
Eine Erhöhung der Kapitalerfordernis für Kredite an den Unternehmenssektor um 160% wäre wohl als eine unerwünschte Regulierungsfolge zu bezeichnen. Für die Schweizer Wirtschaft gelten vergleichsweise niedrige Zinsen als Wettbewerbsvorteil.

Die Regelverschärfung betrifft die Kantonalbanken nicht, sie könnten Marktanteile gewinnen und den Unternehmenssektor stärker mit Krediten versorgen …
Die Grossbanken haben bei der Schweizer Unternehmensfinanzierung einen Marktanteil von 36%, die Kantonalbanken einen von 34%. Es ist unsinnig anzunehmen, dass die Kantonalbanken ohne Preisanpassung in die Lücke springen könnten, sollten die Grossbanken ihr Angebot anpassen müssen. Eine gewisse Marktanteilsverschiebung würde aber stattfinden. Diese Effekte haben wir einkalkuliert.

Werden die Kapitalerfordernisse für Unternehmenskredite weltweit verschärft?
Zahlen für andere Länder liegen mir nicht vor. Es entsteht aber der Eindruck, der Ausschuss kalibriere neue Regeln ohne hinreichende statistische Evidenz, oder er verfügt bloss in einzelnen Märkten über statistische Evidenz. Die Kalibrierung ist fragwürdig. Das gilt übrigens auch für Wohnbauhypotheken. Dort wird die Kapitalunterlegung leicht gesenkt, obwohl der Regulator den Markt bremsen möchte.

Fragwürdig ist auch, dass es international markante RWA-Unterschiede zwischen Banken mit modellbasierten Ansätzen gibt, die sich durch unterschiedlich hohe Risiken nicht erklären lassen. Transparenz ist nötig!
Der Basler Ausschuss hat sich an die Arbeit gemacht, um bei den Risikomodellen Einheitlichkeit herzustellen. Aber Einheitlichkeit ist kein Ziel an sich. Die Risikomuster in den verschiedenen Ländern sind nun einmal höchst unterschiedlich. Denken Sie an den Hypothekenmarkt.

Gibt es einen besseren Weg?
Das Ziel ist gute Regulierung. Der Regulator muss die Modellunterschiede managen. Die Modelle müssen auf konstruktive Weise analysiert, überwacht und verglichen werden. Das wäre nützlicher, als alles über Bord zu werfen.

Und wenn eine Bank die Risiken einfach kleinrechnet?
Der Fokus sollte auf gute Aufsicht gelegt werden, nicht auf mehr Regulierung. Wenn eine Bank ihr internes Modell manipulieren sollte, um ihr Risiko zu verstecken, dann sind geeignete Massnahmen zu treffen.

Schmerzgrenzen der BankenregulierungDie Risikomodelle werden revidiert werden müssen, damit die Grossbanken sicherer werden. Was es kostet und wer dafür bezahlen muss.
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