Jean-Claude Biver treibt mit aller Kraft den Ausbau des Chinageschäfts bei der Uhrenmarke Tag Heuer voran. Das macht sich in den Umsatzzahlen positiv bemerkbar.
In China sieht Jean-Claude Biver derzeit die grössten Wachstumschancen für Tag Heuer. «Der dortige Abschwung hat uns kaum getroffen, da unser Marktanteil gering war. Nun sehen wir die Möglichkeit, mit Vollgas zu investieren, während sich einzelne Konkurrenten tendenziell zurückziehen», sagt Biver im Gespräch mit «Finanz und Wirtschaft».
Aus diesem Grund hat Biver das Marketingbudget für China verdoppelt. Für die Steigerung des Bekanntheitsgrads von Tag Heuer wurden Sponsoringverträge mit der höchsten chinesischen Fussballliga sowie der nationalen Weltraumbehörde CNSA, die für 2020 ihre erste Mars-Mission plant, eingegangen.
Allein in diesem Jahr hat Tag Heuer in China die Zahl der Verkaufsstellen (eigener Boutiquen sowie Multibrand Stores) auf 80 verdoppelt. Mittelfristig soll sie auf 250 bis 300 gesteigert werden. «Das Timing ist optimal, um in China zu investieren», sagt Biver, der als Uhrenchef des französischen Luxusgüterriesen LVMH (MC 170.3 0.35%) die Marken Tag Heuer, Hublot und Zenith führt.
Auch Swatch Group setzt auf China
Doch nicht nur Biver setzt derzeit verstärkt auf China. Auch sein Antipode Nick Hayek setzt grosse Hoffnungen auf China. Dort hatte der Swatch-Group-Konzernchef vor elf Monaten seine Bezahluhr Bellamy lanciert. Das Chinageschäft soll zudem im zweiten Halbjahr 2016 dazu beitragen, zu einem «klaren Wachstum» zurückzukehren, wie Hayek Ende Juli der FuW sagte. Auch Swatch Group (UHR 280.4 1.12%) hat das Marketing in China intensiviert. Seit diesem Jahr sponsert die Marke Tissot die nationale Basketballliga – anstelle von Tag Heuer.
In der Tat zeigte die Region Festlandchina, zu der Hongkong und Macau nicht gezählt werden, zuletzt starke Erholungstendenzen. Im August nahmen die Uhrenexporte um knapp 30% zu. Biver will nun mit Tag Heuer das nachholen, was die Marke in den Boomjahren 2011 bis 2013 im Reich der Mitte weitgehend verpasst hatte. Während bei den meisten Uhrenmarken der Umsatz in China nach oben schoss, blieb Tag Heuer abseits.
Das zeigt sich auch an der regionalen Umsatzverteilung. 2015 erzielte Tag Heuer in der Region Greater China (Festlandchina, Taiwan, Hongkong, Macau) knapp 6% ihres Umsatzes. Zum Vergleich die Zahlen der Konkurrenz: Swatch Group erzielt in Greater China ein Drittel des Umsatzes, bei Richemont (CFR 61.15 2.26%) entfällt ebenfalls ein Drittel des Verkaufserlöses auf die Region Asien (ohne Japan).
Zweistelliges Umsatzwachstum bei Tag Heuer
Für Tag Heuer scheint sich die verstärkte Fokussierung auf China bereits auszuzahlen. Obwohl Detailzahlen nicht ausgewiesen werden, spricht Biver bei Tag Heuer von einem zweistelligen Umsatzwachstum im bisherigen Jahresverlauf.
Bei den am Montag nachbörslich publizierten Drittquartalszahlen von LVMH weist die Uhrensparte ein Wachstum von 2% aus. In den ersten neun Monaten 2016 betrug das Plus gar 4%. Alle diese Werte stehen in einem starken Kontrast zu den Schweizer Uhrenexportzahlen. Diese waren zwischen Januar und August 11% rückläufig. Neuere Zahlen liegen noch nicht vor.
Auch die Konkurrenten Richemont und Swatch Group mussten zuletzt deutliche Umsatz- und Gewinneinbussen bekanntgeben. Swatch Group vermeldete im Juli einen Umsatzrückgang im ersten Halbjahr von 11%, der Gewinn brach um die Hälfte ein. Bei Richemont gab der Umsatz um 14% nach.
Zum überdurchschnittlichen Wachstum von Tag Heuer trägt laut Biver aber auch die Neupositionierung der Marke bei, die vergangenes Jahr in Angriff genommen wurde. «Ziel war, Leader im erschwinglichen Luxusbereich zu werden. Das haben wir erreicht, und das zahlt sich nun aus», sagt der LVMH-Uhrenchef. Tag Heuer gehört seit 1999 zum LVMH-Konzern.
«Smartwatch wird noch immer unterschätzt»
Dazu gehörte auch die Lancierung des Smartwatch-Modells Connected, das vor einem Jahr auf den Markt gebracht wurde. Im laufenden Jahr rechnet Biver mit einem Absatz von über 50’000 Stück, nächstes Jahr soll Tag Heuer gegen 100’000 Smartwatches verkaufen. Anders gesagt: Bis Ende 2017 wird rund jede sechste verkaufte Tag-Heuer-Uhr eine Smartwatch sein. Die zweite Version der Connected-Uhr soll wie geplant im kommenden Mai in den Verkauf kommen, bestätigt Biver auf Anfrage.
In der Schweiz nimmt Tag Heuer im Bereich Smartwatch noch immer eine Vorreiterrolle ein. Zwar haben unter anderem mit Tissot, Swatch und Frederique Constant einige Marken ebenfalls Uhren mit Zusatzfunktionen auf den Markt gebracht. Allerdings beschränken sich diese Modelle auf einige wenige Features.
Gemäss Biver wird das Thema Smartwatch in der Schweiz noch stark unterschätzt. «Es kann gefährlich sein, wenn Hersteller, die vor allem im Bereich Quarzuhren tätig sind, solche neuen Technologien nicht verfolgen», so Biver. Allein im vergangenen Jahr wurden schätzungsweise gegen 17 Mio. Smartwatches verkauft, allein die Hälfte davon geht auf das Konto von Apple (AAPL 116.05 1.74%).
LVMH wächst stärker als erwartet
Bei LVMH floriert in diesem Jahr nicht nur das Geschäft mit den Uhren. Auch die übrigen Luxusgüterartikel werden besser als erwartet verkauft. Allein im dritten Quartal setzte LVMH 9,14 Mrd. € um. Analysten waren von 8,91 Mrd. € ausgegangen.
Besonders gefragt war die wichtigste Sparte Bekleidung und Lederwaren, zu der die Modemarken Dior oder Kenzo gehören. Der Umsatz stieg hier 5%. Analysten hatten ein Plus von nur 2% erwartet.
Insgesamt zeichnete LVMH auch vom Geschäft in Europa ein positives Bild – mit Ausnahme des Heimatmarktes Frankreich, der 10% zum Geschäft beisteuert. Hier machte sich die sinkende Zahl der Touristen bemerkbar. Viele von ihnen meiden nach den terroristischen Anschlägen in Paris und Nizza das Land.
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