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10:52 Uhr - 13.02.2019

«Eine markttechnische Erholung an der Börse»

Jens Ehrhardt, Vorstandsvorsitzender DJE Kapital in München, erwartet, dass die Börse lediglich ein paar Monate steigt.

Herr Ehrhardt, die Börsen haben seit Januar zugelegt. Wie geht es weiter?
Ich glaube, die Erholung, die wir seit der Jahreswende an der deutschen Börse sehen, war nach der langen Phase deutlich gesunkener Kurse überfällig. Allein aus markttechnischer Sicht – viel Skepsis der Anleger, noch ausreichende Barreserven der Investment-Fonds – ist dieser Anstieg noch nicht beendet. Er könnte sich durchaus noch einige Monate fortsetzen. Ob es letztlich aber über eine markttechnische Erholung hinausgeht, ist noch ungewiss.

Worauf kommt es an, und wie bewegt sich Deutschlands Börse im globalen Kontext?
Sicherlich ist die weitere Konjunkturentwicklung entscheidend, zunehmend aber auch die geopolitische Lage. Zur Beurteilung der deutschen Börse ist immer auch zu berücksichtigen, dass heute mehr als die Hälfte aller Aktien im Dax (DAX 11143.75 0.16%) von Ausländern, besonders von Amerikanern, gehalten werden. Dadurch ist die Abhängigkeit von Wallstreet, der wirtschaftlichen Lage in den USA und der dortigen Notenbank Fed gewachsen.

Wie entwickeln sich die Börsen somit im weiteren Jahresverlauf?
Die Markttechnik wirkt nur kurzfristig, etwa drei Monate. Mittelfristig sind eher der Zins und besonders die Liquidität entscheidend. Vor allem aber beunruhigen mich die vielen politischen Unwägbarkeiten, die die Börse mehr als in früheren Zeiten belasten und Prognosen deutlich erschweren. Früher war der freie Welthandel ein hohes Gut. Heute wird er benutzt, um politische Ziele durchzusetzen.

Welchen Einfluss hat die Geldpolitik?
Neben den politischen Unwägbarkeiten muss man auf die monetäre Entwicklung achten. Steht genug Kapital für Aktienkäufe zur Verfügung? Im pessimistischen Fall könnten 2019 die Börsengewinne des ersten Halbjahres in der zweiten Jahreshälfte wieder verloren gehen oder gar zu einem Verlust werden. Ich glaube nicht, dass sich die Belebung, die wir derzeit an der deutschen Börse erleben, über das gesamte Jahr fortsetzen wird.

Das Fed kündigte Ende Januar an, von weiteren Zinserhöhungen vorerst abzusehen. Ist das eine gute Botschaft für die Märkte?
Die Kombination aus markttechnischer Stärke und monetärer Lockerung ist gut für die Börsen. Vorerst sollten die Märkte also weiter anziehen. Die Frage ist nur, ob die amerikanische Notenbank mit ihrer bisherigen Bremspolitik nicht schon über das Ziel hinausgeschossen ist. Das ist der Fall, wenn das Fed den Leitzins schon über den «neutralen» Zins – der weder stimulierend, noch bremsend für die Volkswirtschaft ist – angehoben hat.

Worauf müssen Anleger betreffend künftiger US-Geldpolitik achten?
Es sieht zwar alles nach einer 180-Grad-Wende der US-Notenbank aus. Aber eine echte Lockerungspolitik mit Zinssenkungen und einer Liquiditätsverbesserung ist nicht begonnen worden, trotz verbal angekündigter Flexibilität. Es ist möglich, dass sich die US-Konjunktur – wegen weiter steigender Staatsdefizite etwa für Infrastrukturinvestitionen – besser entwickelt als mit den jetzt geschätzten 2% Wachstum. In einem solchen Fall würde das Fed wahrscheinlich nach einer Pause im Juni die Zinsen erhöhen. Im Vorfeld könnten die US-Aktienkurse beginnen zu sinken, im optimistischen Fall nach Erreichen eines neuen historischen Indexhochs. Dann wäre das saisonübliche Sell in May richtig, und das zweite Halbjahr würde ungewöhnlich schwach.

Wie wirkt sich das auf Europas Börsen aus?
Eine Abkopplung der europäischen Börsen von einer solchen Entwicklung scheint mir unrealistisch, zumal Mario Draghi – als erster EZB-Präsident, der wohl keine Zinserhöhung vornehmen wird – ab November durch einen etwas weniger grosszügigen Notenbankpräsidenten abgelöst werden könnte.

Früher senkte die EZB in schwierigen Zeiten die Zinsen, heute hat sie keinen Spielraum.
Richtig. Wenn wir von den umstrittenen Anleihekäufen der EZB absehen, dann kann und sollte in Europa die Fiskalpolitik aktiv werden. Das sollte in Deutschland kein Problem sein, denn in den letzten Jahren wurden erhebliche Haushaltsüberschüsse erwirtschaftet. Dazu haben massgeblich die niedrigen Zinsen beigetragen. Jetzt muss die Fiskalpolitik Gas geben und nicht eine schwarze Null anstreben.

Wie disponieren Sie derzeit Ihr Portfolio?
Wir haben einen guten Vorrat an Barreserven. Zu Jahresbeginn haben wir uns aber auch wieder in Aktien gewagt – vor allem in deutsche, amerikanische, aber auch asiatische Titel. In Asien setzen wir auf eine Verbesserung der Märkte, besonders wenn sich China wirtschaftlich erholt. Zudem locken dort historisch niedrige Bewertungen und hohe Renditen vieler Titel. Dennoch bleiben wir allgemein sehr wachsam und würden vorsichtiger werden, wenn sich die monetären Daten in China und den USA verschlechtern.

Zu welchen Aktien raten Sie?
Eher zu defensiven, dividendenstarken Werten wie den Versorgern und den Chemiewerten. Sie werden beim Anstieg des Markts mitgezogen und sind bei einem Kursrückgang nicht so anfällig.

Sind für konservative Anleger mittlerweile Anleihen eine Alternative zu Aktien?
Die Frage ist doch: Kauft man deutsche Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit und weniger als 0,2% Rendite beziehungsweise nimmt man Negativzinsen bei kürzeren Laufzeiten in Kauf. Oder entscheidet man sich für eine Aktie mit 3 bis 4% Rendite. Angesichts ihrer hohen Renditen sind viele Aktien sicherlich eine gute Alternative zu Anleihen.

Werden US-Anleihen – aufgrund der Aussagen des Fed zum Leitzins – zu einer ernsthaften Konkurrenz zu Aktien?
Vorerst sind US-Anleihen keine Konkurrenz zu US-Aktien, die auch durch weiterhin sehr hohe Aktienrückkäufe – im optimistischen Fall ähnlich viel wie 2018 – unterstützt werden. US-Staatsanleihen wären nur im Fall einer überraschend schlechten US-Konjunktur eine interessante Alternative, weil dann die Zinsen fallen und die Anleihenkurse steigen. Amerikanische Industrieanleihen sollte man wegen der ungewöhnlich hohen Verschuldung in jedem Fall meiden, besonders bei einer Konjunkturverschlechterung.

Wo sehen Sie international mehr Potenzial als am heimischen Aktienmarkt?
Bei amerikanischen Aktien erwarte ich selektiv bei Wachstumswerten weitere Chancen. Auch Konsumtitel erscheinen wegen der stärker steigenden Löhne interessant. Kleinere, wenig exportlastige Titel haben Nachholbedarf. Mein Blick ist auch auf die Schwellenländer gerichtet.

Welche Schwellenländer sind interessant?
Dort sehe ich nur dann grösseres Potenzial, wenn der Dollar schwächer wird – womit ich mittelfristig rechne. Ich favorisiere Hongkong, denn dort findet man gute asiatische Werte, auch vom chinesischen Festland. Reizvoll ist zudem, dass der Aktionär in Hongkong die Dividende ohne Quellensteuerabzug erhält.

Hat der Dollar den Zenit überschritten?
Im Moment lockt die hohe Zinsdifferenz zugunsten der USA das internationale Kapital noch in den Dollar. Aber wenn das Fed von weiteren Zinserhöhungen absieht, was mit Blick auf die stark gewachsene Unternehmensverschuldung richtig erscheint, dann dürfte das ausreichen, den Dollar zu drücken. Er könnte sich von 1.13 auf 1.20 $/€ Ende Jahr abschwächen.

Der Euro soll zum Dollar erstarken?
Dem Greenback fehlt ein stabiles Fundament: Die hohe jährliche Staatsneuverschuldung Richtung 5% des Bruttoinlandprodukts und das riesige Aussenhandelsdefizit, das auch Donald Trump bisher nicht entschärfen konnte, bleiben ein Problem für die USA und sprechen nicht für einen anhaltend festen Dollar. Solche Doppeldefizite waren historisch eine Dollarbelastung. Ein schwächerer Dollar würde vor allem den in Dollar verschuldeten Schwellenländern helfen. Steigende Rohstoffpreise sollten auch den Börsen dieser Länder Auftrieb geben.

Hat Gold Potenzial?
Die Feinunze Gold (Gold 1312.72 0.2%) hat die Hürde von 1300 € genommen und könnte zum Jahresende durchaus 15% höher notieren, zumal auch der Realzins niedrig bleiben wird. Zudem deutet nichts darauf hin, dass sich die geopolitischen Konfliktherde kurzfristig beruhigen werden.

Goldminenaktien hingegen kommen nicht so recht vom Fleck.
Die Goldminenaktien sind im Vergleich zur Preisentwicklung der Feinunze Gold in der Tat deutlich zurückgeblieben. Unter den Minen hat es im vergangenen Jahr Zusammenschlüsse gegeben. Ich sehe hier für die Zukunft durchaus Chancen, da sich durch die Zusammenlegungen mittelfristig Kostenvorteile ergeben werden. Das und höhere Goldpreise dürften eine Aufholjagd der Goldaktienkurse zum physischen Gold auslösen.

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