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18:16 Uhr - 20.01.2015

Peking erhält hohes Reformtempo aufrecht

Mit einer Vielzahl von Reformen versucht China, die Wirtschaft auf ein solideres Fundament zu stellen. 2015 dürften weitere Meilensteine folgen.

Das Bild von China im Westen hat sich in wenigen Jahren fundamental verändert. China wird nicht mehr in erster Linie mit rekordhohem Wachstum, sondern mit ­einer nachlassenden Dynamik, einem ­Reformstau und steigenden Risiken assoziiert. Dabei waren die vergangenen zwölf Monate vom voranschreitenden Umbau einer einseitig angebots- hin zu einer diversifizierten nachfrageorientierten Volkswirtschaft geprägt.

Seit der Plenarsitzung der Kommunistischen Partei von Ende 2013 hat Peking eine ganze Reihe von weitreichenden ­Modernisierungsmassnahmen eingeleitet. Nach Meinung von Tao Wang, China-Ökonomin der UBS (UBSG 14.43 0.35%), wurden damit die Fundamente der chinesischen Wirtschaft deutlich gestärkt. Die Bedingungen für Minderheitsaktionäre von staatlich kontrollierten Unternehmen haben sich verbessert. In dieselbe Richtung zielt auch der Regierungsentscheid, dass Staatsunternehmen zukünftig höhere Dividenden ausschütten müssen. Dieser Entscheid dürfte eine treibende Kraft hinter der Kursrally an den Festlandbörsen gewesen sein, die am Montag allerdings durch verordnete Einschränkung von fremdfinanzierten Aktienkäufen ein abruptes Ende nahm (vgl. Text rechts).

Reformiertes Bankensystem

Die gestiegene Risikobereitschaft der Investoren hatte auch mit den eingeleiteten Reformen im Bankensektor zu tun. Die chinesischen Geldhäuser haben 2014 in beschleunigtem Tempo notleidende Kredite an sogenannte Bad Banks veräussert. Zwar gibt es weiterhin offene Fragen über das wahre Ausmass der im chinesischen Bankensystem liegenden faulen Kredite. Derek Ovington, Analyst des Brokerhauses CLSA, geht davon aus, dass bis zu 10% aller Kredite als riskant angesehen werden müssen. Doch das Problem wurde erkannt und durch die Auslagerung der notleidenden Kredite in Spezialvehikel entschärft. Damit schlummern die grossen Risiken fauler Kredite nicht mehr in den Bilanzen der Geldhäuser. Ohne diese Massnahmen wäre die 2014 erfolgte Teil­liberalisierung des Banksystems wie die Deregulierung des Zinswesens nicht möglich gewesen.

Mit dem neuen Gesetzesvorschlag zur Einlageversicherung, das sich im öffentlichen Konsultationsverfahren befindet, wird ebenfalls mehr Vertrauen geschaffen.  Ein wichtiger Bestandteil sind darin das Konkursgesetz und ein Abwicklungsverfahren für insolvente Banken. Bis 500 000 Yuan (82 000 Fr.) sind durch die Einlageversicherung gedeckt. Das gilt für Konten von Privatpersonen sowie Unternehmen. 99,3% aller Bankkonten sind damit gemäss Angaben der Zentralbank geschützt – jedoch weniger die Hälfte aller Depositen. Die potenziell ungeschützten Konten, die mehr als 50% der Einlagen umfassen, stammen hauptsächlich von Grossunternehmen und Staatsbetrieben.

Mehr Reformen auf Agenda

In den vergangenen Monaten wurden zudem die Preise für Elektrizität, Gas und ­Eisenbahnfracht liberalisiert. Mit dem ­Abbau von bürokratischen Hürden im ­öffentlichen Beschaffungswesen möchte Peking ausserdem die Korruption eindämmen. Gleichzeitig wurde durch die  Erhöhung der Grundrenten und den ­Ausbau des Gesundheitssystems die Grundlage für einen starken und steigenden Privatkonsum gelegt.

Der beachtliche Reformschub hat vor einer sich dramatisch veränderten in­nenpolitischen Lage stattgefunden. Der Wechsel von Hu Jintao zu Xi Jinping an der Staatsspitze war von internen Machtkämpfen geprägt. Alte etablierte Interessengruppen stellten sich allem Anschein nach dem von Xi und Ministerpräsident Li Keqiang vorangetriebenen Modernisierungskurs entgegen. Nach  Meinung von Alastair Newton, Politikanalyst des japanischen Finanzhauses Nomura, blieb Xi keine andere Wahl als die Flucht nach vorn. Durch den gezielten Kampf gegen die Korruption wurden Rivalen beseitigt, während gleichzeitig mit einem beschleunigten Reformtempo neue wirtschaftliche und politische Konstellationen geschaffen werden. Das heisst aber auch, dass es für die neue chinesische Führung keinen Weg zurück gibt. Ihre Macht ist langfristig nur dann gesichert, wenn sie durch genügend Wirtschaftswachstum stabile soziale Verhältnisse schafft. Weitere bedeutende Reformschritte werden folgen: Zur Diskussion steht etwa der Zugang der Lokalregierungen zum Anleihenmarkt, eine erweiterte Niederlassungsfreiheit der Wanderarbeiter oder auch eine Liberalisierung des Agrarrohstoffmarkts.

zoomDer Immobilienmarkt wie auch die von den Banken mit Vorzugskrediten verwöhnten Staatskonzerne dürften als Wachstumsmotoren weiter an Bedeutung verlieren. Ausgeschlossen scheint damit auch, dass Peking erneut ein massives und von Bankkrediten finanziertes Konjunkturpaket schnürt. Chinas seit über drei Jahrzehnten laufender wirtschaftlicher Reformprozess ist in eine entscheidende Phase getreten.

Peking zieht der Börse den Stecker Die chinesischen Aktienmärkte verzeichneten am Montag den grössten Absturz seit 2008. Der Shanghai Composite Index verlor 7,7% auf 3116,35. Auch der Index für Aktien von chinesischen Gesellschaften an der Börse Hongkong sackte 5% ab. Am Dienstag machten sie rund 2% Boden gut. Auslöser der Verkaufswelle war eine Beschränkung der fremdfinanzierten Aktienkäufe, die in den vergangenen drei Monaten für exzessive Marktspekulationen verantwortlich gemacht wurden. An der Börse Schanghai erreichten über hundert Titel die maximale Tagesverlustgrenze von 10% und mussten vom Handel ausgesetzt werden. Darunter waren viele Aktien von Finanzinstituten und Brokern zu finden. Citic Securities und Haitong Securities verloren am Dienstag nach Wiederaufnahme des Handels weitere 9 respektive 8%. Die chinesische Wertpapieraufsicht hat beiden Häusern sowie der nicht kotierten Guotai Junan für die nächsten drei Monate das Neugeschäft mit kreditfinanzierten Aktienkäufen untersagt. Die Aufsicht ist der Meinung, dass Broker keine Kredite mehr an Kunden mit weniger als 500 000 Yuan (ca. 70 000 Fr.) Anlagevermögen vergeben sollten. Dahinter steckt die Sorge, dass die Rally von zu viel spekulativem Geld getrieben ist. Der Shanghai Composite hatte 2014 eine Avance von 53% verzeichnet. Allein seit Oktober war der Index für lokale chinesische Aktien 48% gestiegen.

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