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11:29 Uhr - 30.09.2021

«Bank- und Schwellenländeraktien sind attraktiv»

Nervosität an den Börsen, die Zinsen steigen. Wie geht es weiter? Teil 1 von fünf Fragen an fünf Banker: Philipp Bärtschi, CIO Bank J. Safra Sarasin.

Die Investoren müssen sich derzeit der Kernfrage stellen, ob das Fundament des seit über zwölf Jahren andauernden Superzyklus an den Finanzmärkten am Bröckeln ist. Die Befürchtungen eines «Lehman-Moments» für China und den Rest der Welt aufgrund der Misere des Immobilienkonzerns Evergrande haben sich zwar etwas gelegt. Doch Fragezeichen hinsichtlich der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung im Land der Mitte bleiben bestehen.

Immer wieder erschüttert der Regierungsapparat in Peking die Märkte mit Regulierungsmassnahmen in einer Reihe von Sektoren. Die Abschwächung der Wirtschaftsdynamik ist in den Daten bereits offensichtlich.

Doch auch andernorts signalisieren die Einkaufsmanagerindizes, dass die initiale Phase der Erholung nach dem pandemiebedingten Einbruch abgeschlossen ist. Dem nicht genug: Das von den Notenbanken in Aussicht gestellte Nachlassen des Inflationsdrucks will sich einfach nicht einstellen. Dies wiederum lässt einige Experten ein Schreckensgespenst zum Leben erwecken: die Stagflation.

Schwaches Wirtschaftswachstum gepaart mit hoher Teuerung brächte die Währungshüter in eine Zwickmühle. Und selbst wenn sich die Stagnation des Wachstums nicht einstellt, haben die Notfallmassnahmen, die während der Pandemie rasch Einzug in den Massnahmenkatalog der Währungshüter genommen haben, keine Berechtigung mehr.

Die Preise steigen vielerorts auf breiter Front. Der Winter könnte in Sachen Teuerung heisser werden als ursprünglich gedacht. Der Mangel an Energieträgern lässt wiederum vielerorts Kälte und Mangelwirtschaft befürchten.

Einzelne Notenbanken haben den Leitzins bereits erhöht, andere machen sich daran, ihre Wertpapierkäufe zu reduzieren. Eine neue Phase für Wirtschaft und Finanzmärkte ist angebrochen. Wie werden Aktien und Obligationen darauf reagieren, und wie können Anleger ihr Portfolio fit machen für potenzielle neue Entwicklungen? Wo bietet der Finanzmarkt noch ansprechende Rendite für das eingegangene Risiko?

Diesen und weiteren Fragen wird im Rahmen des FuW-Forums «Opportunities 2022» nachgegangen. Der hier in einer Serie präsentierte Fragenkatalog an fünf Banker, die an der Veranstaltung konkrete Ideen auf dem Podium präsentieren werden, bietet nur einen kleinen Vorgeschmack auf die Themen des Anlasses.

Herr Bärtschi, die Börsen sind nervös und die Bewertungen hoch. Kommt der Superzyklus, der 2009 begann, bald zu einem Ende?
Der Zyklus ist noch nicht zu Ende. Im Gegenteil, er wurde aufgrund der Coronapandemie verlängert, oder man könnte auch sagen, neu gestartet. Die massiven Stimulus-Programme haben nicht nur die Rezession abgeschwächt und verkürzt, sondern werden auch in den kommenden Quartalen einen positiven Einfluss auf die Nachfrage haben. Die wirtschaftliche Erholung, die Mitte 2020 einsetzte, dürfte daher noch eine Weile anhalten.

Wo kann im Aktienmarkt noch Überrendite erzielt werden?
Der Aktienmarkt hat sich im Jahr 2021 sehr positiv entwickelt, nicht zuletzt dank dem erfreulichen Anstieg der Unternehmensgewinne. Für das nächste Jahr erwarten wir Aufholpotenzial in Bereichen, welche noch zurückgeblieben sind, und die sich vor allem in einem Umfeld von steigenden Zinsen und höherer Inflation gut entwickeln. Hervorzuheben sind hier Bankaktien, aber auch Schwellenländeraktien.

Finger weg von Anleihen oder gibt es bei festverzinslichen Werten noch Opportunitäten?
Aufgrund der hohen Inflations­risiken sollte man Anleihen meiden. In einem gemischten Portfolio können sie aber durchaus eine sinnvolle Rolle einnehmen, da sie die Preisschwankungen reduzieren. Wenn schon Anleihen, dann lohnt es sich, vor allem in Hochzins- und in Schwellenländeranleihen zu investieren.

Was muss geschehen, dass die ­Langfristzinsen nachhaltig steigen?
Es braucht eine Phase von mehreren Jahren mit überdurchschnittlichem Wachstum. Das würde dazu führen, dass die Inflation dauerhaft hoch bleibt und die Notenbanken die Leitzinsen deutlich anheben, um die Teuerung zu bekämpfen.

Die SNB äussert warnende Worte ­angesichts der Immobilien­preisentwicklung in der Schweiz. ­Befindet sich der hiesige Häusermarkt in einer Blase?
Nein. Die Bewertungen sind zwar hoch, aber aufgrund der niedrigen Zinsen gerechtfertigt. Solange die Schweizer Zinsen auf einem Niveau von unter 1% bleiben, ist damit zu rechnen, dass die Immobilienpreise weiter steigen werden.

 

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