Robert Arnott, Gründer und CEO von Research Affiliates, sieht wegen der Alterung der Gesellschaft grosse Herausforderungen für Investoren.
Die Demografie beeinflusst die Wirtschaft und die Finanzmärkte. Wie genau, hat Robert Arnott empirisch analysiert. Seine Resultate sind wichtiger denn je. Denn die Alterung in der westlichen Welt schreitet stetig voran. Kurzfristig rechnet er mit grossen Turbulenzen. Wegen der attraktiven Bewertung setzt er auf Aktien und Anleihen aus Schwellenländern.
Herr Arnott, was treibt die Märkte?
Kurzfristig sind Geldflüsse der Investoren und das Sentiment die Haupttreiber. Einen grossen Einfluss können aber auch die Währungshüter haben. Wenn Zentralbanken zu viel Geld drucken, konsumieren Konsumenten nicht, sondern horten das Geld aus Furcht vor einer Krise. Sie investieren es in Vermögenswerte. Die missglückte Geldpolitik ist ein Kennzeichen der vergangenen Jahre.
Und was sind die langfristigen Treiber?
Langfristig ist es der faire Wert. Er kann durch die Demografie beeinflusst werden.
Was hat die Demografie mit dem fairen Wert zu tun?
Am meisten verfügbares Vermögen haben Personen zwischen 40 und 65 Jahren. Aktienmärkte, in denen diese Altersgruppe dominiert, weisen die beste Performance und die höchste Bewertung auf. Menschen in den Zwanzigern und Dreissigern haben wenig Geld zum Investieren. Darum haben Aktienmärkte in Ländern, in denen diese Generation dominiert, eine schwächere Performance und sind günstiger.
Welchen Einfluss hat die Demografie auf die Wirtschaft?
In reichen Ländern leben viele Menschen mit grauen Haaren. Die Staaten mit dem kräftigsten Wirtschaftswachstum haben hingegen einen grossen Anteil an jungen Erwachsenen. In jungen Jahren ist die Produktivität am grössten. Das beflügelt das Wachstum.
Welche Altersschicht dominiert in Europa?
In Europa wird demnächst die Generation der Siebzig- bis Achtzigjährigen dominieren. Das liegt auch an der niedrigen Geburtenrate. Junge produktive Erwachsene fehlen. Der Anstieg der Zahl der Rentner und das Schrumpfen der arbeitstätigen Bevölkerung haben ein geringeres Wirtschaftswachstum und eine schwächere Entwicklung der Aktien- und der Anleihenmärkte zur Folge.
Wo stehen die USA?
Die Vereinigten Staaten sind ein paar Jahre jünger als die meisten Länder Westeuropas und die asiatischen Industrienationen wie Japan, Südkorea und Singapur. Diese Länder sind den USA fünf bis zehn Jahre voraus.
Millennials verfügen über weniger Vermögen als frühere Generationen, müssen aber deren staatliche Renten zahlen.
Das System wird an die Wand fahren. Die junge Generation hat mehr Schulden, als sie als fair erachtet, und ist wütend darüber. Gleichzeitig verfügt die Generation, die kurz vor der Pensionierung steht, über mehr finanzielle Ressourcen, wartet aber dennoch darauf, von der jüngeren Generation Geld überwiesen zu erhalten.
Was bedeutet das?
In den nächsten zehn Jahren wird sich viel verändern. Heute demonstrieren Leute dafür, im gleichen Alter in Pension gehen zu können wie die Grosseltern, obwohl sie fünfzehn Jahre länger leben. Das ergibt keinen Sinn.
Eine Erhöhung des Rentenalters ist derzeit aber nicht tragbar.
Noch ist es politischer Selbstmord, über eine Veränderung des Generationenvertrags zu sprechen. Bald wird es Suizid sein, nicht darüber zu sprechen. In den nächsten zehn Jahren wird sich viel verändern. Wir werden Demonstrationen sehen, die sich gegen den Vermögenstransfer von den Jüngeren zu den Älteren – obwohl Letztere doch mehr Vermögen haben – richten. Die Altersvorsorge ist ja ein Versprechen, das meine Generation meiner Generation gemacht hat, in der Erwartung, dass unsere Kinder und Enkelkinder dieses Versprechen auch einhalten werden.
Noch können die staatlichen Ausgaben aber finanziert werden.
Wir wissen, dass wir die finanziellen Versprechen nicht halten können. In den nächsten ein, zwei Jahren ist es noch kein Problem. Irgendwann wird es aber eines sein. Zudem verdrängen die staatlichen Ausgaben für die Altersvorsorge und die Gesundheitsversicherung alle anderen Ausgaben, ausser, wir erhöhen die Steuern.
Was wird sich bei den Ausgaben ändern müssen?
Wäre das Pensionsalter an die Lebenserwartung gekoppelt, wäre das Problem gelöst. Zudem muss geschaut werden, ob die Personen, die die Rente erhalten, nicht nur einen Anspruch haben, sondern sie auch benötigen. Transferzahlungen sollten Überweisungen sein von Personen, die Geld haben, zu denen, die keines haben.
Wann werden Anpassungen salonfähig?
Im Jahr 2016 übertraf in den USA die Zahl der Stimmbürger der Generation X und jünger erstmals die der älteren Wähler. 2024 wird das Verhältnis sechzig zu vierzig sein. Meine Generation wird überstimmt werden. Die grossen Veränderungen sind vorgezeichnet. Die Frage ist nur, ob sie in geordneten Bahnen stattfinden werden.
Was denken Sie?
Schulden, die nicht zurückgezahlt werden können, werden nicht zurückgezahlt. Das ist klar. Grösstenteils haben die jungen Generationen Verpflichtungen gegenüber den älteren Generationen. Ob sie ihnen nachkommen werden, ist fraglich. Möglicherweise kommt es zu einem grossen Schuldenschnitt. Ich rechne aber eher damit, dass es zu vielen kleinen Schnitten kommen wird.
Was bedeutet das für die Märkte?
Wenn die Millennials kein Geld haben, wer kauft dann unsere Aktien und Anleihen, wenn wir sie verkaufen möchten, um nach unserer Pensionierung Geld zur Verfügung zu haben? Aktien und Anleihen werden über die nächsten zehn Jahre eine miese Performance haben. Sie werden sich abwerten.
Wird darunter auch das Wachstum leiden?
Der Einfluss auf das Wachstum wird nicht so gross sein. Millennials werden weiterhin zum Wirtschaftswachstum beitragen. Allerdings kann es zu deflationären Tendenzen kommen, wenn Millennials das Geld fehlt, um Güter zu kaufen.
Wie kann sich der Investor vorbereiten?
Die Wahrscheinlichkeit einer Finanzkrise in den nächsten zehn Jahren ist hoch. Deswegen müssen Anleger diversifizieren und in Märkte investieren, die günstig sind und attraktive Wachstumsaussichten haben – also nicht auf Aktien und Anleihen aus den USA und Europa setzen, sondern auf Aktien und Lokalwährungsbonds aus Schwellenländern.
Investitionen in Schwellenländer sind aber auch nicht ohne Risiko.
Die entscheidende Frage ist, welche Risiken bereits eingepreist sind. Darum mag ich Schwellenländer. Marktteilnehmer sind sich des Handelskonflikts, der geopolitischen Herausforderungen und der strafferen Geldpolitik bewusst.
Ist das in den USA nicht der Fall?
In den USA sind die Märkte bewertet, als ob es auf Jahre hinweg so rund weiterläuft wie bisher. Es braucht nur ein paar schlechte Nachrichten wie einen Rückgang des Gewinnwachstums, eine Abschwächung der Konjunktur oder Probleme bei den FAANG-Aktien, um einen Kursrückgang auszulösen. Darunter würden zwar auch Aktien aus Schwellenländern leiden, sie handeln aber bereits mit einem hohen Abschlag.
Befinden wir uns in einem Bärenmarkt?
Möglicherweise. Mit mehr Gewissheit können wir aber sagen, dass wir uns dem Ende des längsten Bullenmarktes der Geschichte nähern. Selbst nach der jüngsten Korrektur war die Bewertung – gemessen am zyklisch adjustierten Kurs-Gewinn-Verhältnis von Robert Shiller – ausser 1929 und während der Technologieblase nie höher. Das Shiller-KGV in den USA betrug Ende November 32, in den Schwellenländern 13 und in Europa 16. Wegen der hohen Bewertung werden US-Aktien schlechter abschneiden als die Pendants aus Europa und den Schwellenländern. Vor der Finanzkrise vor zehn Jahren war dies genau umgekehrt.
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