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11:30 Uhr - 05.11.2014

Molecular muss sich mit Novartis messen

Am ersten Börsentag werden die Valoren des Biotech-Unternehmens leicht über dem Ausgabepreis gehandelt. Eine abschliessende Beurteilung des IPO-Erfolgs dürfte aber frühestens in rund drei Jahren möglich sein.

Manchmal braucht es einen zweiten Anlauf. Das Biotechnologieunternehmen Molecular Partners ist zu Wochenbeginn nochmals auf die Anleger zugegangen und hat erneut 4,4 Mio. Aktien zum Kauf angeboten. Im Vergleich zum ersten, vor vier Wochen gestarteten Anlauf wurden die Titel in dem bereits am Montagabend abgeschlossenen beschleunigten Bookbuilding-Verfahren allerdings mit einem Abschlag von 20 bis 36% offeriert.

Zudem konnte die Gesellschaft auf die Unterstützung des US-Pharmakonzerns Allergan zählen, der neu nicht nur als Schlüsselpartner für die Medikamentenentwicklung, sondern auch als Ankeraktionär von Molecular fungieren will. Ungeachtet dessen, wie sich die zu 22.40 Fr. emittierten Valoren in den nächsten Tagen entwickeln werden –an der Börse sind sie am heutigen Mittwochmorgen mit einem Kurs leicht über dem Emissionspreis gestartet–, ist von Investoren ein langer Atem gefragt.

«Höhenflug, oder es kracht»

Eine abschliessende Beurteilung des IPO-Erfolgs dürfte frühestens in rund drei Jahren möglich sein, wenn Molecular und Allergan die Daten aus einer Phase-III-Studie für den wichtigsten Produktkandidaten, Abicipar zur Behandlung der Augenerkrankung feuchte altersbedingte Makuladegeneration (AMD), erwarten. Dann werden, wie ein von «Finanz und Wirtschaft» befragter Branchenbeobachter plakativ prophezeit, je nach Studienerfolg die Molecular-Aktien «entweder in die Höhe schiessen oder zusammenkrachen».

zoomDrei Jahre sind in der dynamischen Biotech-Welt eine halbe Ewigkeit. Das Problem für Molecular ist, dass die Konkurrenz nicht schläft. Das Geschäft mit Medikamenten für Netzhauterkrankungen, in dem AMD-Therapien eine zentrale Rolle spielen, ist bereits jetzt über 6 Mrd. $ schwer. Es dürfte bis Ende dieses Jahrzehnts geschätzte 11% pro Jahr expandieren. Das macht es zum wachstumsstärksten Pharmamarkt im Bereich der Augenheilkunde und zieht entsprechend viele Wettbewerber an.

Im AMD-Markt, der auch Therapien des unter Diabetikern verbreiteten diabetischen Makulaödems (DME) umfasst, ist eine Reihe führender Medikamentenhersteller prominent vertreten. Noch immer umsatzstärkstes Produkt ist Lucentis, das in den USA durch Roche (ROG 285.6 1.28%) und in den übrigen Weltregionen durch Novartis (NOVN 89.25 1.59%) vertrieben wird. Das seit rund acht Jahren zugelassene Medikament, dessen Umsatz sich im ersten Semester 2014 auf insgesamt 2,1 Mrd. $ belief, hat aber in den letzten knapp drei Jahren verstärkt Konkurrenz durch Eylea erhalten. Das Präparat, dessen Vermarktung und Weiterentwicklung sich das amerikanische Biotechnologieunternehmen Regeneron (US-Markt) und der deutsche Pharmakonzern Bayer (Verkaufsregionen ausserhalb der USA) teilen, brachte es im ersten Halbjahr auf Einnahmen von rund 1,2 Mrd. $.

Eylea hat den Vorteil, dass es anders als Lucentis nicht jeden Monat, sondern nur alle acht Wochen gespritzt werden muss. Molecular und Allergan streben mit Abicipar sogar einen dreimonatigen Dosierungszyklus an. Wie weit Augenärzte darauf einsteigen, ist umstritten. Ein Analyst gibt zu bedenken, dass viele unter ihnen die Patienten weiterhin alle zwei Monate aufbieten könnten, weil sie das gewohnt seien. Er ergänzt, dass Ärzte pro Injektion bezahlt würden und vor diesem Hintergrund gar nicht daran interessiert seien, den Dosierungszyklus zu verlängern.

Im Erfolgsfall müssten sich Molecular und Allergan mit der gut geölten Marketingmaschinerie vor allem von Novartis messen. Die auf die Ophthalmologie (Augenheilkunde) spezialisierte Novartis-Tochtergesellschaft Alcon ist bis auf die Behandlung des trockenen Auges in allen ophthalmologischen Kernmärkten die grösste Anbieterin. Hinzu kommt, dass Forscher von Novartis gegenwärtig in Phase II an einem neuartigen AMD-Medikament arbeiten. Der Wirkstoff mit der Bezeichnung RTH258 (ehemals ESBA 1008) könnte dereinst gar durch eine mit einer Spezialbrille verbundenen Pumpe injektionsfrei verabreicht werden, wie Vertreter des Basler Pharmariesen im Juni an einem Investorenanlass darlegten.

Nächster Heiliger Gral?

Einen knappen Monat zuvor hatte Novartis zudem bekanntgegeben, die Rechte für die Vermarktung des Medikamentenkandidaten Fovista von Ophthotech ausserhalb der Vereinigten Staaten zu erwerben. Das bereits in Phase III erforschte Produkt könnte 2017 als erster sogenannter PDGF-Rezeptor die Zulassung zur Verabreichung in Kombination mit einem gängigen, gegen den Wachstumsfaktor VEGF gerichteten AMD-Medikament wie Lucentis und Eylea erhalten.

Molecular und Allergan arbeiten auf Basis von Abicipar ebenfalls an einer solchen Kombinationstherapie, die ein Teil der Branchenexperten als «nächsten Heiligen Gral» der AMD-Behandlung sieht. Die beiden sind aber über Tierversuche noch nicht hinausgekommen. Das ist ein weiterer Nachteil, der vorläufig gegen Engagements in den Börsenneuling aus Schlieren spricht.

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