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01:56 Uhr - 15.03.2016

Ohio: Trumps Achillesferse

Am Dienstag entscheidet sich, ob Donald Trump die Nomination zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten gewinnen wird. Nur eine Niederlage im Bundesstaat Ohio kann seinen Vormarsch noch stoppen.

Donald Trump bringt die politische Stimmung in den USA zum Kochen. Wie explosiv das Klima  ist, zeigen die gewalttätigen Zusammenstösse, zu denen es während seinen Auftritten in den vergangenen Tagen gekommen ist.

In Chicago musste eine Veranstaltung des republikanischen Spitzenkandidaten sogar ganz abgesagt werden, um eine Eskalation mit Demonstranten zu verhindern. Das weckte böse Erinnerungen an die Präsidentschaftswahlen von 1968, als es in Amerika zu schweren Unruhen kam.

«Trump macht sich eine Furcht vor fremden Einflüssen zu nutzen, die in der amerikanischen Geschichte tief verwurzelt ist», sagt Geschichtsprofessor Allan Lichtman. Er vergleicht den streitbaren Milliardär mit George Wallace, dem früheren Gouverneur von Alabama.

Dieser machte sich bei den Wahlen von 1968 für die Rassentrennung stark und führte eine aggressive Kampagne als unabhängiger Kandidat. «Auch Wallace war ein Provokateur und stachelte bei seinen Auftritten immer wieder Gewaltausbrüche an», meint der Historiker von der American University.

Super-Duper Tuesday

Entsprechend hoch gehen die Emotionen vor dem grossen Showdown am Dienstag. Am sogenannten «Super-Duper Tuesday» entscheiden Anhänger der republikanischen Partei in Florida, Ohio, Illinois, North Carolina und Missouri, wen sie als Kandidaten ins Rennen um das Weisse Haus schicken wollen.

Massgeblich ist dabei, was in Florida und Ohio passiert. In den beiden Bundesstaaten geht es um 99 respektive 66 Delegiertenstimmen, die allesamt an den jeweiligen Sieger gehen werden.

Heute wird sich damit herausstellen, ob Trump bis zum Parteikonvent in Cleveland überhaupt noch gestoppt werden kann. Zum aktuellen Zwischenstand hat der Rechtspopulist unter den verbleibenden vier Anwärtern zwar die besten Chancen, bis Ende Juli eine Mehrheit von mindestens 1237 Delegiertenstimmen zu gewinnen, die für die Nomination zum Präsidentschaftskandidaten erforderlich sind.

Florida und Ohio sind jedoch die Heimatstaaten der Mitstreiter Marco Rubio und John Kasich, die alles daran setzen, Trump den Weg zum Sieg zu versperren.

Delegiertenstimmen der republikanischen Kandidatenzoom Quelle: CNN

Je nachdem, wie das Ergebnis am Super-Duper Tuesday ausfällt, sind vier Szenarien für den weiteren Verlauf der Vorwahlen denkbar. Verliert Trump sowohl in Ohio wie auch in Florida, dann ist das Rennen wieder offen. Gewinnt er hingegen in beiden Bundesstaaten, ist ihm die Nomination so gut wie sicher.

Ein drittes Szenario wäre, dass Trump in Florida gegen Rubio verliert und gegen Kasich in Ohio gewinnt. Eine solche Konstellation gilt jedoch als wenig wahrscheinlich, zumal Trump gemäss den letzten Umfragen in Florida weiterhin klar führt.

Abstimmungsumfragen in Floridazoom Quelle: RealClear Politics

Am spannendsten ist das vierte Szenario: Trump sichert sich Florida, was für Rubio das Ende der Kampagne bedeuten würde. Ohio hingegen geht an Kasich, der dort als Gouverneur hohes Ansehen geniesst und in den Umfragen knapp führt.

Für Trump würde es damit enorm schwierig, bis Cleveland die Mehrheit der Delegiertenstimmen zu erreichen. Er würde sich so einen Zerfleischungskampf mit dem erzkonservativen Senator Ted Cruz aus Texas liefern, der derzeit auf Platz zwei rangiert und in Washington mindestens so verhasst ist wie Trump.

Abstimmungsumfragen in Ohiozoom Quelle: RealClear Politics

Entsprechend gross ist die Nervosität in den oberen Rängen der Grand Old Party. Da in diesem Szenario kein Anwärter über das mehr Mehr an Stimmen verfügt, kommt es in Cleveland zu einer sogenannten «contested Convention» – ein politisches Ränkespiel, das in den US-Wahlen letztmals stattgefunden hat, als das Fernsehen noch schwarz-weiss war.

In so einem umkämpften Konvent sind die Delegierten im ersten Urnengang zwar an das Resultat der Vorwahlen in ihrem jeweiligen Bundesstaat gebunden. Danach können die meisten aber unabhängig für ihren persönlichen Favoriten stimmen.

Zerreissprobe für die republikanische Partei

«Selbst wenn Trump mit den meisten Delegiertenstimmen nach Cleveland geht, könnte am Konvent ein Deal eingefädelt werden, um ihm die Nomination doch noch zu verweigern», sagt Lichtman. Theoretisch hätte sogar ein Aussenseiter wie der frühere Präsidentschaftskandidat Mitt Romney eine Chance, obwohl er bei den Vorwahlen nicht angetreten ist.

«Ein solches Manöver wäre aber eine naive Fehlkalkulation, denn es würde die republikanische Partei auseinander reissen und womöglich dazu führen, dass Trump als Unabhängiger kandidiert», denkt der Geschichtsprofessor.

Letztmals eröffneten die Republikaner 1976 einen Parteikonvent ohne einen Kandidaten mit klarem Mehr an Delegiertenstimmen. Bereits im ersten Wahlgang setzte sich dann aber der amtierende Präsident Gerald Ford gegen Ronald Reagan durch. Der letzte wirklich umkämpfte Konvent spielte sich 1948 ab.

Damals gewann New Yorks Gouverneur Thomas Dewey die Nomination im dritten Stimmgang. Bei den Demokraten geht die letzte contested Convention ins Jahr 1952 zurück. Nominiert wurde schliesslich Adlai Stevenson, obschon der Gouverneur von Illinois sich an den Vorwahlen nicht beteiligt hatte.

Sanders lässt nicht locker

Im Gegensatz zu damals muss die Leitung der demokratischen Partei am bevorstehenden Konvent in Philadelphia keine chaotischen Zustände fürchten. Auch wenn Spitzenkandidatin Hillary Clinton mehr Mühe bekundet, als von den meisten Experten erwartet, liegt sie in Florida und North Carolina bei den Umfragen klar vorn.

Ein überraschender Sieg in Michigan hat derweil der Kampagne ihres Rivalen Bernie Sanders wieder etwas mehr Schwung gegeben, so dass er in Ohio, Missouri und Illinois durchaus mithalten könnte.

Delegiertenstimmen der demokratischen Kandidatenzoom Quelle. CNN

Das grösste Risiko für Clinton ist damit, dass sich die Vorwahlen immer weiter in die Länge ziehen. Das, auch weil die Delegiertenstimmen bei den Demokraten in allen Bundesstaaten proportional vergeben werden. Sanders könnte am Dienstag so genug Support erhalten, um bis im Sommer im Rennen zu bleiben.

«Das würde ihn zum besten Freund der Republikaner machen», meint dazu der Historiker Lichtman. «Obschon er die Nomination nicht gewinnen wird, könnte er Clinton und der demokratischen Parteiführung das Leben dadurch erheblich erschweren.»

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