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18:20 Uhr - 30.09.2014

Der Praktikus vom 1. Oktober 2014

Die Themen: das mutlose neue Werk der Economiesuisse und ein schlechtes Beispiel für Corporate Governance sowie der teure Kauf von Roche.

Lieber Investor

Ach, die liebe Economiesuisse. Am Montag präsentierte der Wirtschaftsverband seinen neuen Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance. Unter uns gesagt: Ein reichlich mutloses Werk. Viel Tinte ist in den Medien zum Thema Frauenquote in Verwaltungsräten verdruckt worden. Ich halte davon nichts. Verwaltungsräte müssen nach Fähigkeiten, nicht nach Geschlecht, Alter, Rasse oder Religion besetzt werden. Viel wichtiger finde ich jedoch ein anderes Thema: Der Grundsatz One Share, One Vote ist immer noch nicht im Empfehlungswerk für kotierte Gesellschaften vorgesehen. Das ist ein Fehler.

Als Experte gegen den Grundsatz «Eine Aktie, eine Stimme» fungierte in der Economiesuisse-Arbeitsgruppe res­pektive an der Pressekonferenz Karl Hof­stetter, Titularprofessor an der Universität Zürich. Er sagte, es gäbe keine empirische Evidenz, dass Unternehmen, die dem Prinzip One Share, One Vote folgen, erfolgreicher seien.

One Share, One Vote!

Nun denn. Bei allem Respekt für Professor Hofstetter: Als Chefanwalt und VR-Mitglied von Schindler (SCHN 126 -0.32%) sowie Präsident der Kuoni (KUNN 257.5 1.58%) und Hugentobler Stiftung – sie hält 25% der Stimmen und 6,25% des Kapitals an Kuoni – ist er, sagen wir, leicht voreingenommen. Weder Schindler noch Kuoni kennen das One-Share-One-Vote-Prinzip. Kuoni ist an der Börse ein Trauerspiel, mit den Schindler-Papieren habe ich als Teilhaber über die Jahre dagegen sehr gut gelebt (wenngleich ich mit den Aktien des finnischen Konkurrenten Kone (KNEBV 31.44 -0.57%) noch viel mehr Gewinn eingefahren habe, doch dies nur am Rande bemerkt).

Wenn immer hierzulande über das One-Share-One-Vote-Prinzip diskutiert wird, fällt der Name Schindler. Wer kann schon etwas dagegen haben, wenn ein Unternehmen erfolgreich von einem umsichtigen Patron kontrolliert wird? Niemand. Bloss: Für jeden Schindler gibt es eine AFG Arbonia-Forster (AFGN 20.35 0.74%) (als Edgar ­Oehler die Kontrolle ausübte), für jede Swatch Group (UHR 447.4 0.04%) gibt es eine Kudelski (KUD 12.1 -0.82%). Sind nun Schindler und Swatch die Beispiele, dass One Share, One Vote überbewertet ist? Oder beweist Kudelski das Gegenteil? Ein halbwegs funktionierendes Aktionariat hätte CEO André Kudelski nämlich schon vor Jahren abgesetzt.

Wenn es denn so ist, dass keine empirische Evidenz für One Share, One Vote spricht, dann spricht ebenso nichts dagegen. Zumindest schützt der Grundsatz mich als Minderheitsaktionär vor selbstgefälligen Egomanen, die über eine Stimmenmehrheit die volle Kontrolle über ein Unternehmen ausüben können. Und übrigens: Vor Selbstgefälligkeit sind auch die heute oft als positive Beispiele genannten Patrons nicht gefeit.

Alibaba als Beispiel?

Doch damit nicht genug. Vollends den Vogel abgeschossen hat Hofstetter, als er an der Pressekonferenz das Beispiel Alibaba (BABA 86.1 -3.1%) nannte. Der chinesische Internetkonzern weist nämlich eine in jeder Hinsicht miserable Corporate Governance auf. Die Börse Hongkong verweigerte Alibaba die Kotierung, weil sie den One-Share-One-Vote-Grundsatz zwingend vorschreibt. Bravo! Die Führungscrew um Alibaba-Gründer Jack Ma wählte danach die amerikanische Börse Nasdaq für ihrem flamboyanten Börsengang.

Nun kommt wieder Professor Hofstetter: Er sagte an der Pressekonferenz, Alibaba kenne auch kein One-Share-One- Vote-Prinzip – und trotzdem hätten sich die Investoren um die Titel gerissen. Das unterstreiche sein Argument. Das ist so ziemlich das Dümmste, was ich bislang dazu gehört habe. Alibaba ist ein Blasenprodukt, für mich ein klares Beispiel des dreifachen O: Overhyped, Overpriced, Overbought. Nichts für mich als seriösen Investor. Weiss Gott, ob das Ding irgendwann abstürzt. Wetten, dass dann – und erst dann – einige Schlaumeier darauf hinweisen, Alibaba hätte eben keine gute Corporate Governance gehabt?

Pikantes Detail zum Schluss: Als Economiesuisse vor sieben Jahren letztmals den Code of Best Practice schrieb, sassen zwei Vertreter der Schweizer Börse in der Arbeitsgruppe. Dieses Mal betrug die Zahl der SIX-Vertreter: null.

zoomMich interessiert Ihre Meinung: Unterstützen Sie ein One-Share-One-Vote-Prinzip an der Schweizer Börse? Sagen Sie es mir hier. Die letztwöchige Umfrage ergab ein recht klares Verdikt: Fast zwei Drittel der Abstimmenden sind der Meinung, der ­Zürcher Kantonalbank solle die Staats­garantie entzogen werden.

Teurer Kauf von Roche

Für die Aktionäre des kalifornischen Biotechnologieunternehmens InterMune ist die Frist zur Andienung ihrer Titel an Roche (ROG 280.5 -0.71%) abgelaufen. Insgesamt wurden 79,4% der Titel angeboten. Damit steht der Übernahme nichts mehr im Weg. Eine andere Frage ist, ob sich der 8,3-Mrd.-$-Deal für Roche rechnen wird. Zur Erinnerung: Roche übernimmt eine Gesellschaft, die im Wesentlichen über ein Produkt verfügt – Esbriet gegen Lungenfibrose. Es ist in Europa und Kanada, aber noch nicht in den USA zugelassen.

Dass Roche derart tief in die Taschen für eine Einproduktfirma greift, sorgt auf der anderen Seite des Rheins für Stirnrunzeln. Von Novartis (NOVN 90.1 0.33%) ist zu vernehmen, dass Akquisitionen nur dann infrage kämen, wenn die übernommene Gesellschaft mehr als einen Werttreiber habe. Wegen des im vergangenen April angekündigten Konzernumbaus hat das Novartis-Management gegenwärtig alle Hände voll zu tun. Doch sobald die Transaktionen abgeschlossen sind, was spätestens Mitte 2015 der Fall sein soll, will der umsatzmässig weltgrösste Pharmakonzern Zukäufe in Angriff nehmen.

Als Zielgrösse gelten Akquisitionen zum Preis von 2 bis 5 Mrd. $. Darüber werde es schwierig, heisst es aus der Konzernzentrale in Anspielung an die Übernahmewelle, die seit bald zwei Jahren über die Gesundheitsbranche rollt. Dass das Feld für grössere Deals dünn geworden ist, finde ich nicht schlimm. Mir ist lieber, Novartis und künftig hoffentlich auch Roche konzentrieren sich auf ihre eigene Forschungspipeline, als sich auf kostspielige Akquisitionen einzulassen. Als Investor bringt mich die Qual der Wahl ohnehin nicht um: Novartis und Roche GS sind seit Jahren fester Bestandteil in meinem Portfolio.

Ihr Praktikus

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