Die Verkehrsministerin äussert sich im Interview zum hängigen Rahmenabkommen, zur Weiterführung der Börsenäquivalenz und zu den Vorbereitungen auf Brexit.
Frau Bundesrätin Leuthard, in etwas mehr als fünf Monaten tritt Grossbritannien aus der Europäischen Union aus. Ist die Schweiz auf den Brexit vorbereitet?
Ja, das können wir bereits heute sagen. Im Bundesrat haben wir schon vor längerem Strategien entwickelt und die Departemente aufgefordert zu analysieren, welche Abkommen neu verhandelt oder den veränderten Bedingungen angepasst werden müssten. Wir haben uns auf alle Szenarien, also auch auf einen harten Brexit, vorbereitet, um die Abkommen so weit wie möglich lückenlos in Kraft setzen zu können.
Einer der wichtigen Punkte ist der Flugverkehr. Kommt es nicht zu einer Einigung, droht ab dem 30. März 2019 die Einstellung aller Flüge von Grossbritannien nach Europa.
Dieser Bereich ist enorm wichtig. Grossbritannien ist nach Deutschland der zweitwichtigste Flugverkehrsmarkt. Täglich gibt es zwischen der Schweiz und Grossbritannien 150 Flüge. Für die Wirtschaft ist diese Verbindung elementar. Wir sind so weit und haben das entsprechende Abkommen vorbereitet, um einen reibungslosen Übergang zu garantieren. Es muss noch paraphiert und unterzeichnet werden. Wir warten damit, weil Grossbritannien auch mit Brüssel eine Lösung finden muss.
Grossbritannien ist es untersagt, bis zum Austritt aus der EU Freihandelsabkommen abzuschliessen. Tangiert dies solch vorzeitige Verhandlungen nicht?
Das ist in der Tat eine der Schwierigkeiten, mit denen wir uns konfrontiert sehen. Wir waren aber auch gegenüber der EU immer transparent. Es geht darum, dass wir uns darauf vorbereiten müssen, mit vorzeitigen Gesprächen allfällige Lücken im Personen- oder im Warentransport von der Schweiz nach Grossbritannien zu vermeiden. Im Verkehrsbereich hat der Bundesrat gewisse Kompetenzen, um ein Abkommen vorzeitig abzuschliessen.
Mit Gesprächen über ein allfälliges Freihandelsabkommen mit Grossbritannien muss aber noch abgewartet werden?
Hier laufen bereits intensive Gespräche, aber es müssen die ordentlichen Prozesse im Parlament eingehalten werden, allenfalls verknüpft mit einer provisorischen Anwendung.
Der Brexit scheint die Verhandlungen zwischen der Schweiz und Europa etwas zu erschweren. Wie ist Ihre Wahrnehmung?
Das entspricht auch unserem Eindruck. Man spürt, dass die EU-Mitgliedstaaten noch etwas näher zusammengerückt sind. Ihre Message ist: Wer am Binnenmarkt teilnehmen will, muss die Spielregeln einhalten. Das ist auch verständlich. Man will nicht unendlich viele Ausnahmen zulassen. Beim Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU, bei dem es um den Marktzutritt geht, verstehen wir auch, dass wir nur vereinzelt auf Sonderlösungen pochen können.
Zum Beispiel?
Bei der Personenfreizügigkeit akzeptieren wir das Prinzip, aber pochen darauf, die Arbeitsbedingungen national zu regeln. Wir haben ein anderes Sozialversicherungssystem als Europa. Wir stehen heute an einem anderen Punkt. Unsere Absicht ist, hart zu bleiben und darauf zu setzen, dass die EU uns entgegenkommt.
Noch immer droht die Gefahr, dass Ende Jahr die Börsenäquivalenz ausläuft. Gibt es Neuigkeiten dazu?
Das hängt nach wie vor davon ab, wie die Fortschritte beim Rahmenabkommen sind. Wenn wir tatsächlich nicht rechtzeitig eine Lösung finden, wird die Kommission im Dezember über das weitere Vorgehen entscheiden. Wir haben einen Plan B und sind auf jedes Szenario vorbereitet. Der Bundesrat strebt als Jahresziel nach wie vor an, das Rahmenabkommen so weit zu treiben, dass Ende Dezember die Eckpunkte klar sind.
Es hiess, dass das Rahmenabkommen bis 15. Oktober stehen müsse.
Nein, wir haben keinen Zeitdruck. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist bis Mai 2019 im Amt. Natürlich wäre es wünschenswert, das Rahmenabkommen vorher abzuschliessen. Wir hoffen weiterhin, dass wir noch dieses Jahr eine Lösung finden.
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