Anke Bridge, Digitalchefin der Credit Suisse (Schweiz), über neue Angebote, veraltete IT, sich ändernde Jobprofile und Kooperationen unter den Banken.
Seit rund einem Jahr leitet Anke Bridge den Bereich Digital Solutions & Delivery der Credit Suisse (Schweiz). Ihre Aufgabe: die Digitalisierung der CS im Heimatmarkt. Im Interview mit «Finanz und Wirtschaft» spricht Bridge darüber, mit welchen Projekten sich CS von anderen Banken abheben will und wie der Abstand zur zweiten Schweizer Grossbank verringert werden soll.
Frau Bridge, nervt es Sie, dass UBS nach wie vor als digitalste Bank des Landes gilt?
Ich finde die Position des Angreifers eine gute Position. Ich höre von unseren Kunden gerade in den letzten Wochen besonders häufig, dass sie unser digitales Angebot gut finden. Das freut uns.
Wie haben die Kunden das gespürt?
Bis Mitte des Jahres haben wir unsere Online-Banking-Plattformen für Privat- und Geschäftskunden neu aufgestellt. Unternehmen bieten wir auf der neuen Plattform zum Beispiel Multibanking und ein Leasing-Cockpit an. Darin können alle bestehenden Leasingverträge verwaltet und neue innerhalb weniger Minuten online abgeschlossen werden. Damit haben wir die Basis gelegt und werden jetzt laufend Funktionen aufschalten. Auch bei anderen Dienstleistungen machen wir vorwärts. So bieten wir beispielsweise seit Sommer die digitale Kontoeröffnung für Privatkunden an.
Haben Sie dadurch Neukunden gewonnen?
Die digitale Kontoeröffnung hat uns effektiv Neukunden gebracht. Zudem ist unser neues Banking-Angebot für Kinder auf sehr grosse Resonanz gestossen. Wir haben bereits mehrere tausend unserer digitalen Sparkässeli verkauft. Das hat mir die Macht der Digitalisierung nochmals vor Augen geführt: Das Bankkonto und das Sparschwein sind jahrhundertealt, können aber, wenn man sie ins digitale Zeitalter herüberholt, neue Begeisterung bei den Menschen wecken.
Digitale Kontoeröffnung hat doch mittlerweile fast jede Bank. Wo unterscheidet sich Credit Suisse von den andern?
Im Gegensatz zu anderen Banken wollten wir bei der digitalen Kontoeröffnung von Anfang an einen effizienten und vollkommen papierlosen Prozess. Das haben wir erreicht. Den gleichen Prozess werden wir bis Ende Jahr auch für Geschäftskunden und Start-ups einführen sowie diesen Kunden die Online-Kreditabwicklung ermöglichen. Damit setzen wir eine neue Messlatte in der Branche.
Aber brauchen Sie für diese neuen Angebote nicht auch eine neue IT?
Die Frage stellt sich jede Bank: Erneuere ich meine IT komplett und binde damit Zeit, Mitarbeiter und Finanzen? Oder erneuere ich punktuell und kann so neue digitale Angebote schneller zum Kunden bringen? Wir verändern nicht nur die Oberfläche, sondern auch unsere historisch gewachsene, breite IT-Plattform.
Ist es für eine Grossbank nicht schlicht unmöglich, die alten Systeme auf einen Schlag zu erneuern?
Diese Systeme sind grundsätzlich sehr stabil, hochgradig automatisiert und oft kostengünstig im Betrieb. Eine «Big-Bang-Ablösung» oder vollständige Erneuerung scheint uns deswegen nicht erstrebenswert, wohl aber eine Kosten-Nutzen-basierte, graduelle Erneuerung einzelner Komponenten.
Seit 2016 versucht CS, komplette Prozesse von der Kundenanfrage bis zur endgültigen Produktauslösung durchzudigitalisieren, sprich frei von Handarbeit zu gestalten. Wie weit sind Sie damit?
Es geht um 200 Prozesse, die zum Teil für grossen manuellen Aufwand sorgen und jetzt vollständig digitalisiert werden. Wir haben uns im ersten Schritt auf die grossen Prozesse mit den höchsten Volumen konzentriert. Einzahlungs-, Spar-, Kautions- oder Säule-3-Konti haben wir schon komplett digitalisiert und die Eröffnungsdauer von teilweise zehn auf zwei Arbeitstage reduziert. Die Reise bis zur komplett durchdigitalisierten Bank wird aber kaum ein Ende finden. Denn es geht nicht nur um bestehende Prozesse. Wenn neue, komplexe Dienstleistungen dazukommen, ist dort am Anfang auch noch Handarbeit nötig.
Bauen Sie dadurch Personal ab?
Die Digitalisierung verändert natürlich unsere Arbeitswelt. Jobs, die heute noch viel Handarbeit verlangen, werden in Zukunft weniger nachgefragt werden. Darum ist es wichtig, in die Aus- und Weiterbildung des Personals zu investieren.
Zum Beispiel beim Schalterpersonal? Die Kunden gehen immer weniger in die Filiale. Planen Sie Schliessungen?
Unser Filialnetz muss sich mit dem Kundenverhalten ändern, und wir sind dabei, Konzepte dafür zu entwickeln. Vieles, was ich früher am Schalter gemacht habe, kann ich heute online erledigen. Der physische Standort ist für die öffentliche Wahrnehmung einer Bank aber immer noch unglaublich wichtig.
Sparen Sie denn heute schon effektiv Kosten, oder investieren Sie momentan nicht erst einmal in das neue Angebot?
Wir müssen erst einmal in die Digitalisierung investieren. Dieses Jahr sind es in der Schweiz rund 100 Mio. Fr. Je stärker die Bank digitalisiert ist, desto effizienter und günstiger werden unsere Prozesse. Das setzt Kapital frei, das wir wieder in neue Angebote investieren können.
Sie sind für die Schweiz zuständig. Wie sieht es mit Ihren Pendants in anderen Divisionen aus? In Asien digitalisieren Ihre Kollegen doch vollkommen an Ihnen vorbei.
Wir sind über die Divisionen hinaus in einem engen Austausch. Für die Kunden auf der Schweizer Buchungsplattform bauen wir alles gemeinsam. Zur internationalen und zur asiatischen Plattform gibt es technische Unterschiede. Dennoch nutzen wir Synergien. Die digitale Kontoeröffnung haben wir beispielsweise gleichzeitig in der Schweiz und in Asien eingeführt.
Wie sieht es mit der Kooperation unter den Schweizer Banken aus? Eine gemeinsame IT von CS und UBS, geführt von der SIX, haben alle Beteiligten mittlerweile begraben.
Die Idee einer Zusammenarbeit im Backoffice-Bereich ist nicht neu. Wie bereits gesagt steht Credit Suisse einer Prüfung möglicher Formen der Zusammenarbeit grundsätzlich positiv gegenüber.
Bisher konnten sich die Banken nur bei der mobilen Bezahl-App Twint zusammenraufen. Sind Sie von den bescheidenen Nutzerzahlen enttäuscht?
Nein, Twint hat über 470 000 registrierte Kunden. Das bedeutet einen Zuwachs von 20% von Ende Juni bis Ende August. Auch bei den Transaktionen erhöhen sich die Zahlen laufend. Seit Juni sind die Transaktionen pro Monat um 22% gestiegen, auf 335 000 im August. Vor allem im Online-Shopping sehen wir bei Twint eine starke Entwicklung. Dort ist die Anwendung benutzerfreundlicher als andere. Auch die Peer-to-Peer-Überweisungen funktionieren hervorragend und werden intensiv genutzt. Die Ladenkasse ist hingegen nicht der Anwendungsfall, für den Twint in erster Linie entwickelt wurde.
Ein Thema, bei dem Banken international stark zusammenarbeiten, ist Blockchain. Auch Credit Suisse hat intern viele Projekte dazu laufen. Wann wird es konkret?
Wir haben in der ganzen Gruppe viele Projekte laufen. Die Gretchenfrage ist, wann man genug Partner hat, die willens sind, diese neue Technologie auch wirklich gemeinsam einzusetzen.
Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.