Der Zementkonzern nominiert keinen Nachfolger für den zurücktretenden Verwaltungsrat. Da Schmidheiny freiwillig auf unternehmerische Macht im VR verzichtet, könnte er einen (Teil-)Verkauf seiner Beteiligung planen.
Der französisch-schweizerische Zementkonzern LafargeHolcim (LHN 52.9 0.15%) nominiert definitiv keinen Nachfolger für den aus dem Verwaltungsrat zurücktretenden Grossaktionär Thomas Schmidheiny. Das geht aus der Einladung des Unternehmens für die Generalversammlung am 8. Mai hervor.
Auch Bertrand (BDT 105.5 -4.26%) Collomb, der einflussreiche Franzose, erhält keinen Nachfolger. Das fein austarierte Gleichgewicht von Lafarge- und Holcim-Vertretern im Verwaltungsrat ist somit zumindest auf dem Papier bewahrt.
Einer statt zwei VR-Sitze
«Thomas Schmidheiny bleibt einer der Hauptaktionäre der Gesellschaft», erklärte LafargeHolcim in einer Mitteilung. Einer der Hauptaktionäre? Bisher war Schmidheiny mit seiner Beteiligung von 11,4% am Kapital der grösste Aktionär. Das verschaffte ihm zwei Sitze im VR: einen für ihn selbst und einen für Dieter Spälti, den Leiter von Schmidheinys Family Office Spectrum Value. Nun soll nur noch Spälti im obersten Gremium bleiben.
International erfahrene Schwergewichte
Die zweit- und die drittgrösste Aktionärsgruppe (GBL und Sawiris) kommen zusammen auf 13,5% des Kapitals, verfügen im Gremium aber unverändert über drei der verbleibenden zehn Sitze.
Nassef Sawiris, Paul Desmarais und Gérard Lamarche sind Schwergewichte mit grosser internationaler Erfahrung, wohingegen Spälti zwar das Zementgeschäft seit Jahrzehnten kennt und strategischer Berater von Schmidheiny ist, aber keine spezifische Managementerfahrung aufweist.
«Unterschätzen Sie Herrn Spälti nicht», sagte Schmidheiny-Sprecher Jörg Denzler gegenüber FuW. Denzler dementierte Verkaufsabsichten von Schmidheiny und bezeichnete Spälti als «eine Schlüsselfigur im Verwaltungsrat von LafargeHolcim».
Schmidheiny-Nachkommen wollen nicht
Auch Verwaltungsratspräsident Beat Hess sieht in der ungleichen Machtverteilung der Eigentümer keine besondere Herausforderung. «Bei LafargeHolcim gibt es keine speziellen Statuten, die regeln, ob und wie bedeutende Aktionäre im Verwaltungsrat vertreten sein sollen», sagte er auf Anfrage der FuW.
Verschiedene von FuW kontaktierte Beobachter, die anonym bleiben wollen, erwarten, dass Schmidheiny seine Beteiligung veräussern oder abbauen will. Da keiner seiner vier Nachkommen sich für das Zementgeschäft interessiert, stellt LafargeHolcim für die Familie kein Bindeglied mehr dar. Die Beteiligung mit ihrem Marktwert von rund 3 Mrd. Fr. ist ein Klumpenrisiko, das es zu diversifizieren gilt.
Aktienpaket wird zum Klumpenrisiko
Dies ist ein häufiges Schicksal familiendominierter Unternehmen, wenn den Eigentümern der unternehmerische Mumm abhandenkommt, es Nachfolgeprobleme oder Streit gibt.
Beispielsweise schufen die Erben des Sandoz-Gründers in den Sechzigerjahren eine Familienstiftung, die als Grundstock Novartis-Aktien hält und heute breit unternehmerisch tätig ist. Vor zwölf Jahren verkaufte der Schweizer Ernesto Bertarelli sein Biotech-Unternehmen Serono und diversifizierte sein Vermögen. Im vergangenen Jahr hat der VW-Firmenpatriarch Ferdinand Piëch die Mehrheit am Volkswagen-Konzern veräussert.
Weiterhin Strippen ziehen
Dass Schmidheiny schnell alle Leinen zu LafargeHolcim kappt, ist unwahrscheinlich. Ein äusserer Zeitdruck scheint nicht zu bestehen. Tatsächlich braucht man um den Einfluss Schmidheinys auf «sein» Unternehmen unmittelbar nicht zu fürchten.
Er und Verwaltungspräsident Hess gelten als enge Vertraute. Und das Ehrenpräsidium, in das der Verwaltungsrat Schmidheiny «als Wertschätzung seiner ausserordentlichen Verdienste für LafargeHolcim» ernannt hat, gibt dem langjährigen Patron eine gewisse Möglichkeit, weiterhin die Strippen zu ziehen.
Beat Hess ist zufrieden
Jedenfalls drängt Hess offenbar nicht zu einer weiteren Veränderung des von den ursprünglich vierzehn auf zehn Personen verkleinerten Verwaltungsrats: «Wir sind überzeugt, dass wir mit der zukünftigen Zusammensetzung unseres Verwaltungsrats über die richtigen Kompetenzen und die relevanten Erfahrungen in diesem Gremium verfügen», lässt er schriftlich mitteilen.
Tatsächlich hat LafargeHolcim einen Verwaltungsrat mit ausserordentlich reicher internationaler Führungserfahrung. Hess betont: «Alle Mitglieder des Verwaltungsrats haben in multinationalen Unternehmen in verschiedenen Industrien gearbeitet. Gleichzeitig verfügen die VR-Mitglieder auch bezüglich Geschlecht und geografischer Herkunft über unterschiedliche Profile.»
Ethos auf Distanz
Nicht alle sind zufrieden. Die Aktionärsvertreterin Ethos hatte vergangenes Jahr kritisiert, das Unternehmen verfüge über zu wenige unabhängige Verwaltungsräte. Sie stellte sich deswegen gegen die Wiederwahl des GBL-Vertreters Gérard Lamarche. Ob die Einschätzung angepasst wird, will Ethos gemäss ihrem Direktor Vincent Kaufmann noch festlegen.
Ein gewisser Handlungsdruck ergibt sich daraus, dass der Verwaltungsrat ein fortgeschrittenes durchschnittliches Alter aufweist. Mittelfristig dürfte die grösste Herausforderung darin bestehen, einen Nachfolger für Beat Hess zu finden, der den hohen Anforderungen des Schweizer Rechts an die strategischen Fähigkeiten eines VR-Präsidenten gerecht wird.
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