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12:01 Uhr - 27.12.2016

«In China fürchtet man sich vor dem Januar»

An den Märkten sorgen anhaltende Kapitalabflüsse aus China nicht mehr für Nervosität. Doch laut dem Ökonomen Gene Ma «betet die Notenbank, dass die Dollaraufwertung stoppt».

Erinnert sich jemand an die grosse Nervosität Anfang 2016? Damals sorgten Kapitalabflüsse aus China für Kursverluste an den globalen Finanzmärkten.

Kapital fliesst gegenwärtig weiterhin ab – doch kaum jemand kümmert sich mehr darum.

zoomQuelle: IIF Gemäss dem Bankenverband Institute of International Finance (IIF) sind die Nettoabflüsse immer noch sehr hoch. Sie könnten sich im November auf 115 Mrd. $ belaufen haben (vgl. Grafik rechts). Dieser Betrag ist ähnlich hoch wie im August 2015, als die Abflüsse ein Rekordhoch erreicht hatten.

Damals sorgte eine Abwertung der chinesischen Währung Yuan für Schockwellen an den Börsen weltweit. Die Aussicht auf eine Abwertungsspirale wurde als Gift für die Weltwirtschaft interpretiert. Chinesische Exporte würden stetig günstiger. Druck auf die Preise im Welthandel, sinkende Unternehmensgewinne und ein Abrutschen in die Deflation wurden befürchtet.

Zuletzt haben sich die Produzenten- und die Konsumentenpreise in China erholt – zum ersten Mal seit langem steigen sie wieder. Auch ein stabiles Wachstum durch ein Ausweiten der Kreditvergabe hat die Sorgen um eine Deflationsspirale gemildert.

Abwertungsdruck durch höhere US-Zinsen

Doch steigende Zinsen in den USA machen es nun wahrscheinlich, dass der Kapitalabfluss noch einmal anzieht. Für chinesische Anleger wird es damit immer attraktiver, Geld aus der Volksrepublik abzuziehen. Daher wird der Dollar immer stärker, nicht nur gegenüber dem Yuan (vgl. Grafik rechts).

Gene Ma, China-Chefökonom des IIF, erklärt im Gespräch mit FuW: «Die chinesische Zentralbank betet, dass die Aufwertung des Dollars aufhört.»

Gene Ma, Quelle: IIF Für Ma ist klar, dass die niedrige Rendite für chinesische Anlagen der Grund für die Yuanschwäche ist. «Die chinesische Abwertung ist unterschiedlich zu anderen Schwellenländern», meint der ehemalige Angestellte des chinesischen Finanzministeriums. «Das Land hat weiterhin einen grossen Überschuss in der Handelsbilanz, der eigentlich keine Abwertung rechtfertigt.»

Ständige Suche nach höherer Rendite

Gene Ma erklärt: «Wohlhabende Chinesen suchen ständig nach höherer Rendite. Erst haben sie es mit dem Immobilienmarkt versucht, dann mit Aktien und sogenannten Wealth-Management-Produkten – Kreditanlagen, die von Banken ausgegeben werden.» Doch wegen der fallenden Renditen in China und der Angst vor einer weiteren Abwertung würden die Investoren nun im Ausland nach Investitionsmöglichkeiten suchen.

Das neue Jahr könne weitere Probleme bringen: «Es kursiert die Angst vor höheren Kapitalabflüssen im Januar», sagt der in Peking und New York ausgebildete Ma. Denn zu Anfang jeden Jahres erhält jede Person in China ein Kontingent von umgerechnet 50’000 US-$, um Yuan in ausländische Währung umzutauschen.

Höhere Zinsen würden teuer

Um Kapital in China zu halten, bräuchte es eigentlich höhere Zinsen und ein Ende der Ängste um eine anhaltende Abwertung des Yuans. Beides ist nicht jedoch ohne Kosten zu erreichen.

zoomQuelle: Nomura Höhere Zinsen würden die hoch verschuldeten Unternehmen in China belasten. Eine grössere Belastung durch die Bedienung von Krediten könnte Firmen in den Zahlungsausfall treiben – und damit auch die Banken in eine Krise stürzen.

Gemäss der Investmentbank Nomura ist in keiner anderen Weltregion das Risiko einer Finanzkrise so gross wie in der Volksrepublik (vgl. Grafik rechts).

zoomUm Abwertungen trotz des Kapitalabflusses und ohne einen Zinsanstieg zu verhindern, müssen die Devisenreserven eingesetzt werden. Doch die sinken bereits heute massiv.

Bald könnte die Marke von 3 Bio. $ zum ersten Mal seit 2011 unterschritten werden (vgl. Grafik rechts). Damit ist es kaum glaubwürdig, dass die chinesische Zentralbank mit den Reserven einen fixen Wechselkurs zum Dollar durchsetzen wird.

Gespaltene Meinung der Experten

Bei Gesprächen mit Experten und Entscheidern in Peking hat Gene Ma zwei unterschiedliche Lager zum richtigen Umgang mit der Geldpolitik vorgefunden. «Ein Lager will den Wechselkurs freigeben, um die Währungsreserven zu schützen. Die Vertreter argumentieren, dass es dem Vertrauen der Anleger schadet, wenn die Reserven weiter sinken», sagt er.

Dagegen würde das andere Lager den Einsatz der Reserven befürworten, um eine Abwärtsspirale einer anhaltenden Abwertung zu verhindern. «Dieses Lager meint, dass eine stabile Währung das Vertrauen zurückgewinnen würde», sagt Ma.

Der Kern des Problems ist laut Ma, dass der Staat in China die Fremdwährungen an sich gerissen hat. Ein Vergleich mit Japan illustriere das: «Die Abwertung des Yens hat in Japan nicht zu grossen Abflüssen geführt, da in Japan die Fremdwährungen grossteils von Unternehmen und Privathaushalten gehalten werden.»

Da in China die Devisen vom Staat gehalten würden, sei «Geld in dem Land gefangen». Dadurch würde sich wie bei einem Staudamm viel Druck ansammeln: «Werden die Schleusentore geöffnet, will eine ganze Flut von Geld herausfliessen.»

Kapitalkontrollen versus globale Reservewährung

Um die Flut einzudämmen, könnte China weitere Kapitalkontrollen erlassen. Schon jetzt sind immer mehr Schritte bekannt geworden, die es für Unternehmen und Privatpersonen erschweren, Kapital ins Ausland zu bringen.

Doch das ist nach Ansicht von Gene Ma problematisch. «Die chinesische Währung ist seit November Teil des IWF-Währungskorbs der Sonderziehungsrechte, SDR», mahnt er. «Teil der Anforderungen dafür ist, dass die Konvertibilität der Währung verbessert wird.» Es ist Teil der Anstrengungen, den Yuan als globale Reservewährung zu etablieren. Es würde nun nicht gut ausschauen, wenn China offiziell strengere Kapitalkontrollen einführt, sagt Ma.

«Es gibt keine ideale Lösung für die chinesische Notenbank», sagt Ma.

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