Die Verhandlungen mit J&J über die Übernahme gestalteten sich alles andere als harmonisch. Lesen Sie hier die wahre Geschichte des Falls Actelion.
Es ist der 26. Januar. Der US-Gesundheitskonzern Johnson & Johnson (JNJ 117.2 0.72%) gibt öffentlich bekannt, dass er einen Grossteil der Schweizer Biotech-Gesellschaft Actelion (ATLN 270 0%) für 280 $ je Aktie in bar übernehmen will. Der Verwaltungsrat von Actelion empfiehlt das Angebot seinen Aktionären zur Annahme.
All das klingt nach einer durchweg romantischen Liebesgeschichte. Dank der heute Donnerstag im öffentlichen Übernahmeangebot (lesen Sie hier mehr zu den Konditionen der Akquisition) veröffentlichten Fakten ist nun jedoch klar: Die Verhandlungen über die Übernahme gestalteten sich äusserst zäh. Bis die beiden Parteien ihre Liebe öffentlich bekundeten, gab es Drama, zwischenzeitlich hatte man sich sogar getrennt.
Der erste Kontakt
Alles beginnt im Januar 2016. Actelion hat soeben die Zulassung für ihr potenzielles Blockbuster-Medikament Uptravi erhalten, und Actelion-CEO Jean-Paul Clozel befindet sich an einer Konferenz. Es dürfte sich dabei um die jährlich stattfindende renommierte Investorenkonferenz JP Morgan Healthcare Conference gehandelt haben.
Man kennt sich in der Branche, es wird viel geredet. Es kommt zum ersten Kontakt zwischen den zwei hochrangigen J&J-Vertretern Paul Stoffels, Forschungsvorstand sowie Joaquin Duato, exekutiver Vizepräsident, und Clozel. Die J&J-Vertreter kontaktieren Clozel, der lieber Forscher ist als CEO, mit dem Ziel einer «strategischen Transaktion». «Die US-Zulassung unseres neuen Medikaments Uptravi Ende Dezember ist auf grosses Interesse an der Konferenz gestossen», sagte Clozel bezeichnenderweise einen Tag nach der Konferenz gegenüber «Finanz und Wirtschaft».
Daraufhin kommt es mehrmals zu Treffen zwischen den hochrangigen J&J-Vertretern und Clozel sowie Actelion-VR-Präsident Jean-Pierre Garnier. Neun Monate später ist klar: J&J will Actelion übernehmen. Clozel und Garnier wollen jedoch nicht verkaufen. Dennoch macht J&J den Actelion-Protagonisten Clozel und Garnier ein unverbindliches Übernahmeangebot in bar.
Der Balztanz
Der Verwaltungsrat von Actelion prüft das Angebot im Oktober und kommt zum Schluss, dass es zu tief ist. Vor allem das Potenzial der bei Actelion noch in der Entwicklung befindlichen Medikamente (Pipeline) wird nach Ansicht von Actelion zu wenig berücksichtigt.
J&J lässt jedoch nicht locker. Der Konzern legt nach. Das Barangebot wird Ende Oktober erhöht. Doch auch diese Offerte erachtet Actelion als zu gering. Dennoch bleiben J&J und Actelion-VR-Präsident Garnier in Kontakt.
Während der unverbindlichen Gespräche zwischen Ende Oktober und Mitte November wird immer deutlicher: J&J und Actelion sind sich nicht per se unsympathisch. Der Knackpunkt ist jedoch die Bewertung von Actelions Pipeline.
Schliesslich ist es Garnier selbst, der J&J vorschlägt, die Pipeline vom Rest von Actelion abzuspalten, damit J&J den Rest dann übernehmen kann. J&J zeigt sich offen für eine solche Deal-Struktur. Die Verhandlungen werden daraufhin wieder deutlich intensiver.
J&J und Actelion kommen sich immer näher
Es ist der 25. November. J&J und Actelion bestätigen nach Medienberichten öffentlich, in Verhandlungen zu stehen. Drei Tage später unterschreiben die beiden Parteien sogar eine Vertraulichkeitsvereinbarung zwecks Gewährung einer eingeschränkten Due Diligence. Man ist sich also schon sehr nahe.
Von der Verlobung bis zur Heirat scheint es nicht mehr lange zu dauern. Doch dann kommt das, was kommen musste – zumindest wenn man Liebesgeschichten basierend auf Hollywood-Drehbüchern glaubt. Plötzlich buhlt ein Zweiter um die Braut.
Ein weiterer Verehrer taucht auf
Am 12. Dezember offeriert Unternehmen A – es handelt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um den französischen Pharmakonzern Sanofi – Actelion ein besseres Angebot als das von J&J. Auch hier ist die Abspaltung der Pipeline vorgesehen.
Der Verwaltungsrat von Actelion beschliesst, das Angebot von Unternehmen A weiterzuverfolgen, und informiert J&J darüber. Die Amerikaner zeigen sich enttäuscht und brechen die Verhandlungen ab.
Undurchsichtiges Spiel
Unternehmen A, Garnier und Clozel treffen sich rund eine Woche später. Unternehmen A ändert jedoch die Bedingungen. Nominal bleibt sein Angebot zwar höher als das von J&J. Dennoch stimmt die Chemie zwischen den beiden Parteien nicht. Auch fordert Unternehmen A eine umfassende Due Diligence. All das missfällt Garnier und Clozel. Die beiden krebsen zu J&J zurück.
Die Verhandlungen mit J&J werden am 20. Dezember wieder aufgenommen. Fortan unterhalten sich die beiden Parteien exklusiv – wohl auch auf Druck von J & J. Abgemacht ist eine exklusive Periode bis Ende Januar 2017.
Der Verehrer gibt nicht auf
Unternehmen A gibt jedoch nicht auf. Unaufgefordert sendet es bereits am 21. Dezember ein neues, revidiertes Angebot.
Am 20. Januar sind J&J und Actelion fast so weit. J&J informiert Garnier, dass sie bereit ist, 278 $ je Aktie für Actelion ex Pipeline zu zahlen. Auch Unternehmen A bekundet weiterhin Interesse. Es bestätigt Actelion sogar mit Dokumenten, dass es finanziell in der Lage ist, die Übernahme durchzuführen.
Hochzeit wird verkündet
Drei Tage später vergleicht der Verwaltungsrat von Actelion ein letztes Mal das Angebot von J&J mit dem von Unternehmen A. Er kommt zum Schluss, dass die beiden Offerten in etwa ähnlich sind. Diejenige von J&J bietet in Anbetracht der fast fertiggestellten Dokumente und der bereits durchgeführten Due Diligence jedoch eine grössere Transaktionssicherheit.
Am 25. Januar wird der Angebotspreis wegen eines schwächeren Dollarkurses zum Franken nochmals um 2 $ auf 280 $ je Aktie erhöht. Der Verwaltungsrat von Actelion kommt definitiv zum Schluss, dass das Angebot von J&J im Interesse der Aktionäre ist.
Die Hochzeitseinladungen werden verschickt. Am 26. Januar empfiehlt der Verwaltungsrat von Actelion die Offerte von J&J zur Annahme.
PS: Auch die beste Freundin, die die Braut tatkräftig berät, darf in dieser Liebesgeschichte nicht fehlen. Die Anwaltskanzlei Niederer Kraft & Frey stand Actelion von Anfang an als Beraterin zur Seite.
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