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07:17 Uhr - 23.09.2014

Schwellenländer erneut unter Druck

Die Währungen der Schwellenländer sind jüngst wieder etwas unter Druck geraten. Unter den «Fragile Five» stehen zwei Länder besser da als vor dem letzten Sturm im vergangenen Jahr.

Wieder geht in einigen Schwellenländern die Angst vor einem Exodus ausländischer Investoren um. Die Währungen senden Warnsignale. Im laufenden Monat haben sie sich zum Dollar bis zu 5% abgewertet. Denn die Tage der US-Nullzinspolitik und der globalen Liquiditätsschwemme sind gezählt. Das Anleihenkaufprogramm des Fed wird im Oktober eingestellt, und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Leitzinsen angehoben werden.

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Die Erwartung eines höheren Zinsniveaus in den USA hatte im vergangenen Jahr mit dem Beginn der Debatte über das Drosseln (Tapering) des Anleihenkaufprogramms des Fed eine aussergewöhnliche Kapitalflucht und Währungsabwertung ausgelöst. Da die US-Zinsen eine wichtige Inputgrösse von Bewertungs- und Asset-Allocation-Modellen sind, hatte eine kleine Veränderung bei den Zinserwartungen grosse Auswirkungen.

Auf einmal war der erwartete Ertrag von US-Anleihen auch im Vergleich zu Schwellenländeranlagen wieder attraktiv. Als die ersten Investoren nach der Tapering-Rede des damaligen Fed-Chefs Ben Bernanke im Mai mit der Umschichtung begannen und wegen der sinkenden Kurse immer mehr die Flucht ergriffen,  war das «Taper-Tantrum» perfekt. So benannten angelsächsische Kommentatoren die panikartige Verkaufswelle, in Anlehnung an «temper tantrum», was auf Englisch einen Wut- oder Trotzanfall bezeichnet.

Rückfall nach AufholjagdDie fragilen fünfIn einem Analysepapier im August 2013 nannte Morgan Stanley die Gruppe der Währungen, die wegen der Kursänderung der US-Geldpolitik besonders unter Druck sein würden, die fragilen fünf (The Fragile Five). Dazu zählten sie die indische Rupie, die indonesische Rupiah, den brasilianischen Real, den südafrikanischen Rand und die türkische Lira.

Ihnen gemeinsam waren ein grosses und steigendes Leistungsbilanzdefizit, hohe Inflation und erhöhte reale effektive Wechselkurse. Letztere sind ein Indiz für eine Überbewertung. Der Begriff prägte danach das Thema der Schwellenländerkrise, auch wenn andere Studien zum Schluss kamen, dass Thailand, Chile, Peru oder Mexiko ebenfalls Schwachstellen aufwiesen

Die grössten Verluste erlitten damals die Währungen von Ländern mit grossen Leistungsbilanzdefiziten wie die Fragile Five. In Volkswirtschaften mit einem negativen Leistungsbilanzsaldo übersteigen die laufenden Ausgaben die Einnahmen, da sie in der Regel mehr importieren als exportieren. Sie leben sozusagen über ihren Verhältnissen und sind von ausländischem Kapital abhängig. Ziehen ausländische Kapitalgeber ihr Geld ab, sind Anpassungen beim Wechselkurs, bei den Zinsen oder den Importen die Konsequenz. Auch jetzt stehen vor allem die Währungen von Ländern mit Zahlungsbilanzproblemen wie Brasilien, der Türkei, Südafrika oder Indonesien unter Druck, nachdem sie dank konjunktureller Lichtblicke und fallender US-Langfristzinsen im zweiten Quartal spektakulär aufgeholt hatten.

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Einen schweren Stand haben derzeit auch die Rohstoffwährungen. Der chilenische Peso ist auf das tiefste Niveau seit der Finanzkrise gefallen. Beim russischen Rubel, der auf Allzeittief notiert, kommt verschärfend die Ukrainekrise hinzu. Indien dagegen wird unterdessen nicht mehr als sehr verletzlich angesehen. Die Zentralbank hat mit einer restriktiven Geldpolitik  das Vertrauen der ausländischen Investoren zurückgewonnen, und das Leistungsbilanzdefizit wurde mit regulatorischen Massnahmen wie einem Strafzoll auf Goldimporte reduziert.

Rand, Real und Lira fragil

zoomIn Indonesien ist offensichtlich der Wille da, das Land gegen einen zweiten Sturm zu rüsten. Die Zentralbank erhöhte schon früh die Zinsen, und die Regierung bemühte sich darum, die Auslandschulden zu verringern. Die neue Regierung versucht, Investoren von ihrem Willen zu Strukturreformen zu überzeugen. In Südafrika, Brasilien und der Türkei aber hat sich seit dem «Taper-Tantrum» strukturell kaum etwas verändert. Die Defizite in der Leistungsbilanz sind gleich hoch oder sind gestiegen. Die Inflationsraten liegen immer noch über 6%, ihre Währungen bleiben deshalb fragil.

Eine weitere Abwertung kann für ausländische Anleger schmerzhaft sein, sie führt aber nicht zwingend zu einer Wirtschaftskrise in den Ländern.  Paul McNamara, Schwellenländerspezialist bei GAM (GAM 17.5 -0.28%), betont den automatischen Stabilisierungseffekt des Wechselkurses. zoomBesonders Länder, die Industriegüter und Dienstleistungen statt Rohwaren exportieren, könnten durch die billigere Währung ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Die Abwertung erhöhe auch den Druck, eine restriktivere Geldpolitik zu fahren und die Importe zu begrenzen. Das erleichtere den Abbau von nicht haltbaren Ungleichgewichten. Indien und zu einem gewissen Masse auch Indonesien haben es vorgemacht.

Indonesien setzt auf Stabilität über WachstumVertreter der alten und der neuen Regierung des südostasiatischen Landes werben um das Vertrauen ausländischer Investoren. Lesen Sie hier den Artikel von FuW-Redaktor Ernst Herb.

GAM-Bondsmanager: «Gute Politik in Indien»Paul McNamara, Spezialist für Schwellenländeranleihen beim Vermögensverwalter GAM, lobt die Anstrengungen vieler Emerging Markets zur Bekämpfung ihres Leistungsbilanzdefizits. Doch er meidet weiterhin die Türkei und Südafrika. Lesen Sie hier das Interview von FuW-Redaktor Alexander Trentin.

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