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16:05 Uhr - 06.12.2017

«Wir setzen auf Swiss Re und Swatch Group»

Marc Hänni, Fondsmanager und Leiter Aktien Schweiz bei Vontobel AM, bevorzugt 2018 wieder verstärkt die grossen SMI-Titel. Er favorisiert Versicherer und Luxusgüter.

Herr Hänni, einmal mehr schauen wir auf ein gutes Börsenjahr zurück. Geht die Party auch nächstes Jahr weiter?
Wie sehen weiter steigende Börsen. Das Umfeld bleibt gut. Das Gewinnwachstum ist vorhanden, die europäische Wirtschaft floriert. Länder wie Frankreich, Italien, Spanien und Portugal haben sich nach der Finanzkrise deutlich erholt. Das sind für exportorientierte Unternehmen gute Zeichen.

Dennoch sieht man unter Börsianern alles andere als Euphorie. Zu Recht?
Institutionelle Anleger machen sich Gedanken über eine Blase an den Aktienmärkten. Die Indizes haben seit der Finanzkrise deutlich zugelegt, viele notieren auf Allzeithöchst. Das macht sie vorsichtig.

Weshalb sind Grossanleger vorsichtig?
Man ist sich der Gefahr von Korrekturen bewusst. Statt blind Titel zu kaufen, sucht man sie gezielt aus. Das hat man dieses Jahr sehr gut gesehen – sowohl bei zyklischen als auch bei defensiven Werten. Während ABB (ABBN 25.37 0.4%) bei Anlegern gefragt waren, liefen LafargeHolcim (LHN 52.8 -1.03%) hinterher. Während Nestlé (NESN 86.4 1.95%) besser als der Markt performten, enttäuschten Swisscom (SCMN 522.5 0.48%). Das sind allerdings auch Zeichen, dass wir uns in einer reiferen Phase des Bullenmarktes befinden.

Und dennoch bleiben Sie zuversichtlich?
Es ist noch zu früh, sich defensiv aufzustellen. Wir sind etwas vom Gaspedal gegangen, haben einzelne Risiken bewusst leicht heruntergefahren und bei Überfliegern wie AMS (AMS 88.4 -4.9%) und Temenos (TEMN 129.2 -0.46%) einen Teil der Gewinne mitgenommen. Ein Blick in die USA zeigt, dass dort einzelne Branchen an ihre Grenzen kommen – so zum Beispiel die Automobilindustrie. Das hat auch auf die Zulieferer Auswirkungen.

Was heisst das konkret?
Wir waren Anfang Jahr noch stark in Schweizer Autozulieferer wie Autoneum (AUTN 264 -1.31%), Komax (KOMN 308.25 -0.16%), Ems-Chemie (EMSN 651.5 -0.38%) und Georg Fischer (FI-N 1274 -0.7%) investiert, haben das Exposure inzwischen aber bewusst reduziert. Wenn der operative Hebel in einem sich abschwächenden Markt plötzlich auf die negative Seite kippt, werden wir vorsichtig.

Wo sind Sie sonst noch auf die Bremse getreten?
Bei der Medizinaltechnik. Straumann (STMN 715 0.42%) kann mit ihrem Geschäftsmodell die nächsten drei Jahre zweistelliges Wachstum abliefern, auch wegen zusätzlicher Anwendungen in neuen Bereichen wie beispielsweise der Kieferorthopädie, wo sie jüngst ClearCorrect akquiriert hat. Die Aktien bieten auch auf dem heutigen Niveau noch gewisses Aufwärtspotenzial. Die aktuelle Bewertung lässt aber keine Schwäche zu. Die Gefahr, dass der Titel für Zahlen abgestraft wird, die nicht den Erwartungen entsprechen, ist uns zu gross.

Wo sehen Sie Einstiegschancen?
Die grössten Chancen sehen wir vermehrt wieder bei den Large Caps. Die Gewinne der klein- und mittelkapitalisierten Titel werden 2018 zwar auch dank der Abschwächung des Frankens nochmals im hohen einstelligen oder tiefen zweistelligen Bereich wachsen. Bei Finanzvaloren sowie Pharma- und Luxuswerten aus dem SMI (SMI 9316.51 0.3%) zeigt die Stossrichtung aber stärker aufwärts. Wir erwarten hier eine allmähliche Verbesserung des Gewinnwachstums.

Welche Finanzwerte sind attraktiv?
Attraktive Papiere findet man bei den Versicherungen, nicht bei den Banken. Wir setzen nicht auf den Turnaround der Credit Suisse (CSGN 16.59 -1.37%), und UBS (UBSG 16.86 -0.82%) kann uns auch nicht begeistern. Derzeit scheinen die Banken auf Kurs zu sein. Wird jedoch ein Ziel nicht erreicht, folgt die nächste Restrukturierung. Das ist für uns kein überzeugendes Geschäftsmodell. Die Assekuranz bietet bessere Möglichkeiten. Wir haben dieses Jahr eher Zurich Insurance (ZURN 296.7 -0.13%) gehalten, sind aber für die kommenden Monate positiver für Swiss Re (SREN 89.95 -0.66%) gestimmt.

Was hat den Stimmungswandel ausgelöst?
Die Hurrikansaison hat Naturkatastrophen mit grossen Schäden verursacht. Die Chance für signifikante Preiserhöhungen bei den Versicherungsprämien ist deshalb gut. Das 1 Mrd. Fr. schwere Aktienrückkaufprogramm der Swiss Re dürfte zusätzlich helfen. Die gute Eigenkapitalsituation erlaubt, Geschäftsopportunitäten wahrzunehmen. Zudem gehen wir davon aus, dass die Dividende für das Geschäftsjahr 2017 mindestens so hoch wie im Vorjahr ausfallen wird.

Die Pharmawerte performten 2017 bestenfalls durchschnittlich. Wie geht es weiter?
Die Gründe für das durchzogene Jahr sind bekannt. Bei Novartis (NOVN 82.45 -0.72%) könnte der neue Konzernchef für Auftrieb sorgen. Bei Nestlé hat man gesehen, wie der Kurs reagiert, wenn der neue Chef Vorschusslorbeeren erhält. Möglicherweise könnten 2018 auch News durchsickern, wie es mit der Problemsparte Alcon weitergeht. Bei Roche (ROG 246.6 0.61%) wusste man, dass Patente auslaufen und dieses Jahr Übergangscharakter hat. Wenn sich der negative Nachrichtenfluss abschwächt und erste positive Meldungen kommen, können wir uns vorstellen, dass die Aktie an Terrain gewinnt.

Und im Luxusbereich?
Swatch Group (UHR 367.7 0.85%) finde ich nach wie vor spannend. Das Unternehmen ist auf einem guten Weg, zumal es in der Region China überdurchschnittlich viel Umsatz erzielt. Möglicherweise dauert es noch bis zur Präsentation der Jahreszahlen, bevor der Kurs richtig anspringt. Konzernchef Nick Hayek hat in den vergangenen zwei Jahren vor Investoren und Journalisten vielleicht etwas zu optimistische Aussagen gemacht. Nun will man Fakten sehen – sprich: die Jahreszahlen.

Die Marken Swatch, Certina und Tissot stehen in einem immer grösseren Wettbewerb mit Smartwatches. Eine potenzielle Gefahr?
Man muss die Entwicklung zumindest im Auge behalten. Ich würde von Swatch Group in diesem Bereich gerne mehr sehen. Allerdings zeigen die Aktionen der Mitbewerber, wie schwierig eine sinnvolle Strategie ist. Es macht wenig Sinn, eine überarbeitete Swatch als Smartwatch zu lancieren – wie die Uhren mit Bezahlfunktion in China. Swatch Group wird in den kommenden Monaten kaum darum herumkommen, eine vernetzte Uhr auf den Markt zu bringen – und zwar eine, die nicht einfach die Apple-Watch-Features kopiert. Allerdings tut sich nicht nur Swatch Group damit schwer, sondern die gesamte Uhrenindustrie.

Wo sehen Sie attraktiv bewertete Valoren im Nebenwertesegment?
Hier kommt man kaum um das Ausschlussprinzip herum. Im Industriebereich ist es schwierig geworden. Bei OC Oerlikon (OERL 16.15 -0.92%) haben wir unsere Position etwas zurückgefahren. Im Technologiesektor ist viel Positives eingepreist. Auch bei Finanzwerten sind wir vorsichtig – einzig in Valiant (VATN 103.6 -0.67%) sind wir noch investiert. Ebenfalls uninteressant sind Immobilienaktien. Die Bauaktivität ist immer noch hoch, die Zuwanderung nimmt aber ab. Zudem ist die Bewertung im historischen Vergleich äusserst stolz.

Was ist denn überhaupt noch interessant?
Wenn man in einen Finanztitel investieren will, ziehen wir Partners Group (PGHN 665.5 -0.37%) – trotz ebenfalls hoher Bewertung – oder den Vermögensverwalter GAM (GAM 15 -1.32%) vor. Die Frage ist, welche Lehren GAM aus dem Intermezzo mit dem aktivistischen Investor RBR gezogen hat. Der Verwaltungsrat ist nicht untätig geblieben und hat viele Gespräche, auch mit Investoren, geführt. Ich bin zuversichtlich, dass das Unternehmen auf dem richtigen Weg ist. Denn die Performance seiner Fondsprodukte stimmt.

Stehen weitere Titel auf Ihrer Liste?
Lindt & Sprüngli (LISN 69475 0.33%) dürfte 2018 wieder an Dynamik gewinnen, irgendwo in der Mitte des eigenen Wachstumsziels von 6 bis 8% pro Jahr. Das Währungs- und Rohstoffpreisumfeld hat sich verbessert. Das Geschäft mit Premium-Schokolade läuft in Europa und den Schwellenländern nach wie vor sehr gut. Zudem erwarten wir bei der US-Tochter Russell Stover nach dem zweistelligen Umsatzrückgang 2017 eine deutliche Verbesserung.

Gibt es weitere Kandidaten?
Beim Computerzubehörhersteller Logitech (LOGN 32.45 -1.55%) dürfte sich das starke Wachstumsmomentum über die kommenden Quartale fortsetzen. Die Pipeline ist gut gefüllt, die Kostendisziplin des Managements gross. Die Gesellschaft ist deshalb auf Kurs, die mittelfristigen Ziele zu erreichen. Mit einem adjustierten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 27 für 2018 ist Logitech nicht günstig. Aber dank dem starken Wachstum, der Margenverbesserung und der soliden Cashflow-Entwicklung sehen wir weiteres Potenzial.

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