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13:25 Uhr - 04.06.2018

Lobbying zersetzt die US-Politik

Für Geld erhoffen sich Unternehmen und Verbände Kontakt und Einfluss. Das gibt es schon seit Jahrzehnten, doch die Unverfrorenheit hat unter der Trump-Regierung zugenommen. Das schadet dem politischen Prozess.

Alle tun es. Egal, ob Google (GOOGL 1148.34 1.18%), AT&T (T 32.5899 0.37%) oder Novartis (NOVN 74.9 0.27%). Über Lobbyisten in Washington versuchen Unternehmen, auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen Einfluss zu nehmen. Das gehört zum politischen Prozess. Es nicht zu tun, wäre in den Augen von Steven Billet, Professor für Politikwissenschaft an der George-Washington-Universität, «unverantwortlich». Das Recht eines jeden, «die Regierung zur Beseitigung von Missständen aufzufordern», ist wie die Redefreiheit im ersten Zusatz der US-Verfassung festgehalten. So weit die Theorie.

In der Praxis steht Lobbying heute für Korruption und krumme Geschäfte – also für den Sumpf am Potomac. Das jüngste Beispiel ist Michael Cohen. Der Privatanwalt von US-Präsident Donald Trump erhielt von Novartis 1,2 Mio. $, um dem Pharmaunternehmen Zugang zum Weissen Haus zu verschaffen. Doch anstelle eines direkten Drahts bekam Novartis einen Imageschaden (vgl. Kasten). Der Fall zeigt, woran das System krankt.

Der Schwarzmarkt boomt

Michael Cohen ist kein Lobbyist. Zumindest nicht im eigentlichen Sinn. Lobbyisten müssen sich registrieren und offenlegen, für wen sie arbeiten, wie viel sie dafür erhalten, mit welchen politischen Akteuren sie Kontakt haben und auf welche Gesetze sie Einfluss nehmen. Dies aber nur, sofern sie mindestens 20% ihrer Zeit dafür aufwenden. Dieses Schlupfloch hat Cohen ausgenutzt. Er ist nicht der Einzige.

Laut dem ehemaligen Lobbyisten und heutigen Journalisten Jimmy Williams gibt es «einen Schwarzmarkt von Schattenlobbyisten». «Es gibt viele Michael Cohens, die vielen Leuten viel Zugang verkaufen», sagt er. Das ist ein Grund, warum die Zahl der registrierten Lobbyisten sinkt und die Lobbyausgaben stabil sind. Zu glauben, dass sich die Industrie auf einem Schrumpfkurs befindet, ist laut Billet ein Trugschluss «Selbstverständlich gibt es nicht weniger Lobbyisten», sagt er. «Es gibt viele Leute, die sich nicht an die Regeln halten.»

Gemäss einer Analyse des Center for Responsive Politics (CPR) haben sich im ersten Quartal des vergangenen Jahres 2100 Lobbyisten, die 2016 aktiv waren, nicht mehr registriert. Doch 58% von ihnen waren weiterhin für denselben Arbeitgeber tätig, und ein Drittel hatte eine Berufsbezeichnung, die darauf schliessen lässt, dass die Lobbytätigkeit anhält. Auch Paul Miller, Lobbyist und Präsident des Interessensverbands National Institute for Lobbying & Ethics, bezeichnet das Schattenlobbying als «ein riesiges Problem». Dagegen getan wird aber wenig. Das Justizdepartement ist gemäss Dan Auble vom CPR unterbesetzt. Dass die Geschichte von Trumps Privatanwalt ans Licht gekommen ist, ist der Sonderermittlung von Robert Muller zu verdanken. Zudem sind Akteure wie Cohen laut Auble zuletzt «unverschämter» geworden.

Zugang sticht Inhalt aus

Zweitens krankt das System an einer Zweckentfremdung. Laut Williams haben 99% der Lobbyisten zuvor im Kapitol gearbeitet. Sie kennen die Materie und haben Erfahrung im gesetzgeberischen Prozess. Laut Miller besteht die Aufgabe der Lobbyisten entsprechend darin, «die Legislative darüber aufzuklären, welche Konsequenzen ein Gesetz für die jeweilige Interessengruppe hat».

Diese Vorstellung hatte auch Williams, als er 2003 das Kapitol verliess und Lobbyist wurde. Er sah sich getäuscht. «Beim Lobbyieren geht es einzig darum, Zugang zu wichtigen Leuten zu verschaffen», sagt Williams. «Daran wird sich nie etwas ändern.» Das Beispiel von Cohen und Novartis bestätigt dies. Dem Pharmakonzern ging es einzig um den Zugang zum Weissen Haus. Denn für Novartis entscheidende Kenntnisse der Pharmabranche hatte der Privatanwalt wohl kaum. Das grössere Problem ist aber ein anderes. Williams, der bis 2010 als Lobbyist arbeitete, bezeichnet es als das Heroin Washingtons: Geld.

Geld regiert Washington

Kongressmitglieder befinden sich in einem ständigen Wahlkampf. Und Wahlkampf kostet. Senatoren und Mitglieder des Repräsentantenhauses dürfen von Vertretern von Interessengruppen zwar nicht direkt Geld annehmen. Lobbyisten können aber Fundraising veranstalten und so das Geld den Politikern zukommen lassen. Williams bezeichnet dies als «legalisierte Bestechung». «Je mehr Geld ein Lobbyist auftreibt, desto grösser ist sein Einfluss», ergänzt er.

Das Gewicht der Geldgeber zeigt sich auch in der Legislative. Assistenzprofessor Michael Barber von der Brigham Young University hat das Wahlverhalten des Senats in den Jahren 2011 und 2012 untersucht. Seine Analyse zeigt, dass das Stimmverhalten der Senatoren die grösste Übereinstimmung mit den Präferenzen der Geldgeber hat und nicht mit denjenigen der Wähler. Billet bezeichnet den grossen Einfluss der Lobbyisten auf die Gesetzgeber als «beunruhigend».

Unter US-Präsident Donald Trump ist es noch schlimmer geworden. Laut der Non-Profit-Organisation Pro Publica sind oder waren 181 Mitglieder der Trump-Administration ehemalige Lobbyisten. Zudem steht der Senat vor der Verabschiedung eines Gesetzes, das einem Wahlversprechen von Trump widerspricht. Er drohte Unternehmen, die Arbeitsplätze ins Ausland verschieben, mit heftigen Strafzöllen. Nun winkt ihnen eine Zollbefreiung – den Lobbyisten sei Dank.

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