US-Präsident Trump hat das Nuklearabkommen mit dem Iran aufgekündigt. Was das für den Ölpreis und europäische Unternehmen bedeuten könnte.
Härteste Sanktionen gegen den Iran – das hat gestern Abend US-Präsident Donald Trump angekündigt. Damit hat sich die USA aus dem seit 2015 bestehenden Iran-Abkommen zurückgezogen. Das Abkommen hatte zum Ziel, den Iran von der Entwicklung von Nuklearwaffen abzuhalten. Die Islamische Republik verpflichtete sich darin unter anderem, die Überprüfung seiner Atomanlagen zu gestatten. Dafür wurden die Handelsbeschränkungen erleichtert.
Ein wichtiger Grund für den Anstieg des Ölpreises über die vergangenen 12 Monate um 50% war die Erwartungen, dass Trump das Abkommen mit dem Iran aufkündigt. Der Preis für die Rohölsorte Brent (Brent 77.002 3.34%) mit mehr als 77 $ je Fass (159 Liter) hat nun das höchste Niveau seit 2014 erreicht.
Die Sanktionen gegen den Iran, dem sechstgrössten Förderland, würden einen Ausfall von bis zu 700’000 Fass pro Tag am globalen Ölmarkt bedeuten, schätzt etwa das Research-Haus FGE. Das entspricht zwar weniger als 0,7% der weltweiten Ölförderung. Doch gleichzeitig wächst die weltweite Ölnachfrage, die Lage am Markt wird also angespannter.
Abnehmerländer werden weiter Öl importieren
Experten halten es für unwahrscheinlich, dass der Iran unter den neuen Sanktionen kein Öl mehr exportieren kann. Hasnain Malik, Stratege bei der auf Entwicklungsländer spezialisierten Investmentbank Exotix Partners: erwartet, dass die Abnehmerländer wie China, Indien, Japan, Südkorea und die Türkei nun wie schon zuvor mit den USA bilateral Ausnahmen vereinbaren, um weiterhin iranisches Öl kaufen zu können.
«Dafür müssten sie aber zweifellos den USA Zugeständnisse machen», sagt Malik, der in Dubai arbeitet.
Gemäss den Analysten der britischen Bank Barclays (BARC 209.85 1.35%) hat das US-Finanzministerium in der Vergangenheit bei Sanktionen jeweils eine «erhebliche Reduzierung» der Ölimporte aus dem Iran verlangt. Diese Formulierung liess grossen Spielraum zu – in der Regel betrug die Reduktion jedoch maximal 20%.
Steigende Exporte nach China
Barclays weist daraufhin, dass China über die vergangenen neun Jahre immer mehr Öl aus dem Iran importiert hat und damit kaum auf dessen Öl verzichten wird. Auch die Länder der Europäischen Union würden nach ihrer Stellungnahme, das Abkommen weiter zu unterstützen, wohl kaum die Ölimporte zurückfahren. Einzelne Firmen könnten aber ihre Abhängigkeit von iranischen Importen senken, erwartet Barclays.
Die grösste Herausforderung für den Iran sei nicht, unter dem US-Embargo Abnehmer für das geförderte Öl zu finden, sondern die Frage, wie die Bezahlung dafür abgewickelt werden soll. Eine Möglichkeit bestünde darin, mehr Transaktionen gegen Bargeld und im Gütertausch abzuwickeln. Die Sanktionen könnten auch umgangen werden, in dem Erdöl mit anderen regionalen Sorten vermischt werden.
«Mittelfristig aber ist der Ausbau der iranischen Förderung durch die US-Sanktionen betroffen,» meint Barclays. Dadurch werde die Fördermenge bis 2025 sinken oder gleich bleiben.
Auswirkungen auf europäische Unternehmen
Der neue US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, erklärte auf Twitter: «Deutsche Unternehmen sollten ihren Betrieb im Iran sofort abwickeln.»
Tatsächlich sind auch nicht-amerikanische Firmen von den Sanktionen gegen den Iran betroffen, bestätigt Malik. Dazu gehörten europäische Unternehmen, die in Dollar bezahlt werden wollen. «Die USA wollen es dem Iran so schwierig wie möglich machen, mit ausländischen Unternehmen Geschäftsbeziehungen zu unterhalten», sagt der Schwellenländer-Experte.
Gefahr drohe zum Beispiel für die Verträge des Ölkonzerns Total (FP 52.48 1.37%) und des Flugzeughersteller Airbus (0KVV 99.2 -0.96%). Beide Unternehmen sind stark in den USA engagiert und erzielen einen Grossteil ihres Umsatzes in Dollar.
Für Barclays ist unklar, wie die Europäische Union auf die US-Sanktionen antwortet, um ihre Unternehmen zu schützen. Auf Basis einer Verordnung von 1996 könnte die EU den heimischen Firmen verordnen, die US-Sanktionen nicht zu befolgen. Das könnte das Risiko eines Handelskriegs verschärfen.
Risiko eines Konflikts mit Israel
Malik hält eine Verschärfung der Konfliktlage im Nahen Osten über die laufenden Stellvertreterkonflikte hinaus für möglich. Ein direkter Krieg mit dem Iran sei aber noch wenig wahrscheinlich, solange das Land das Abkommen auch nach dem Rückzug der USA einhalten will. Doch das Risiko einer Auseinandersetzung zwischen Israel und dem Iran sei gestiegen.
An den Börsen der Staaten des Golfkooperationsrats (Gulf Cooperation Council, GCC) blickt man nervös auf die Entwicklung im Iran. In der Vergangenheit hätte bei erhöhter geopolitischer Unsicherheit jeweils der positive Effekt höherer Ölpreise überwogen, betont Malik. Damals seien die betroffenen Konfliktländer wie Syrien und Libanon für internationale Investoren nicht wichtig gewesen.
Doch nun müssten die Länder des Nahen Ostens für eine Seite entscheiden. Der Raum für eine neutrale Positionierung werde für relativ wichtige Märkte wie Dubai, Kuwait, Oman, Pakistan, Katar und die Türkei kleiner.
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