Die bereinigte Gewinnmarge der Dentalgruppe übertrifft die Erwartung. Hohe Wertberichtigung weckt Skepsis.
Sechs Jahre lang wuchs Straumann (STMN 892.8 -5.24%) Quartal für Quartal mit Wachstumsraten von über 10%, zuletzt eher 20%. Doch der Ausbruch der Pandemie im März auf globaler Ebene reduzierte das Geschäft in den Zahnarztpraxen während sechs Wochen drastisch.
So schrumpfte der Umsatz des Dentalunternehmens im zweiten Quartal 36% im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum. Erwartet worden waren von Finanzanalysten 48% im Durchschnitt.
Die Differenz zwischen den Regionen war enorm: Während das Geschäft in Lateinamerika, namentlich Brasilien, 60% einbrach, ging es in Asien nur 11% zurück.
Marktanteil gewonnen
Im Vergleich zu Envista, dem nächstgrösseren Zahnimplantathersteller, schnitt Straumann im zweiten Quartal besser ab. Der US-Rivale, zu dem die früher in der Schweiz kotierte Nobel Biocare (NOBN 17 0%) gehört, meldete einen Umsatzeinbruch von 47%.
Das deutet auf Marktanteilsgewinne von Straumann hin. Envista blieb überdies mit dem von Sondereffekten bereinigten Betriebsgewinn Ebitda nur ganz knapp im Gewinn.
Straumann reagierte im April rasch mit Kostensenkungsmassnahmen – doch naturgemäss nicht rasch genug, um einen überproportionalen Gewinnrückgang zu verhindern.
Wichtig aber: Sowohl der Ebitda (vor Abschreibungen und Amortisation) wie Ebit und Reingewinn übertrafen die Markterwartung deutlich. Mit rund 23% auf Stufe Ebitda und 16,6% auf Stufe Ebit erwirtschaftete der Implantatspezialist immer noch operative Gewinnspannen, um die ihn viele Unternehmen beneiden würden.
Allerdings sind das um Sonderfaktoren bereinigte Werte. Unter dem Strich wies Straumann einen hohen Verlust aus.
Der Ende Juni abgeschlossene Stellenabbau um 9% zog Restrukturierungskosten von 15 Mio. Fr. nach sich. Weitaus mehr ins Gewicht fielen Wertberichtigungen von 152 Mio. Fr. auf Akquisitionen der vergangenen Jahre.
Fehleinkauf in Indien
«Mit Ausnahme des Implantatgeschäfts in Indien sind die Wertminderungen hauptsächlich auf eine wesentliche Abschwächung der Marktwachstumsperspektiven in den kommenden zwei bis fünf Jahren zurückzuführen», heisst es im Halbjahresbericht.
Über die Hälfte des Abschreibers entfiel auf die 2017 übernommene, auf digitale Zahnmedizin spezialisierte Dental Wings. Sie war schon vor der Pandemie durch einen Grossbrand angeschlagen.
Nicht jede Wertberichtigung war coronabedingt: In Indien wurde Produktion und Vertrieb der 2016 zugekauften Equinox eingestellt, weil sich Straumann-eigene Produkte im unteren Preisbereich als erfolgreicher entpuppten.
Die Bilanz ist mit einem Eigenkapitalanteil von 50% wetterfest geblieben. Straumann hat sich Liquidität beschafft, sodass per Ende Juni mit 380 Mio. Fr. fast doppelt so hohe flüssige Mittel zur Verfügung standen wie zu Jahresbeginn. Zudem könnte sie im Bedarfsfall Kreditlinien im Umfang von 400 Mio. Fr. in Anspruch nehmen.
Noch keine «neue Normalität»
Straumann ist handlungsfähig, wie der Zukauf von DrSmile in Deutschland im Juli beweist. Straumann hat nun einen Fuss drin im Direktgeschäft mit Patienten (Direct-to-Consumer, DTC). Laut CEO Guillaume Daniellot macht DTC bereits 20% des Marktes mit transparenten Zahnschienen aus.
Wie sieht das zweite Halbjahr aus? Der Juli war ähnlich gut wie der Juni. Patienten haben einen Nachholbedarf, die Zahnärzte arbeiten länger als sonst, auch um die Einbussen des Frühlings abzufedern. Doch Finanzchef Peter Hackel warnt davor, die beiden Monate als «neue Normalität» zu betrachten: Erst Ende des dritten Quartals werde man sehen, wo Straumann stehe.
Der Umsatz des Dentalunternehmens ist sehr davon abhängig, wie Regierungen und Bevölkerung mit der Pandemie umgehen und sich die Einkommen der Patienten entwickeln. Besonders in Europa dürfte der Stellenabbau erst nach dem Sommerurlaub so richtig einsetzen.
Kurs-Gewinn-Verhältnis von 43
Mit Blick auf die vielen Unwägbarkeiten erstaunt es nicht, dass die Investoren am Donnerstag mit Abgaben reagierten. Die Aktien hatten sich vom Taucher im März weitgehend erholt, was zu Gewinnmitnahmen einlud.
Die Aktien bleiben teuer, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Gewinndelle 2021 mehr oder weniger ausgebügelt sein wird. Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 43 lädt nicht zu einem Neuengagement ein – auch wenn Straumann post Corona sich rascher als die Konkurrenz in der neuen Welt zurechtfinden wird.
Die komplette Historie zu Straumann finden Sie hier.»
Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.