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13:35 Uhr - 22.03.2016

«Wer Rendite will, kommt um Aktien nicht herum»

Fabian Dori, Leiter Investmenthaus von Notenstein La Roche Privatbank, setzt auf defensive Sektoren wie Telecom, Versorger und Schweizer Immobilien.

Fabian Dori: «Einsteigen in Etappen und möglichst nach Korrekturen.» Bild: ZVGHerr Dori, die Aktienmärkte haben sich nach einem der schlechtesten Jahresstarts der Geschichte beruhigt. Gibt es fundamentale Gründe dafür?
Wichtige Unterstützung boten der deutliche Anstieg des Ölpreises, die neue geldpolitische Lockerung der EZB und der Bank of Japan sowie die in Bezug auf weitere Zinserhöhungen zurückhaltende Rhetorik der US-Notenbank. Auch technische Faktoren wie das Eindecken von Leerverkäufen haben die Erholungsrally verstärkt.

Wende zum Besseren, oder stecken die Märkte in der Baisse?
Wir erwarten trotz der jüngsten Erholung ein weiterhin herausforderndes Marktumfeld. Das global schwache Wachstum, rückläufige US-Unternehmensgewinne sowie absolut gesehen eher stolze Bewertungen lasten auf den Märkten. Weitere Korrekturen sind deshalb nicht auszuschliessen. Aber Aktien bleiben durch die relative Attraktivität verglichen mit anderen Anlagen gut unterstützt. Auch die expansive Geldpolitik spricht für risikoreichere Anlageklassen. Wir gehen derzeit nicht von einem ausgedehnten Bärenmarkt wie 2007 bis 2009 aus.

Wie  schätzen Sie das wirtschaftliche Umfeld ein?
Die Schweiz hat den Frankenschock relativ gut verdaut und dürfte 2016 rund 1% wachsen. Die Konjunkturdynamik in der Eurozone hat zuletzt etwas abgenommen, bleibt aber dank Sonderfaktoren wie dem niedrigen Ölpreis und dem schwachen Euro relativ stabil. Weiter fortgeschritten ist der Zyklus in den USA. Auch da verharrt die Dynamik aber unter Potenzial.

Notenstein La Roche orientiert sich an Szenarien – wie sieht der schlechteste Fall aus?
Der «rote Abgrund», wie wir es nennen, wären ein weitgehender Verlust der Wirkung staatlicher Stimulierungsmassnahmen, eine scharfe Rezession und ein Verlust des Vertrauens in den Wert des Geldes. Neben dem Kaufkraftverlust von Bargeld wäre mit einer erheblichen Korrektur an den Finanzmärkten zu rechnen. Einer der wenigen Profiteure wäre der Goldpreis.

Abgrund in der Tat. Hoffentlich nicht auch das wahrscheinlichste Szenario.
Am wahrscheinlichsten ist «Aussitzen und Wursteln», wie in den letzten Jahren. Die Notenbanken haben versucht, die Märkte zu stützen und die Wirtschaft anzutreiben. Während nachhaltiges Wachstum bisher grösstenteils ausblieb, hat die hohe Liquidität in einzelnen Anlageklassen eine gewisse Blasenbildung begünstigt. Weil der Zeitgewinn nur bedingt für Strukturreformen genutzt wurde, drohen Notenbankaktionen ihre Wirkungen immer mehr zu verlieren. Euro und Yen haben sich trotz monetärer Lockerung jüngst aufgewertet. Anleger müssen sich deshalb auf weiterhin volatile und insgesamt nur schwach rentierende Märkte gefasst machen.

Also Hände weg von Investments?
Aus taktischer Sicht ist nach den kräftigen Gewinnen der letzten Wochen für Neuengagements Vorsicht angebracht. Zusätzliche Korrekturen sind nicht auszuschliessen. Entsprechend empfehlen wir nicht investierten Anlegern den Einstieg in Etappen und möglichst nach Korrekturen.

Im Abschwung mahnten Strategen grossmehrheitlich, bei einer Erholungen Aktien  abzubauen. Heisst das: jetzt verkaufen?
Wir raten Kunden zurzeit zu einer neutralen Aktiengewichtung. Hatten wir noch kurz vor der Erholung bei einer marktbedingt zu tiefen Aktienquote eine Erhöhung empfohlen, nutzen wir die Kursgewinne jetzt, um wieder auf neutral zu reduzieren. Ein Rebalancing bietet auch Gelegenheit, das Portfolio konservativer auszurichten. Beispielsweise halten wir Abstand von den volatilen Sektoren Energie und Grundstoffe. Auch gegenüber Schwellenländern bleiben wir vorsichtig.

Sind Aktien wirklich ohne Alternative? Wie gehen Sie am Obligationenmarkt vor?
Da sind die Chancen nach jahrelanger Tiefzinspolitik tatsächlich dünn gesät. Wir bevorzugen grundsätzlich Unternehmensanleihen. Der Sektor bietet weiterhin selektiv attraktive Optionen und dürfte zudem vom neuen Kaufprogramm der EZB für Anleihen aus dem Nichtbankensegment profitieren. Zu beachten gilt es dabei die teils mangelnde und weiter abnehmende Liquidität. Mehr Ertrag ist leider nur mit mehr Risiken zu haben. Beispielsweise über Aktien von grosskapitalisierten Unternehmen mit hoher und gesicherter Dividendenrendite.

Wo an den Aktienmärkten greifen Sie zu: Europa vor den USA, wie es Konsens ist?
Wir haben aktuell ebenfalls eine Präferenz für Europa. Europäische Unternehmen dürften 2016 erneut steigende Gewinne ausweisen und sind deutlich günstiger bewertet als amerikanische. Auch die Geldpolitik ist in Europa lockerer. Jedoch dürfte die Region bei einer allfälligen Korrektur wegen des höheren Betas stärker verlieren. Wir können uns deshalb bei einer erneuten Verschlechterung des Marktsentiments für beide Regionen eine neutrale Quote vorstellen.

Energie, Grundstoffe und Emerging Markets sehen Sie skeptisch. Was optimistisch?
Angesichts des volatilen Umfelds bevorzugen wir defensive Sektoren wie Telecom, Versorger und Schweizer Immobilien. Titel wie Orange, Swisscom (SCMN 516.5 -0.86%), Vodafone (VOD 216.8 -0.07%) und Deutsche Telekom (DTE 15.6 -0.89%) bieten eine hohe und stabile Dividendenrendite bei fairer Bewertung. Immobiliengesellschaften versprechen ebenfalls attraktiven Cashflow, wobei die Bewertungsgewinne allerdings mehrheitlich ausgeschöpft sein dürften. Favorisiert werden Swiss Prime Site (SPSN 83.6 -0.3%) oder ein diversifiziertes Instrument auf den SXI Real Estate Index.

Welche Veränderungen in der Asset Allocation oder innerhalb einer Anlagekasse könnten sich im Jahresverlauf aufdrängen?
Im Frühsommer geht die saisonal positive Zeit für Aktien zu Ende. Gekoppelt mit weiteren Faktoren wie einer Verschlechterung der Wachstumsaussichten könnte das ein Downgrade für Aktien rechtfertigen. Auch die Brexit-Abstimmung und die US-Präsidentschaftswahlen könnten vorübergehend für eine erhöhte Volatilität sorgen. Auf der anderen Seite haben gerade China und das Fed das Potenzial, die Märkte positiv zu überraschen. China beispielsweise mit einer Stabilisierung im verarbeitenden Gewerbe, das Fed mit einer expansiveren Geldpolitik.

Raten Sie zu Gold?
Wir halten in unseren Portfolios zur Diversifikation grundsätzlich einen strategischen Goldanteil. Das hat sich gerade in den turbulenten Wochen zu Jahresbeginn ausgezahlt. Am Tiefzinsumfeld wird sich so schnell nichts ändern. Gleichzeitig dürfte die Inflation mittelfristig leicht steigen und der Dollar tendenziell schwächer werden. All das sind langfristig positive Faktoren fürs Gold (Gold 1254.26 0.87%), auch wenn es nach dem kräftigen Preisanstieg kurzfristig korrekturanfällig geworden ist.

Wie viel Cash soll der sicherheitsbedachte Investor halten?
Der optimale Cash-Anteil ist abhängig vom individuellen Risikoprofil. Wir halten in unseren Mandaten grundsätzlich eine Cash-Quote von bis zu rund 10%. Das gewährt Flexibilität bei kurzfristigem Cash-Bedarf, sei es aus persönlichen Gründen oder um eine Marktopportunität wahrzunehmen.

Werden die Negativzinsen, wenn sie es nicht schon tun, auch den Bankkunden respektive den Investor treffen?
Negativzinsen hinterlassen bereits jetzt mehrfach Spuren – gerade in der Schweiz. Zwar gewinnt Cash trotz negativen Nominalzinsen aktuell real noch an Wert. Doch das dürfte sich ändern, sobald die Inflationsrate wieder in Richtung positives Territorium weist. Derweil treiben die niedrigen bis negativen Zinsen Investoren in risikoreichere Anlagen wie Aktien und lassen deren Preise steigen. Damit hat sich aber auch das Ertragspotenzial wesentlich reduziert. Zugleich versuchen verschiedene Banken, die Negativzinsen über eine Gebührenerhöhung zu kompensieren. In unserem Szenariendenken spielt Cash besonders im «roten Abgrund» und im Szenario «schmerzhafte Anpassung» eine wichtige Rolle. Während Cash im ersten Fall unter der Hyperinflation leidet, gewinnt es im Letzteren aufgrund deflationärer Tendenzen an Wert.

Was ist mit Blick auf die nächsten Jahre die solideste, die beste Anlage?
Prognosen sind bekanntlich schwierig. Für uns gibt es deshalb grundsätzlich zwei unverzichtbare Anlagen respektive Anlageprinzipien. Erstens ein breit diversifiziertes Portfolio, das sich im Kern auf solide Investments mit Realwertcharakter stützt, die zugleich das Potenzial haben, von langfristigen Trends in Gesellschaft und Wirtschaft zu profitieren. Dazu zählen wir besonders Aktien von qualitativ guten Unternehmen wie Schweizer Blue Chips, Immobilien und Gold.

Und der zweite Grundsatz?
Als zweites Prinzip setzen wir auf Besonnenheit. Die verschiedenen geldpolitischen Experimente haben die Märkte auf unbekanntes Terrain geführt, historische Vergleiche fehlen weitgehend. Es lohnt sich deshalb, auch bei stärkeren Kursschwankungen einen kühlen Kopf zu behalten.

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