Zurück zur Übersicht
11:58 Uhr - 16.07.2015

«Schocks lassen sich nicht vorhersagen»

Rajiv Jain, Anlagechef von Vontobel Asset Management USA, setzt auf nicht überteuerte Qualitätsaktien. Vermehrt gehören auch Banken wieder dazu, wie er im Interview mit der FuW erklärt.

Aktien von Qualitätsunternehmen kaufen, die nicht überteuert sind. Das ist die Anlagephilosophie von Rajiv Jain, Star-Fondsmanager von Vontobel (VONN 48.65 0%) Asset Management. Von den USA aus betreut der gebürtige Inder verschiedene Aktienportfolios, darunter den fast 6 Mrd. $ schweren Schwellenländerfonds. Im Gespräch mit FuW erklärt Jain, wie er mit makroökonomischen Schocks umgeht und weshalb er Richemont (CFR 79.6 1.86%) Swatch vorzieht.

Herr Jain, wie stark prägt Griechenland Ihre Anlagestrategie?
Ehrlich gesagt hat die Griechenlandkrise trotz ihrer Bedrohung für die Eurozone keinen Einfluss darauf. Auch das Ende der ultralockeren US-Geldpolitik kümmert mich nicht besonders.

Zur PersonRajiv Jain ist Anlagechef und Co-CEO von Vontobel Asset Management, dem New Yorker Asset-Manager der Bank Vontobel. Er ist alleiniger Portfoliomanager des Schwellenländeraktienfonds und der internationalen Aktienstrategie sowie leitender Portfoliomanager der globalen, der asiatischen und der europäischen Aktienstrategien.

Vor seinem Antritt bei Vontobel 1994 war er Aktienanalyst beim Schweizerischen Bankverein (heute UBS) in New York. Davor verwaltete er von 1990 bis 1993 eine Privatstiftung für internationale Investoren in Florida. Seine berufliche Laufbahn begann Jain 1989 beim Polyesterhersteller Indo Rama Synthetics, wo er für die Währungsabsicherung verantwortlich war.

Jain hat an den indischen Universitäten Punjab und Ajmer Betriebswirtschaft und Finance studiert und besitzt einen MBA der University of Miami in Florida. PR
Sie blenden makroökonomische Entwicklungen einfach aus?
Natürlich beobachten wir die geldpolitische und die konjunkturelle Entwicklung. Darauf basierend fällen wir aber nicht irgendwelche sektoralen oder regionalen Entscheide. Es geht vielmehr darum, einzuschätzen, wie sich gewisse makroökonomische Entwicklungen auf den Gewinn des einzelnen Unternehmens auswirken.

Und darüber hinaus sind politische Risiken und Makroschocks nicht von Belang?
So einfach ist es nicht. Sie sind wichtig für die Portfoliokonstruktion, aber kein Grund, gewisse Aktien zu kaufen. Denn makroökonomische Schocks wie ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone lassen sich nicht vorhersagen. Wir wissen aber, dass solche Ereignisse – von denen es heisst, dass sie nur alle hundert Jahre vorkommen – immer wieder eintreten. 1994 war die Tequilakrise, 1998 die Asienkrise, 2000 platzte die Tech-Blase und 2008 brach das weltweite Finanzsystem fast zusammen. Ich will damit sagen, dass seltene Ereignisse nicht so selten sind.

Was heisst das für die Konstruktion des Portfolios?
Es muss wiederkehrende makroökonomische Schocks überstehen können.

Sie sichern das Aktienportfolio also laufend mit Optionen ab?
Nein, wir sind immer zu rund 95% in Aktien investiert. Vorübergehende Kapitalverluste muss man akzeptieren, sie dürfen jedoch nicht permanent sein. Wir verfolgen kein absolutes Renditeziel. Doch die historische Performance zeigt, dass unsere Fonds in Phasen rückläufiger Börsenkurse die Konkurrenz und die Benchmark übertreffen.

Woran liegt das?
Wir setzen konsequent auf Aktien von Qualitätsunternehmen, die attraktiv bewertet sind und gleichzeitig über Gewinnwachstum verfügen.

zoomWas sind für Sie Qualitätsunternehmen?
Unternehmen, die makroökonomische Schocks gut bewältigen können. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie wenig Schulden haben, gut geführt werden und es schaffen, konstantes Gewinnwachstum über den Konjunkturzyklus zu erzielen.

Das klingt plausibel, aber solche Aktien haben ihren Preis.
Natürlich sind Qualitätsunternehmen oft auch hoch bewertet. Aber es gibt immer wieder Unternehmen, deren Qualität und Wachstumspotenzial dem breiten Markt nicht bekannt sind.

Können Sie ein Paradebeispiel nennen?
Die Aktien von Mastercard (MA 90.55 0.5%) waren zwar in den vergangenen Jahren nie richtig billig, aber das hohe Gewinnwachstum war uns den Preis wert − und ist es noch heute. Mastercard verdient an jeder Kreditkartentransaktion mit. Die Entwicklung von Bargeld zu Plastikgeld ist noch lange nicht abgeschlossen. Ausserdem ist der globale Kreditkartenmarkt de facto ein Duopol. Die Eintrittshürden für neue Konkurrenten sind sehr hoch. Ein solches globales Netzwerk aufzubauen, ist fast unmöglich.

Wer überzeugt sonst noch mit einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis?
Ich mag Apple (AAPL 126.82 0.96%). Die Aktien sind nicht zu teuer. Das um den Cash-Bestand angepasste Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt unter zehn. Apple ist keine typische Tech-Aktie: Das iPhone zählt in China zu den beliebtesten Luxusprodukten. Aus Europa ist der britische Haushaltsgüterproduzent Reckitt Benckiser (RB. 5955 0.71%) zu nennen.

Können auch Bankaktien Ihre Qualitätskriterien erfüllen?
Im Allgemeinen ist der europäische Bankensektor immer noch unterkapitalisiert. Es gibt aber ein paar positive Ausnahmen. Gut gefallen uns die britische Lloyds Bank, die spanische BBVA und natürlich Svenska Handelsbanken (SHB B 14 1.12%). Das schwedische Institut ist für mich der Goldstandard im Banking: Es arbeitet seit 25 Jahren konstant solide.

Und die Schweizer Grossbanken?
Wir sind für die UBS (UBSG 21.65 1.12%) zuversichtlich. Einst zählte sie zu den besten Vermögensverwaltern, verlor aber mit dem Investment Banking stets Geld. Das neue Management hat diesen Punkt erkannt und ist auf dem richtigen Weg. Der Schweizer Regulator hat strenge Eigenkapitalanforderungen durchgesetzt, auch das ist zum Vorteil der UBS. Von jetzt an sollte die Gewinnentwicklung besser vorhersehbar sein. Die Frage ist nun vor allem, wie viel davon UBS an die Aktionäre zurückführt.

zoomUnd wie sind Finanzwerte aus den Emerging Markets zu beurteilen?
Im Schwellenländerportfolio halten wir drei Finanztitel, die zusammen 11 bis 12% ausmachen. Das grösste Gewicht hat das indische Hypothekarinstitut Housing Development Finance, gefolgt von der ebenfalls indischen HDFC Bank.

Sie tragen eine Apple Watch. Was bedeutet dieses Produkt für die Uhrenindustrie?
Die Apple Watch wird den Uhrenmarkt grundlegend verändern. Das wird auch Swatch zu spüren bekommen. Weniger Sorgen mache ich mir um Richemont. Die teureren Uhren konkurrieren weniger mit der Apple Watch, da es eher Schmuckstücke sind. Bei Schmuck spielen Marken noch nicht so eine grosse Rolle, aber das wird sich ändern. Hier bietet sich für Richemont eine grosse Chance.

Sie investieren also nicht in Swatch, aber in Richemont.
Genau. Noch besser im Luxusgütermarkt positioniert ist lediglich Hermès. Das französische Unternehmen besitzt eine unglaubliche Preissetzungsmacht und ist auf bestem Weg, ein konstantes Gewinnwachstum von ca. 10% pro Jahr zu erzielen. LVMH dagegen hat zu stark expandiert. Wegen der vielen Kopien hat die Traditionsmarke Louis Vuitton gelitten.

Was bedeutet die Abkühlung in China für europäische Unternehmen?
Das Wirtschaftswachstum in China lässt zwar nach, aber ist immer noch deutlich höher als in den Industrieländern. Um davon zu profitieren, kaufen wir Aktien von Unternehmen mit gut verankerten Marken, die gegen lokale Konkurrenz bestehen. Dazu gehören zum Beispiel Nestlé (NESN 72.25 0.91%) oder Unilever (UNA 41.39 1.35%). Bei Industrieunternehmen sind wir dagegen vorsichtiger. Für BMW (BMW 95.9 2.51%) zum Beispiel könnte China zum Problem werden: Wir schätzen, dass mehr als 50% der Gewinne aus China stammen. Doch die Nachfrage nach teureren ausländischen Autos lässt nach, während lokale Produzenten Marktanteile gewinnen. Auch Siemens (SIE 95.31 1.37%) und ABB (ABBN 19.89 1.43%) sind in China unter Druck. Sie stehen im direkten Wettbewerb mit lokalen Unternehmen, die vom Staat privilegiert behandelt werden.

Nestlé sind dieses Jahr im Minus. Auch Unilever kommen in Franken nicht vom Fleck. Welche der beiden Aktien gehören unbedingt in ein Portfolio?
Warum nicht beide? Langfristig betrachtet ist Nestlé das besser geführte Unternehmen mit einem einzigartigen Markenportfolio. Das ist aber gemeinhin bekannt. Unilever hat unter Paul Polman aufgeholt, und das ist im Aktienkurs noch nicht ganz enthalten. Derzeit würde ich Unilever leicht bevorzugen, zumal Nestlé in jüngster Zeit nachgelassen hat. Symptomatisch dafür ist der Umgang mit dem Noodle-Skandal in Indien.

Wie hat sich die Branchengewichtung in Ihren Portfolios in den vergangenen zwei Jahren verändert? Wo haben Sie zugekauft?
Das Gewicht von Bank- und Gesundheitstiteln hat sich erhöht, Basiskonsumgüter haben auf hohem Niveau etwas Gewicht verloren. Doch die Branchengewichtung sagt wenig über den Anlageprozess aus. Sie ist das Resultat der Titelauswahl.

Sie managen seit 1997 den Emerging-Markets-Fonds. Wie gehen Sie mit der strukturellen Wachstumsschwäche in den Schwellenländern um?
Was das dortige Wirtschaftswachstum angeht, waren viele Investoren wohl etwas zu euphorisch. Jetzt kehren wir zur Normalität zurück. Die vergangenen Jahre waren schlichtweg nicht normal. Die Zinsen waren weltweit seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr so lange so niedrig.

Ist die Aufwertung des Dollars ein Problem für Emerging-Markets-Aktien?
Man muss sich von Fall zu Fall fragen, wie stark der Effekt ist. Am Ende interessiert mich nur das Gewinnwachstum in Dollar gerechnet. Hindustan Unilever zum Beispiel hat in den letzten dreissig Jahren in Dollar ein Gewinnwachstum pro Aktie von jährlich 15% erzielt, während die Rupie jährlich 5% verloren hat. Auch heute hat die Aktie von Hindustan Unilever mit einem Gewinnwachstum von 7 bis 8% und einer Dividendenrendite von 3% ein Renditepotenzial von 10 bis 11%. Auch Nestlé India war in den vergangenen zwanzig Jahren das bessere Investment als Nestlé Schweiz, obwohl die Rupie sich abgewertet hat. Das Wachstum war einfach noch höher.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.