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13:26 Uhr - 16.11.2015

Porträt: Jean-Claude Biver

Biver kann’s. Immer noch.

Wer Jean-Claude Biver trifft, fühlt sich alt. Der 66-jährige CEO von TAG Heuer, Hublot und Zenith und Chef der Uhrendivision von LVMH redet nicht. Nein, er poltert und dröhnt, Euphorie glüht in den Augen, er bebt vor Lachen, er schlägt seine rechte Faust in die linke Hand, immer wieder, um seinen Worten Gewicht zu geben: «Wer nicht die Zukunft im Auge hat, ist tot.» Auf dem Rundgang im TAG-Heuer-Werk in La Chaux-de-Fonds tänzelt er durch die Flure, ruft ein «Bonjour!» in jedes Büro.

Dass er eben erst aus den USA zurückgekehrt ist, dass er sieben Tage pro Woche arbeitet, dass er meist um 5 Uhr aufsteht, ist ihm nicht anzusehen. Am Montag hat er in New York die TAG Heuer Connected präsentiert, seine Smart Watch und Antwort auf Apple, mit Software von Google und Intel Inside. «Wir verkaufen momentan zehn Stück der Uhr pro Stunde», schwärmt er, «und haben soeben beschlossen, die Produktion von 1000 auf 2000 pro Woche zu verdoppeln.» 100 000 verkaufte Stück pro Jahr sind in Reichweite.

Doch Biver macht sich Sorgen. Um die Schweizer Uhrenindustrie. Er, der als Zehnjähriger aus Luxemburg in die Schweiz immigriert ist, der von Jacques Piguet das Uhrengeschäft gelernt hat. Er, der 1981 die konkursite Blancpain gekauft und sie als leuchtendes Beispiel für die Schweizer Luxusuhrenbranche zum Erfolg geführt hat. Er, der für Nicolas Hayek die Marke Omega zum Blockbuster gemacht und neue Standards im Marketing gesetzt hat. Er, der Hublot aufgebaut hat. Er macht sich Sorgen.

«Das gesamte Preissegment bis 2000 Franken ist gefährdet», sagt er. Man dürfe die Herausforderung der Apple Watch und anderen «Wearables» nicht unterschätzen. Das untere Segment sei die Basis der Pyramide, auf denen die teuren Uhrenmarken thronen: Das Massengeschäft, die Skalenproduktion. «Hayek Senior hat immer verstanden, dass wir die Basis der Pyramide brauchen», sagt Biver. Selbstgefälligkeit macht ihm Angst. Er zweifelt. «Nur der Dumme zweifelt nicht», donnert Biver.

Die TAG Heuer Connected sei daher ein defensiver Schritt: um ein Konkurrenzprodukt zur Apple Watch zu haben. Und sie sei ein offensiver Schritt: um junge Kunden zu gewinnen, die möglicherweise nie mehr eine Uhr kaufen werden, um darauf die Zeit ablesen zu können. «Defensiv und offensiv, wie der FC Barcelona unter Johan Cruyff», lacht er und lässt keinen Zweifel offen: Wir können es uns nicht leisten, nicht mitzuspielen. Smarter Coup: Wer will, kann nach zwei oder mehr Jahren ein mechanisches Uhrwerk in seine Connected einbauen lassen und hat dann eine Uhr für die Ewigkeit.

Von Tokio über London bis L.A.: Egal, wo er ist, Biver geht in die jungen Quartiere und Boutiquen. Er will wissen, weshalb ein Label wie Off White in London 1500 £ für ein Hemd verlangen kann. Seine Kinder aus zweiter Ehe – Alter: 15, 20, 23 – sind seine Trendscouts. Sie sagen ihm, was läuft, wen er als Markenbotschafter rekrutieren soll. Den ältesten Sohn, heute 35, schickte er im Alter von 22 nach China. Er ist geblieben, leitet heute Hublot, Zenith und TAG Heuer in Greater China.

Aufhören? Wird Biver noch lange nicht. Und wenn, dann hat er immer noch seinen Hof und 86 Kühe über dem Léman, wo er jeden Sommer fünf Tonnen Käse produziert.

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