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16:07 Uhr - 10.12.2015

Pictet warnt vor unruhigen Märkten

Wachsende Divergenzen – geldpolitisch, konjunkturell und an den Finanzmärkten – schüren Verunsicherung. Die Genfer Privatbank empfiehlt taktisches Vorgehen, mit reduziertem Risikobudget und Präferenz für Aktien aus Europa.

«Mitschwimmen wie in den letzten Jahren, wo Anleger fast nichts falsch machen konnten, geht nicht mehr», beginnt Senior Analyst Alfred Roelli seinen Halbjahresausblick, gefolgt vom Hinweis, dass Pictet im November aus taktischen Überlegungen den Aktienanteil im ausgewogenen Portefeuille von 52,1 auf 45% gesenkt hat. Der zweite Entscheid in den zurückliegenden Monaten war der Aufbau erstklassiger Unternehmensanleihen von null auf 4%. Letzteres war auf die gestiegenen Zinsdifferenzen zurückzuführen. Ersteres, der deutliche Schnitt bei Aktien – die Schweizer Tranche wurde gar von 23 auf 15% reduziert –, löste im Publikum doch einige Überraschung aus. Denn Pictet hielt in den letzten Jahren stets grosse Stücke auf Dividendenpapiere.

Als grundlegendes Misstrauen will Roelli den Entscheid nicht verstanden wissen. «Ein taktischer Schritt, spiegelbildlich für das, was im kommenden Jahr vermehrt nötig sein dürfte», bemerkt er: mit kurzfristigen Veränderungen unter und innerhalb der Anlageklassen den Marktschwankungen zu trotzen, ja daraus Profit zu schlagen.

Divergenzen mehren sich

Gründe für Pictets Erwartung unruhiger Märkte im neuen Jahr gibt es mehrere: die unterschiedlichen Konjunkturzyklen, «die ein wenig überzeugendes Bild ohne grössere Beschleunigung zeigen». Die USA eher am Ende und Europa am Anfang des Aufschwungs, dank weiterhin niedriger Rohstoffpreise, was umgekehrt manchen Schwellenländern schlecht bekommt. In Bezug auf China plädiert die Bank für Geduld. «Wir sind überzeugt, dass dem Land der Übergang zu einem westlicheren Wirtschaftsmodell gelingen wird», sagt Roelli, «der Konsum wächst und hat viel Raum nach oben, es dauert einfach noch ein paar Jahre.»

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Die zweite Divergenz: die uneinheitliche und, wie es scheint, teils gegeneinander gerichtete Notenbankpolitik. Die einen – die USA und Grossbritannien – erhöhen, die anderen, vorab die kleineren Notenbanken, denken eher ans Senken der Zinsen. Eine Kerninflation (ohne Energie, Nahrungs- und Genussmittel) von über 2% in den USA ist nicht mehr ausgeschlossen. Deshalb hat Pictet gute Unternehmensanleihen gekauft, «um den kleinen Anstieg der Renditeaufschläge zu nutzen».

Aktien haben seit März 2009 alle anderen Anlageklassen deutlich geschlagen, auch das eine Diskrepanz, die sich kurzfristig zulasten der weit vorauseilenden Dividendentitel entwickeln könnte. Zwar hält Roelli Aktien nicht für überbewertet, an der Börse sei noch immer Skepsis vorhanden. Doch das abgeschwächte Wachstum der Unternehmensgewinne, verbunden mit Gewinnängsten, deute eher auf eine Stagnation der Bewertungen hin. Abschwung nein, Korrekturen ja, sieht der Pictet-Chefanalyst das Börsenbild im neuen Jahr.

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Für strategische Investments in Schwellenländeraktien sei der Zeitpunkt verfrüht. Hingegen kann sich Pictet zur Portfolioabrundung Emerging-Markets-Anleihen in Hartwährungen vorstellen. Die bevorzugte Anlageklasse sind Aktien aus Industrieländern, mit Präferenz für europäische Value-Titel und für Wachstumswerte generell. «Grundsätzlich sehen wir die Welt positiv», betont Roelli und nennt sieben Quellen, die für einen Innovationsschub sorgen: das Internet, intelligente Werkstoffe, Transport, Informations- & Datenverarbeitung, Biowissenschaften, Automation und Energie.

Ein Lob für Private Equity

Diese Trends – der wachsende Erfolg von neuen Technologien und Anwendungen – sind es auch, die Pictet zum Thema Private Equity (0QLS 60.5 0%) führen. Die Ausschüttungen in dem Sektor, wo private oder institutionelle Investoren meist jungen Unternehmen Eigenkapital zur Verfügung stellen und sich so an der Wertschöpfung beteiligen, bewegen sich auf Rekordniveau, die Kapitalabrufe nur leicht über dem alten Höchst. Solange Kredite günstig und reichlich erhältlich sind, wird diese Entwicklung weitergehen, ist die Bank überzeugt. Private Equity werde zunehmend eine konventionelle Anlageklasse mit weltweiten Opportunitäten und sei deshalb grösseren Investoren dringend ans Herz zu legen.

Währungsseitig räumt Pictet dem Dollar noch Spielraum ein. Gegen den Yen hält man ihn allerdings bereits für um 30% und gegen den Euro um rund 11% überbewertet. Unter den wichtigen Währungen sei er einzig gegen den Franken noch unterbewertet – im ökonometrischen Modell der Bank rund 13 bis 15%. Das heisst mit anderen Worten: Der Franken ist zu stark. Gleiches brachte am Donnerstag erneut auch die Schweizerische Nationalbank zum Ausdruck und unterstrich ihre Bereitschaft zu weiteren Interventionen am Devisenmarkt, um den Druck auf den Franken zu mildern.

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