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11:44 Uhr - 24.08.2015

«Die Börse ist zu pessimistisch»

Für Joachim Klement, CIO von Wellershoff & Partners, ist klar, dass die Aktienmärkte von der Anlegerstimmung getrieben sind. Denn die wirtschaftliche Lage sei nicht besorgniserregend.

Zur PersonJoachim Klement ist Chief Investment Officer (CIO) des unabhängigen Analysehauses Wellershoff & Partners. Zuvor arbeitete er als Leiter Anlagestrategie bei UBS Wealth Management. Er hat an der ETH Mathematik studiert. Quelle: ZVGHerr Klement, reagieren die Börsen mit den heutigen Verlusten auf ökonomische Fakten?
Die Verluste kommen fast ausschliesslich von der Anlegerstimmung. Die Aktienrally verliert Schwung. Seit Mai legen nur noch die Mega Caps zu, die Titel mit sehr hoher Marktkapitalisierung. Die kleinen Valoren schwächeln dagegen. Dieser Rückgang der Marktbreite ist ein klassisches Signal, dass die Aktienmärkte eine Spitze erreichen. Dann braucht es nur einen beliebigen Auslöser, um eine Korrektur loszutreten. Jede neue Zahl aus China wird nun für Verkäufe genutzt. Es ist zwar richtig, dass sich in China die Investitionstätigkeit verlangsamt. Aber das ist ein längerfristiger Trend, der sich nicht verstärkt hat. Die Anleger schenken dem nur mehr Aufmerksamkeit.

Sie sehen also keine konjunkturelle Abkühlung, die die Kursverluste begründen würde?
Wir beobachten die Stimmungsindikatoren der Industrie genau. Dort ist keine Abkühlung erkennbar. Man kann natürlich nicht ausschliessen, dass sich die Konjunktur abkühlt. Aber falls die Wirtschaft tatsächlich nicht mehr rund laufen würde, würden die Zentralbanken eingreifen. So würde die US-Notenbank ihren Zinsschritt aufschieben. Das sollte den Märkten wieder Auftrieb geben.

Nicht nur die Aktien reagieren. Die Anleihenrenditen sinken, und die Rohstoffpreise fallen weiter. Heisst das nicht, dass die Finanzmärkte sich um die wirtschaftliche Situation sorgen?
Ja, es sieht so aus, als erwarteten die Märkte eine Rezession. Es zeigt sich ein klassisches Muster wie vor einer Rezession: Staatsanleihen avancieren, Gold (Gold 1154.01 -0.77%) gewinnt, und die Aktienkurse fallen. Aber das scheint übermässig pessimistisch. Diesen Sentiment-Abschwung muss man als Anleger durchstehen. Wenn der Markt einen Boden findet, kann man gewisse Aktienmärkte aufstocken, da sie wieder attraktiv bewertet sind.

Welche Aktienmärkte sind denn interessant?
Die asiatischen Märkte ausserhalb von China sind schon so stark gebeutelt, dass die Bewertungen nur noch 10 bis 20% von den absoluten Tiefst entfernt sind. Die werden langsam interessant. Die Bewertungen in der Eurozone sind im Vergleich zum Rest der Welt attraktiv. Der Dax hat ja schon grössere Verluste einstecken müssen als der Schweizer Markt.

Wie lange wird die schlechte Anlegerstimmung die Märkte noch belasten?
Die Dauer von sentimentgetriebenen Märkten ist sehr schwer vorherzusagen. Die Erfahrung der letzten Jahre ist aber, dass die Zentralbanken sehr schnell eingreifen, um die Konjunktur nicht abzuwürgen. Da die Notenbanken intervenieren, sollte die schlechte Stimmung nur von kurzer Dauer sein.

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